Bürgermeister wollen im Alleingang Geld aus Brüssel abrufen /// Privatwirtschaft kritisiert Parxis der Eilverordnungen /// Nur 30% der Haushalte am Land haben fließendes Wasser
Die von vier siebenbürgischen Großstädten haben die Nase gestrichen voll - sie haben ein Netzwerk gebildet, um im Alleingang Geld aus Brüssel abzurufen, ohne warten zu müssen, bis sich die Zentralregierung in Bukarest bewegt.
Das West-Viereck, wie der noch informelle Zusammenschluss heißt, besteht aus den Städten Timișoara, Arad, Oradea und Cluj-Napoca. Die Gesamtbevölkerung dieser Städte liegt nach einer zugegeben relativ älteren Statistik von
2011 bei mehr als einer Million Einwohnern. Den vier Bürgermeistern, die praktischerweise der gleichen Oppositionspartei angehören, ist sozusagen der Geduldsfaden gerissen. Die vier Liberalen haben es offenbar satt, Däumchen zu drehen, während die rumänische Zentralregierung in Bukarest nichts für die Entwicklung ihrer Region tut. Sie wollen jetzt ihre vier Städte durch Autobahnen und Hochgeschwindigkeitseisenbahnen vernetzten und dafür Finanzierungen direkt aus Brüssel abrufen, berichtet die Lokalzeitung Gazeta de Cluj. Kleine Projektabschnitte können aus Brüssel nicht unmittelbar finanziert werden, größere schon, und die informelle Allianz rechnet sich dabei gute Erfolgschancen aus, so Nicolae Robu, Bürgermeister von Timisoara.
Außerdem wollen sich die vier Stadtherren generell abstimmen und austauschen: Mehr Kooperation soll auch in Kultur, Bildung, Gesundheit, Tourismus, Sport und Sicherheit angestrebt werden. Nun werben die vier Bürgermeister für mehr Teilnehmer am Netz, nachdem sie ein Arbeitspapier unterschrieben haben. Anlass war das Treffen Hub Urban Talks in Timisoara, bei dem Kommunalverwaltungen in Kontakt mit der Privatwirtschaft und den Bürgern traten, um über nachhaltiges Wachstum der Städte zu diskutieren.
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Und noch jemand ist zutiefst unzufrieden mit der Arbeitsweise der rumänischen Regierung - die Wirtschaft. Die Koalition für die Entwicklung Rumäniens, ein Verband, der über 54 Tausend Unternehmen vertritt, kritisiert die in Bukarest sehr übliche Praxis der Eilverordnungen. Dieses Instrument ist eigentlich gedacht, die Regierung in einer Notsituation nicht handlungsunfähig zu lassen, während das Parlament Ferien hat. Doch es wurde weitgehend missbraucht, weil Regierungen es bequemer finden, Vorschriften einzuführen, ohne das Parlament einzuschalten. Nach der Wende wurden 3.136 Eilverordnungen erlassen - das entspricht, so die Koalition, 10 Notsituationen jeden Monat, 27 Jahre lang. Es kommt aber bunter, denn allein zwischen 2009 und 2017 wurden 900 Eilverordnungen der Regierung verabschiedet, und dass zumeist ohne Konsultation der Öffentlichkeit und zu extrem wichtigen Themen wie Steuerpolitik, Sozialversicherungen, privat-öffentliche Partnerschaften, Staatsfonds usw. Ein Problem dabei ist, dass solche Eilverordnungen oft anderen Vorschriften widersprechen und die Rechtssicherheit darunter zu leiden hat. Inzwischen hat auch der FIC sich der Kritik angeschlossen. Demnach sei die reine Ankündigung der Absicht, eine Eilverordnung zu erlassen, keine Diskussion per se. Die Verbände der Wirtschaft haben keine Zeit, sich mit der Materie anzufreunden und selbst Stellungnahmen betroffener Akteure und Experten einzunehmen, meint der FIC.
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Stichwort Entwicklung - unlängst gab es interessante Zahlen vom Statistischen Institut: nur zwei Drittel der rumänischen Haushalte haben fließendes Wasser. Das Stadt-Land Gefälle macht sich auch diesbezüglich bemerkbar. Fast 97% der Haushalte in der Stadt beziehen ihr Trinkwasser vom Hahn, während es am Land nur einer von drei Haushalten ist. Am Dorf lebt es sich noch rustikal - nur 45% der Wohnungen haben ein Badezimmer im Haus und sechs von zehn Haushalten gehen noch aufs Klo im Hinterhof.
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