Die Organisation Active Watch hat im Mai das Lagebild für die rumänischen Medien veröffentlicht.
Active Watch ist in und für Rumänien das, was Reporter ohne Grenzen für den internationalen Bereich ist – jemand, der auf Pressefreiheit Acht gibt und neue Tendenzen erkennt.
Auf 121 kleingeschriebenen Seiten (Link zum Download, Dokument in rumänischer Sprache) dokumentiert Active Watch akribisch sowohl die allgemeinen Entwicklungen, als auch die einzelnen Vorfälle, die man als Risiken für die Pressefreiheit einstufen kann. Als genereller Kontext gilt eine strukturelle Ausübung politischer und wirtschaftlicher Kontrolle auf Medien und deren Instrumentalisierung zu persönlichen Zwecken.
Nicht zuletzt waren es Ermittlungen in prominenten Korruptionsverfahren, die die Zustände in den rumänischen Medien offen legten. Ein großes Problem scheint nach wie vor die Finanzierung zu sein. Die Staatsanwälte gehen davon aus, dass Medienunternehmer, Geschäftsleute und hohe Amtsträger in bestimmten Fällen praktisch kriminelle Netzwerke bilden. Allein in Bukarest werden zwei Bezirksbürgermeister verdächtigt, öffentliche Aufträge gezielt an ihre Klientel vergeben zu haben, mit dem Schmiergeld wurde dann das Schweigen der Presse gekauft – im Mittelpunkt solcher Skandale stehen kleine Zeitungen bis hin zu großen Fernsehstationen. In einigen Fällen sind es die Verleger, die auf die Politiker zugehen und Schweigegeld erpressen. Journalisten, die sich nicht der neuen Linie der Redaktion fügen, werden einfach gefeuert.
Auf die Medien hat es auch der Staat selbst abgesehen. Geheimdienste schleusen verdeckte Agenten in Redaktionen ein – das ist keine Vermutung, sondern eine Praxis, die George Maior, der frühere Innengeheimdienstleiter auch bestätigte. Ein Journalist, der für eine Story über die Verantwortung der Behörden bei der Brandkatastrophe im Klub Colectiv recherchierte, wurde offenbar von Beamten des Sicherheitsdienstes des Innenmininisteriums beschattet. Der inzwischen in einem anderen Verfahren verhaftete Bürgermeister von Baia Mare entzog einer Zeitung die Zulassung für eigene Vertriebsstellen in der Stadt, nachdem ein für ihn wenig schmeichelhafter Artikel erschienen war.
Nicht immer müssen Behörden aber aktiv gegen die Presse und ihre Vertreter vorgehen – um die Arbeit der Journalisten zu behindern reicht es, wenn ihnen passiv Informationen vorenthalten werden, zu denen sie eigentlich nach dem Gesetz berechtigt sind. Eine weitere Situation in diesem Sinne stellte Active Watch fest, wenn Journalisten der Zutritt zu öffentlichen Sitzungen von Gremien der Kommunalverwaltung verwehrt wird. Gerichte geben in der Regel den Redaktionen und Journalisten in späteren Verfahren Recht, doch können sich wenige eine kostspielige Klage gegen die Behörden leisten.
Das größte Problem aber – von dem viele andere dann weiter ausgehen – ist die prekäre materielle Lage, in der sich viele der Medien befinden. Die finanzielle Krise von 2008 wirft immer noch ihre Schatten auf den Werbe- und Medienmarkt, dazu kommen die Herausforderungen des neuartigen Medienkonsums im digitalen Zeitalter. Die meisten Nachrichtensender machten letztes Jahr Verluste oder hatten Schulden – oder befanden sich in beiden Situationen. Etwas besser sah es auf dem Radiomarkt aus, doch auch hier gibt es besonders für die kleinen Lokalsender Probleme, da sie oft genauso hohe Gebühren an die kollektiven urheberrechtlichen Organisationen zahlen müssen wie die großen überregionalen Stationen. Viele Redaktionen müssen unter finanziellem Zwang arbeiten; Entlassungen und Kündigungen sind die Folge. Das bringt einen Qualitätsverlust mit sich – so kündigten massiv Journalisten der Presseagentur Mediafax, der einzigen Konkurrenz zur staatlichen Agentur Agerpres.
Hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Medien ist die Situation gemischt. Die rumänische Radiogesellschaft ist nach Jahren eines harten Sparkureses zwar finanziell im Schwarzen, die Fernsehgesellschaft ist dafür faktisch insolvent und kann ihre Schulden nicht mehr bedienen. Dass aus diesem Grund die Gesellschaft aus der European Broadcasting Union ausgeschlossen wurde, ist eine unliebsame Folge, doch bleibt die wichtegere Frage offen, wie sie langfristig ihren gesetzlichen Informationsauftrag wahrnehmen kann.
Nach Angaben von Active Watch hat die Zahl der Gerichtsverfahren gegen Journalisten zugenommen. Sie werden nach dem 2011 in Kraft getretenen Zivilgesetzbuch verklagt und müssen zum Teil mit hohen Schadenswiedergutmachungen rechnen. Dieser Bereich ist wegen der uneinheitlichen Rechtsprechung relativ problematisch. Darüber hinaus halten sich zwar Richter in der Regel an die Rechtsprechung des EGMR, doch werden auch Urteile ausgesprochen, die gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstoßen.
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