Der "Blaue Wal" soll Jugendliche zum Selbstmord verleiten; auf das Konto des Spiels seien schon zahlreiche Opfer in osteuropäischen Ländern gegangen.
Die Anzahl der Opfer unter den Teenagern, die Behörden und Medien dem Spiel alleine in Russland zuschreiben, reicht von 90 bis etwa 130. Was es genau ist, muss jedoch noch definiert werden, denn es gibt keine Spielesoftware – die jungen Leute melden sich über die russische Alternative von Facebook an, werden einem Administrator zugeteilt, und dieser gibt ihnen über die nächsten 50 Tage immer gefährlichere Aufgaben auf, die offenbar in den Suizid führen sollen.
So müssen sie sich mal das Bild eines blauen Wals in die Haut einritzen, oder um 4.20 Uhr früh aufwachen und sich einen Horror-Film ansehen oder deprimierende Musik hören, oder auf einem schmalen Dachsims auf und ab wandern. Der letzte Test ist der Suizid selbst. Weigert sich ein Teilnehmer, sich umzubringen, wird ihm und auch seiner Familie gedroht. Journalisten vom Sender Freies Europa, der in Gebieten der ehemaligen Sowjetunion weiterhin aktiv ist, haben ein falsches Konto bei VKontakte eröffnet und auf eigener Haut erfahren, was dahinter steckt. Auf die Frage, was denn passieren würde, wenn die vermeintliche Teilnehmerin einen Rückzieher macht, sagte der Administrator nur, dass „sie“ alle Informationen haben und die junge Frau verfolgen würden. Wer genau „sie“ sind, bleibt unklar, wie eigentlich alles an diesem Spiel oder Netzwerk oder Sekte. In Russland wurde schon Ende 2016 ein junger Mann verhaftet, der einer der Ur-Administratoren sein soll. In mehreren Städten liefen oder laufen Ermittlungen, und dass auch eine Menge regionaler Politik schwebt, zeigt sich auch daran, dass russische Politiker hinter dem Spiel eine Kampagne ukrainische Nationalisten vermuten.
Das Spiel schwappt seit einiger Zeit auch auf andere Staaten in Ost- und Mitteleuropa über – obwohl es eher auf den slawisch-sprachigen Kulturraum konzentriert ist, wurde Rumänien nicht verschont. Das erste Opfer soll ein Mädchen aus Braşov (Kronstadt) sein, die in einem Kinderheim wohnt. Wie die Kinderschutzbehörde mitteilte, soll sie Koordinaten einer Karte bekommen haben – für den Platz, wo sie sich ungestört selbst umbringen könnte. Das Mädchen schaltete das Mobiltelefon aus und meldete den Vorfall. Die Polizei ermittelt jetzt.
In Iaşi sind 5 Schüler in ein Krankenhaus eingeliefert worden, nachdem sie den Atem fast eine Minute angehalten hatten und ohnmächtig wurden. Sie sind im Moment außer Lebensgefahr, die Polizei prüft, ob der Vorfall mit dem ominösen Spiel aus Russland in Verbindung steht.
Auf jeden Fall sind die Behörden und auch die Kirche informiert und nehmen die Situation sehr ernst, die Polizei und das Bildungsministerium haben eine Aufklärungskampagne gestartet.
Das Spiel sorgt auch für Kollateralschäden: In Ploieşti hat ein junger Mann Anzeige erstattet, weil unter seinem Namen auf Facebook ein Konto eingerichtet wurde, in dem er als Administrator für den Blauen Wal vorgestellt wird. Weil seine Telefonnummer ins Netz gestellt wurde, bekäme er jetzt Anrufe – entweder von jungen Leuten, die spielen wollen, oder aber von entrüsteten Gegnern des Spiels.
Und in Timişoara versuchte ein aufgewecktes 13-jähriges Mädchen, auf eine ganz andere Weise Kapital aus der Situation zu schlagen: Sie erzählte, aus Versehen ins Spiel geraten zu sein und dann Drohungen von den Administratoren bekommen zu haben. Die Polizei schaltete sich ein, musste aber feststellen, dass das Mädchen über eine Spezialapp die Drohungen selbst abgeschickt hatte. Bei der Befragung räumte sie ein, dass sie alles nur vorgetäuscht hatte, weil sie sich ein neues Handy wünschte.
Psychologen sind der Meinung, dass besonders Teenager anfällig sind für solche Sekten – sie fühlen sich in der Familie nicht verstanden und suchen nach Akzeptanz außerhalb in Gruppen Gleichaltriger. Zudem gibt das Internet für solche Verhaltensweisen ein sehr gutes Instrument ab – während Eltern den direkten Kontakt mit Freunden und Bekannten relativ leicht kontrollieren konnten, müssen sich die jungen Leute nicht mehr unmittelbar begegnen. Manipulationen sind fern der Blicke von Erwachsenen, Lehrer oder Eltern viel leichter umsetzbar.
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