In Europa wird der Kampf gegen Terrorismus immer mehr an der technologischen Front entschieden. Im September sollen die Innenminister der Union über machbare Ansätze diskutieren, doch schon jetzt ist in groben Zügen ersichtlich, was die Zukunft bringt.
Da besonders Frankreich und Deutschland in letzter Zeit von terroristischen Anschlägen unterschiedlicher Dimension getroffen worden sind, ist es nachvollziehbar, dass gerade sie die Speerspitze für neue Initiativen bilden. Vor nur wenigen Tagen trafen sich die Innenminister der beiden Länder in Paris, um sich über mögliche Vorschläge auszutauschen. Sie werben, wie der deutsche Innenminister Thomas de Maizière verdeutlichte, für eine ausgeprägt europäische Komponente der Terrorismusbekämpfung.
In einem von den beiden Innenministern verabschiedeten gemeinsamen Papier zeichnen sich mehrere Vorgehensrichtungen ab.
Erstens geht es darum, die verschiedenen, bereits heute in der EU existierenden Datenbanken zu vernetzen und den Sicherheitsbehörden den Zugriff darauf zu erleichtern. Es gibt zum Beispiel die Europol-Datenbank, dann das Schengen Informationssystem, zudem SLTD für gestohlene Reisepapiere, oder Eurodac für Fingerabdrücke. Alle Mitgliedstaaten sollten systematisch ihre Daten in diese Systeme eingeben und sie nutzen. Aber, forderten Thomas de Maizière und Bernard Cazeneuve in Paris, es muss auch eine Interoperabilität möglich sein und somit ein gemeinsames europäisches Identitätsmanagement für Reise, Sicherheit und Migration.
Zweitens wünschen sich die Innenminister eine bessere Zusammenarbeit mit den sozialen Netzwerken. Man könne sich dabei die Übertragung der guten Praxisbeispiele aus der Bekämpfung der Kinderpornographie vorstellen, regten die beiden Minister an. Aber auch generell werde das Internet für Propaganda, Radikalisierung und Terrorismus missbraucht, deshalb brauche die EU eine über nationale Grenzen hinweg arbeitende Einrichtung zur Bekämpfung solche Phänomene. Ein derartiges EU-Zentrum sollte vor allem die bereits bestehenden Stellen bei Europol stärken und das EU Netzwerk für Prävention und Deradikalisierung beleben. Ziel sei es, die zahlreichen bestehenden Initiativen auf nationaler Ebene zu kombinieren und den Austausch zwischen Praktikern, Wissenschaftlern und Regierungsmitarbeitern zu fördern. Brisant könnte die Idee sein, das so genannte Host Provider Privileg im Sinne einer „Produkthaftung“ bei Missbrauch für Terrorpropaganda zu verschärfen. Die Internetplattformen würden sich also nicht mehr der Verantwortung für die dort präsentierten Inhalte entziehen können.
Dritter und problematischster Punkt: die Verschlüsselung digitaler Kommunikation. Dass Terroristen heute über frei erhältliche Systeme verschlüsselt untereinander kommunizieren können, sehen die Innenminister als große Herausforderung an. Konkrete Maßnahmen schlagen sie nicht vor, vielmehr sprechen sie über den Bedarf nach Lösungen, damit Sicherheitsbehörden auch auf verschlüsselte Kommunikation zugreifen können, ohne dass der Schutz der digitalen Privatsphäre durch ein Generalverbot kryptographierter Systeme untergraben wird. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit müsse es auch möglich sein, dass Sicherheitsbehörden unter rechtsstaatlichen Voraussetzungen einen Einblick in verschlüsselte Kommunikation erhalten können. Das ist rechtlich, aber auch technisch ein Problem – wenn die Verschlüsselun bzw. Entschlüsselung auf den Geräten der Teilnehmer stattfindet, haben die Anbieter wie Whatsapp oder Telegram in der Regel selbst keinen Zugriff auf die unverschlüsselten Daten.
Wie das Beispiel Deutschlands zeigt, sind auf nationaler Ebene noch weitgehendere Schritte denkbar. Ab 2017 soll die so genannte Zitis ihre Arbeit aufnehmen, also die „Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich“. Im Innenministerium wird auch überlegt, verdeckte Ermittler im Dark Net, dem versteckten Internet einzusetzen. Und in der Öffentlichkeit könnte es bald mehr Überwachungskameras geben, die mit Computern mit moderner Gesichtserkennungssoftware und weiter mit Fahndungsdatenbanken verbunden sind. Außerdem soll es eine Vorratsdatenspeicherung für die gesamte elektronische Kommunikation geben – also z.B. auch für Whatsapp-Nachrichten.
Inwieweit ein solches deutsches Sicherheitsmodell auch für andere Ländern Sinn macht, wird sich noch zeigen.
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