Bukarest ist für behinderte Menschen keine besonders freundliche Stadt. Doch mithilfe mobiler Technik ist seit diesem Sommer die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumindest für blinde oder sehbehinderte Mitbürger etwas weniger bedrohlich geworden.
Die rumänischen Behörden sind wenig interessiert, den Alltag behinderter Menschen lebenswürdiger zu gestalten. Viele öffentliche Gebäude, zum Teil gerade Anlaufstellen für behinderte Menschen, sind nicht mit behindertengerechten Eingängen ausgestattet. Der Ombudsman ermittelte vor einigen Jahren und erkannte Handlungsbedarf; vielen Behinderten steht aber in Wirklichkeit nur der Gang zum Gericht offen, wo sie ihre Rechte einklagen können.
Doch die Menschen sind nicht wehrlos. Sehbehinderte Menschen haben in Bukarest den Verein Tandem gegründet und die Vereinigung will nicht tatenlos akzeptieren, dass blinde Mitbürger in den eigenen vier Wänden bleiben müssen, nur weil die Stadt und der Staat sich nicht um sie kümmern.
Also nahm Tandem Verbindung mit sozialen Stiftungen der großen Mobilfunkbetreiber auf und veranlasste zwei wichtige Projekte, die den blinden und sehbehinderten Personen helfen, leichter öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und so am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
Zwischen Januar 2015 und Juni 2017 wurden 1.100 Peilsender – so genannte iBeacons – in allen Fahrzeugen der Bukarester Verkehrsgesellschaft montiert. Sie kommunizieren über Bluetooth mit einer Softwareanwendung, die kostenlos für Androidgeräte und iPhones zur Verfügung gestellt wird. Wenn ein Bus in eine Haltestelle einfährt, gibt die App dem Besitzer über sein Smartphone Bescheid, welche Linie es gerade ist. Einmal im Bus, gibt die App Bescheid über den jeweils nächsten Halt.
Das in der Theorie, denn bei einem stichprobenartigen Test hinsichtlich des Oberflächenverkehrs konnte unsere Redaktion allerdings keinen Erfolg vorweisen – weder in mehreren Haltstellen noch in einem Bus wurden iBeacons entdeckt, auf dem Smartphone erschien deshalb nichts. Aber vielleicht wurde die getestete Strecke ja nicht in die Initiative aufgenommen.
Anders als in den meisten europäische Großstädten arbeiten in Bukarest die städtischen Verkehrsbetriebe und die U-Bahn vollkommen getrennt voneinander: Die U-Bahn-Gesellschaft Metrorex gehört dem Zentralstaat und wird vom Verkehrsministerium betrieben. Das macht es schwieriger, eine integrative Gesamtlösung für den öffentlichen Verkehr anzubieten. Der Verein Tandem baute deshalb extra eine Verbindung zur Metrorex auf und bildete das Projekt dort nach – in den 53 U-Bahnstationen wurden 1500 iBeacons montiert. Mit dem Smartphone wird ebenfalls über Bluetooth kommuniziert, aber die Nutzer müssen sich für den U-Bahnverkehr eine andere App einrichten. Die Kommunikation über Bluetooth ist zumindest für den U-Bahnverkehr zuverlässiger als die GPS-Ortung. Nähert sich die sehbehinderte Person einer U-Bahnstation, stellt das Smartphone eine Verbindung zur nächstgelegenen iBeacon her. Weil die Peilsender vernetzt sind, ist es so auch möglich, eine Fahrtrichtung zu erkennen und dem Fahrgast sinnvolle Informationen über die Ziele und Verkehrsanbindungen in nächster Nähe zu vermitteln.
Finanziert wurden die beiden Projekte mit insgesamt über 600 Tausend Lei, umgerechnet rund 120 Tausend Euro. Die Verkehrsbetriebe und die Metrorex halfen mit, wo es nur ging, die vielen iBeacons wurden mithilfe von Freiwilligen angebracht, mehrere Firmen arbeiteten an der Software, die auf den Smartphones läuft und auf dem Server, auf dem die Informationen zusammengeführt sind.
Tandem-Vereinspräsident Florin Georgescu, selbst blind, erzählte, dass er es immer vermieden hatte, mit der U-Bahn zu fahren, da er sich in den Stationen nicht gut zurechtfand. Jetzt können aber Menschen wie er diese Ängste überwinden, sagte er.
Diese beiden Projekte bauten auf der Erfahrung aus einem älteren ersten Projekt auf, bei dem der Verein eine App programmierte und rund 1500 iBeacons auf Straßen montierte, die von Blinden und Sehbehinderten oft aufgesucht werden oder wo solche Menschen wohnen.
Nützliche Links
Copyright © . All rights reserved