Corneliu Coposu, der Senior der rumänischen Demokratie nach der Wende
Corneliu Coposu verbrachte 17 Jahre in kommunistischen Kerkern, nach der Wende baute er die Bauernpartei wieder auf und leistete einen erheblichen Beitrag zur Demokratisierung des Landes.
Steliu Lambru, 16.11.2015, 18:03
Beginnend mit 1947 hat das kommunistische Regime in Rumänien beinahe die gesamte politische, kulturelle und wirtschaftliche Elite des Landes verhaftet. Viele starben in den kommunistischen Gefängnissen, andere verblieben jahrelang in Haft. Corneliu Coposu verbrachte 17 Jahre im kommunistischen Kerker, nach der Wende baute er die Bauernpartei (PNŢ) wieder auf und leistete einen erheblichen Beitrag zur Demokratisierung des Landes. Doch Anerkennung erhielt er erst am Ende seines Lebens.
Man sagt, das Wichtigste im Leben eines Menschen sei das, was er hinterlässt, sein Erbe. Dabei geht es nicht unbedingt um Sachen oder anfassbare Dinge, sondern mehr um symbolisches Erbe, um Verhalten, um Ratschläge für die Nachfolger und um Lebensstil. Corneliu Coposu ist am 11. November 1995 gestorben und für fast alle Rumänen ist er ein Märtyrer der Demokratie und ein Vorbild der Wiedergeburt nach der Wende von 1989, nach fast 50 Jahren Kommunismus.
Er hinterließ ein riesiges symbolisches, politisches und religiöses Kapital. Corneliu Coposu war eine aufrichtige Person, die dem kommunistischen Regime physischen und psychischen Widerstand leistete. Viele andere verzichteten auf den Kampf oder arbeiteten mit dem Regime zusammen. Der Teufel in der Geschichte“, wie es der polnische Philosoph Leszek Kolakowski nannte, das Regime des roten Terrors, ließ Corneliu Coposu bis zu seinem Fall 1989 nicht in Ruhe leben. Das Regime versuchte, ihn zur Kollaboration zu verlocken, seine Seele und seine Überzeugungen zu kaufen und ihn zu kompromittieren. Seinen eigenen Aussagen zufolge, die auch von den Dokumenten im Archiv der ehemaligen Sicherheitspolizei Securitate bestätigt wurden, wurde Corneliu Coposu nach seiner Haftentlassung weitere 27-mal für kurze Perioden verhaftet. Sein Haus wurde Dutzende Male durchsucht und mehr als 3000 persönliche Dokumente wurden dabei beschlagnahmt.
Corneliu Coposu war der Mensch, um den 1989 ein paar Rumänen und anschließend immer mehr sich vorgenommen haben, das politische, gesellschaftliche, kulturelle und geistige Gewebe der Rumänen, das von den Praktiken der kommunistischen Tyrannei stark verletzt worden war, wieder aufleben zu lassen. In den ersten Monaten des Jahres 1990 schien Coposu allein zu sein und von der Mehrheit abgelehnt zu werden. 1995, als er starb, hatte Coposu einen erheblichen Teil der Rumänen auf seiner Seite. Diese wünschten sich einen Wandel.
Corneliu Coposu hat viel gelitten und das trug am meisten zur Änderung der Einstellung der Rumänen gegenüber ihm zwischen 1990 und 1995. Nach siebzehneinhalb Jahren Haft, von 1947 bis 1965, hat der Senior“, wie er genannt wurde, eine alte Weisheit bestätigt: dass die Wahrheit immer gewinnt. Corneliu Coposu bezeichnete sich jedoch nicht als alleinstehendes Beispiel. Er sagte immer, sein Vorbild sei das einer ganzen rumänischen Generation gewesen, die das Regime leider nicht überlebt habe, um zu erzählen.
Corneliu Coposu wurde am 20. Mai 1914 im heutigen Landkreis Sălaj in der Familie eines griechisch-katholischen Priesters geboren. Er wurde Anwalt und promovierte an der Universität in Cluj (Klausenburg). Er war zudem der persönliche Sekretär von Iuliu Maniu, dem Vorsitzenden der Nationalen Bauernpartei PNȚ. Am 14. Juli 1947 wurde Coposu zusammen mit der ganzen Parteileitung infolge einer gestellten Aktion der kommunistischen Behörden verhaftet. Er wurde anfänglich zur lebenslänglichen Zwangsarbeit verurteilt. Er kam letzten Endes nach mehr als 17 Jahren raus. Neun Jahre verbrachte er in kompletter Isolation und verlernte fast das Sprechen. Ein Treffen mit ihm war für jeden ein Privileg. In einer Aufzeichnung erinnerte sich Corneliu Coposu an die Haftbedingungen im Gefängnis von Râmnicu Sărat:
Das Gefängnis in Râmnicu Sărat hatte 34 Zellen, jeweils 16 im Erdgeschoss und im 1. Stock, die von einem Drahtnetz abgetrennt waren. Seitlich gab es noch 2 Zellen und weitere 4 Isolations-Zellen im Untergeschoss. Jede Zelle war 3 Meter lang und 2 Meter breit. Die Zellen waren wie ein Bienenstock aufgestellt, in 3 Metern Höhe gab es ein abgedecktes Fenster, 45 cm lang, 30 cm breit. Das Licht konnte nicht reinkommen. Eine 15 Watt-Glühbirne leuchtete ständig, wie in einer Gruft sah es aus. Heizung gab es keine, denn das Gefängnis wurde Anfang des Jahrhunderts, gegen 1900 gebaut. Die Wände waren dick. Ringsum gab es zwei sehr hohe, 5-6 Meter hohe Mauern, dazwischen einen Kontroll-Gang. An der zweiten Mauer waren auch die Wachtürme, in denen bewaffnete Soldaten standen.“
Das totalitäre Regime betrachtete die Menschen nicht als menschliche Wesen mit Namen und Vornamen, sondern als Nummern. Corneliu Coposu erinnerte sich 1993 an das Leben im Gefängnis:
Jeder Gefangene hatte eine Nummer, die der Zellen-Nummer entsprach, keiner hatte einen Namen, unsere Namen waren uns untereinander nicht bekannt. Da jeder Insasse allein war, war jedwedes Gespräch ausgeschlossen, und lange Zeit kommunizierte man mit den Insassen aus den anderen Zellen durch den Morse-Code, durch Schläge an die Wand, bis das System entdeckt und die Insassen sehr hart bestraft wurden. Nachher kommunizierte man durch Morse-Husten, was sehr anstrengend war, insbesondere weil wir alle sehr geschwächt waren. Ich war in der Zelle Nummer 1, darüber, in der Zelle 32, war Ion Mihalache, der mittels Morse am Anfang noch kontaktiert werden konnte. Nach 4-5 Jahren wurde sein Hörsinn schwächer und er reagierte nicht mehr auf die Schläge gegen die Wand.“
Coposu wurde oftmals gefragt, ob er sein Leben anderes leben würde, wenn er zurück in die Vergangenheit gehen könnte. Seine Antwort war immer negativ. 1993 sagte er: Ich habe mein Gewissen selbst unter die Lupe genommen, habe alle Leiden verzeichnet und mich an alle Grausamkeiten während der Haft und der anschließenden Jahren erinnert und ich glaube, ich würde heute nicht anders entscheiden. Mit geschlossenen Augen würde ich dasselbe Schicksal wählen. Wahrscheinlich haben wir alle ein Schicksal, das im Vornhinein entschieden ist. Ich bin kein Fatalist, würde ich aber die Wahl haben, würde ich das, was ich schon erlebt habe, gelassen wieder wählen.“