Das europäische Radio-Netzwerk Euranet Plus führte kürzlich eine Debatte mit Michel Barnier, Brexit-Chefunterhändler der EU. Dies ist der 2. Teil des Interviews.
Eine der Sorgen der europäischen Beamten und der Geschäftswelt in der EU ist, dass Großbritannien nach dem Brexit in wirtschaftlicher Hinsicht eine unlautere Wettbewerbspolitik verfolgen könnte. Der französische Europapolitiker Michel Barnier dazu:
„Es ist ein sehr wichtiges Thema, das viele andere Problembereiche betreffen könnte, sei es die Ernährungssicherheit, die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, die Gefahren des Dumpings. In den künftigen Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich wollen wir nicht hinnehmen, dass ein großes Land in unserer unmittelbaren Nachbarschaft Steuerdumping, oder Dumping im ökologischen oder sozialen Bereich oder bei den Verbraucherrechten praktiziert. Wir werden dieses Thema deutlich ansprechen, um diese Verhandlungen unter Berücksichtigung der Spielregeln fair zu führen, um Dumpingrisiken, Steuerwettbewerb oder die Verletzung unserer Rechte sowohl für Finanzdienstleistungen als auch für andere Bereiche zu vermeiden. Übrigens Finanzdienstleistungen – sie sind ein wichtiges Thema für London als größtes Finanzzentrum der Europäischen Union, das auch nach dem Ausscheiden aus der Union ein großer Finanzplatz bleiben wird. Klar ist, dass sie nach dem Verlassen des Binnenmarktes das verlieren, was wir »Finanzpass« nennen. Sie werden also nicht mehr in derselben Position sein: Es sei denn, sie verlegen einen Teil ihrer Vermögenswerte und Dienstleistungen hier in die Europäischen Union.“
Die Realität des Brexits und die Volksabstimmung, die zu diesem Prozess geführt hat, stellen auch die Europäische Union vor neue Herausforderungen. Michel Barnier spricht offen einige dieser Fragen an:
„Wie kann die Europäische Union reformiert werden? Wie kann man Bürger mit Europa versöhnen, wenn sie sich distanziert fühlen, welche Lehren sind aus dem Brexit zu ziehen? Wenn so viele Menschen gegen Europa gestimmt haben, gegen die Globalisierung, weil Europa sie nicht genug schützt, dann müssen wir etwas lernen daraus! Und was ich bemerke, ist, dass europäische Spitzenpolitiker wie Jean-Claude Juncker in seiner Rede über die Lage der Union oder Präsident Macron und Frau Merkel anfingen, Antworten zu liefern. Die Europäische Kommission hat konkrete Vorschläge für die europäische Verteidigung, für die äußere Sicherheit, für einen Verteidigungsfonds und für eine strukturierte Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen gemacht. Dann haben wir den Juncker-Fonds mit einer Investition von 500 Milliarden Euro, um eine gemeinsame Infrastruktur aufzubauen, um in die Zukunft zu investieren. All dies ist die erste Reaktion. Wir werden aber mehr brauchen.“
Die EU muss eine Antwort finden auch auf euroskeptische Strömungen, die sich auf dem Kontinent immer mehr durchsetzen, meint Michel Barnier:
„Vielen Briten und auf jeden Fall vielen Europäern ist dies bereits klar, und es wird immer deutlicher werden, dass das beste Verhältnis zur Europäischen Union sich dann entfaltet, wenn man Mitglied der Union ist. Und wenn man die Union verlassen hat, hat man eben nicht die gleichen Rechte und die gleichen Möglichkeiten, wie wenn man drinnen ist. Das wird am Ende dieser Verhandlung sehr deutlich werden. Es ist viel komplizierter, als wir gedacht haben. An dem Tag, an dem die Briten die Europäische Union verlassen – weil es ihre Wahl ist, nicht unsere –, verlassen sie 750 internationale Abkommen. Sie verlassen Europol, also die innere Sicherheit, Euratom, also das Management von nuklearem Brennstoff, Handelsabkommen… Das sind die Konsequenzen des Brexits und all diese Konsequenzen sind noch nicht erklärt worden. Ich denke, dass diese Verhandlungen von allen, die solche gleichen Ideen haben, sorgfältig geprüft werden müssen. Aber der richtige Weg... der richtige Weg, um auf diese Debatte zu antworten, ist, nichts zu verbergen, sondern Demagogie durch Demokratie zu bekämpfen. Nicht zu zögern, auch mal zuzugeben, dass Brüssel manchmal nicht richtig lag. Dass es Fehler gab, dass wir manchmal zu viel Bürokratie hatten, gegen die das Juncker-Team ankämpfen wird. Wir haben auch den Fehler begangen, zu sehr die Linie des Ultraliberalismus, der Deregulierung zu verfolgen, was uns in der Finanzkrise geschwächt hat. Es gab Fehler, die korrigiert werden müssen, es gibt Reformen, aber sie müssen auch mit den Bürgern diskutiert werden. Sie sind besorgt, aber auch an Europa interessiert. Überall. Wir müssen auf diese Bedenken und dieses Interesse in der öffentlichen Debatte reagieren.“
Nützliche Links
Copyright © . All rights reserved