Großbäckereien in Rumänien können problemlos günstige Massenware an die vielen Supermärkte liefern. Aber mit der Kaufkraft der Konsumenten steigt auch die Nachfrage nach traditionellen Backwaren.
Der Bäckereimarkt sieht in Rumänien aus wie in jedem Industrieland – Brot wird zunehmend maschinell produziert und auch eine Menge Lebensmittelchemie ist im Spiel – beispielsweise Geschmackverbesserer und Farbmittel. Brot und Backwaren werden tiefgekühlt angeliefert und direkt in den Supermärkten aufbereitet. Täglich fahren aus dem Ausland kilometerweise LKWs mit Tiefkühlbrot an – 870 Tausend Tonnen, ein Drittel des Brotbedarfs des Landes stammt aus dem Import, klagt der Arbeitgeberverband der Bäcker Rompan.
Aber weil die Menschen inzwischen mehr Geld haben, gibt es auch eine durchaus stattliche Kundschaft für traditionell hergestellte Backwaren. Im Ort Sântimbru im Landeskreis Alba backt der Kleinunternehmer Călin Matieş Brot wie vor 100 Jahren – im Ziegelofen. Die Zutaten sind 100% natürlich – keine Zusatzstoffe oder Konservierungsmittel. Doch solche Rezepte haben ihren Preis: ein traditionell hergestelltes Brot aus Sântimbru kostet doppelt so viel wie eines im Supermarkt. Aber an Kunden fehlt es Călin Matieş nicht:
„Ich habe das Geschäft in 1998 mit 5000 Dollar auf die Beine gestellt, die ich mir geliehen hatte. Wir haben hier Ziegelöfen, wobei die Ziegel selbst in primitiven Öfen gebrannt werden, aber sie sind sehr gut. Das Brot machen wir mit Sauerteig, wie anno dazumal. Das Brot schmeckt dann wunderbar und es wird allgemein geschätzt, von den Kunden in Rumänien und im Ausland. Wir überlegen uns gerade ein Franchise-System, viel weiß ich auch nicht, aber es gibt viele Anfragen.“
Călin Matieş beteiligt sich an den meisten nationalen und internationale Fachmessen. Vor zwei Jahren gewann er in Bukarest den Titel des Traditionellen Erzeugers des Jahres für ein besonderes Brot. Es war auch ein Preis für die Anstrengung, der Welt zu zeigen, dass die traditionelle Backkunst sich auch in Rumänien lohnt:
„In einem Ofen backen wir 50 Brote, also schaffen wir mit unseren zwei Öfen 100 Brote, im Schnitt eine Tonne Brot am Tag. Wir nehmen rumänisches Mehl von einem Betrieb, mit dem wir seit 15 Jahren arbeiten – Mehl ohne Zusatzstoffe, Enzyme oder Glutenzusatz. Ich gehe davon aus, dass wir in der Gegend das beste Brot machen. Vor sechs Jahren war ich auf einem Austausch in Bayern und ich hatte Brot aus Rumänien bei mir. Ein älterer Mann, um die 80, kostete das Brot – es war schon vier Tage alt – und ihm kamen die Tränen. Er sagte mir, er habe diesen Geschmack seit der Kindheit nicht mehr erlebt. Sein Ratschlag war, weiterhin dieses wunderbare Brot zu essen und uns zu freuen, dass wir so etwas haben“, erzählt der Backmeister. In Sântimbru stehen mittlerweile neun traditionelle zugelassene Produkte im Angebot. Für drei weitere fehlte einfach die Zeit, die Unterlagen vorzubereiten. Letztes Jahr begann die Bäckerei das so genannte Burgbrot zu backen – es ist inzwischen das offizielle Brot der Stadt Alba Iulia, das einzige in der Form eines siebenzackigen Sterns.
In Bukarest erinnerte sich der Student George Dumitru immer wieder gerne an das hausgemachte Brot, mit dem ihn seine Großmutter verwöhnte. In der südrumänischen Region Oltenien, aus der er kommt, gab es schon immer die Tradition, das Brot im Ofen unter einer Tonglocke – dem so genannten ţest (Ausspr.: Zest) – zu backen. Er selbst backt kein Brot, brennt aber die dazu notwendigen Tonglocken: „Es war ein kompletter Zufall. Meine Großmutter hat einen Brotzest kaputtgemacht und wir mussten einen neuen machen. Es kamen aber mehr heraus und wir versuchten, den Rest zu verkaufen. Wir waren überrascht, wie viele Leute sich so etwas wünschten und telefonisch bestellten – da kam uns die Idee, ein Geschäft daraus zu machen“, so der Jungunternehmer.
Seine Kunden kommen aus dem ganzen Land, denn dieses Brot ist vom Geschmack und dem Aroma her einzigartig. Das Aroma hängt in erster Linie vom Ton ab, und der Vorteil von George Dumitru ist, dass er den Ton direkt am Rande des Dorfes seiner Großmutter findet. Letztes Jahr verkauften er und seine Freunde 200 Tonglocken, auch in diesem Jahr ist bereits alles vorbestellt. Für Mai oder Juni plant der Unternehmer, auch eine Bäckerei in der Nähe von Bukarest zu eröffnen. Er will den Hauptstädtern Gelegenheit geben, dieses viel gesündere Brot zu genießen.
Wer in das Brotgeschäft in Rumänien einsteigt, findet ein Riesenpotenzial vor: Während EU-Bürger im Schnitt 60 kg Brot im Jahr essen, sind es in Rumänien 95 Kilo.
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