Das Finanzministerium rechnet für die kommenden drei Jahre mit einem deutlichen Wachstum der rumänischen Wirtschaft, die internationalen Finanzinstitutionen revidieren die Wachstumsprognose für Rumänien hingegen nach unten.
Die Finanzministerin Anca Dragu rechnet 2016 mit einem Wirtschaftswachstum um 4,2%. Dasselbe schätzt auch die Europäische Kommission ein. Für 2017, 2018, 2019 sagt Dragu ein Wirtschaftswachstum um 4,5% voraus. Die internationalen Finanzinstitutionen revidieren die Wachstumsprognose für die kommenden drei Jahre hingegen nach unten. In der Regel seien die Prognosen der internationalen Finanzinstitutionen ein wenig pessimistisch, weil es sich um einen weit in der Zukunft liegenden Moment handele, glaubt die rumänische Finanzministerin. „Es gibt eine bestimmte Ungewissheit über die wirtschaftlichen Aussichten“, bekräftigte sie. Die Nationale Prognose-Kommission sei als einzige mit den einzelnen Merkmalen der rumänischen Wirtschaft vertraut, so Anca Dragu. „Es kommt natürlich vor, dass die Wachstumsvorhersage der rumänischen Prognose-Kommission anders lautet, ich bin jedoch der Ansicht, dass im Laufe dieses Jahres der Unterschied zwischen den beiden geringer wird“, fügte die Finanzministerin hinzu.
Die Weltbank gab neulich bekannt, dass sie ihre Wachstumsprognose für Rumänien bezüglich der kommenden zwei Jahre nach unten korrigiert habe. Die internationale Finanzinstitution revidierte das Wachstum des BIP nach unten, das BIP soll laut der Weltbank um 3,7% bzw. 3,4%, also um 0,4 bzw. 0,6 Prozentsätze weniger als zum Jahresanfang eingeschätzt steigen. Anfang Mai hatte auch die Europäische Kommission die Wachstumsprognose für 2017 auf 3,7% nach unten revidiert. Auch der IWF warnte, dass das Wirtschaftswachstum Rumäniens, das 2016 seinen Höhepunkt erreichte, im kommenden Jahr einen Rückgang aufweisen werde. Der IWF rechnet mit einem Wirtschaftswachstum um 3,6% im Jahr 2017. Der Wirtschaftsexperte Aurelian Dochia kennt die Einzelheiten:
„Die Nachrichten sind sehr gut für die rumänische Wirtschaft, weil das Wachstumstempo weiterhin eines der höchsten in Europa bleiben soll. 2016 erreicht es 4,2%, 2017 soll es 3,7% erreichen. Die Europäische Kommission macht dennoch auf bestimmte Risiken in Bezug auf das Haushaltsdefizit aufmerksam. Das Defizit Rumäniens verdoppelt sich dieses Jahr von 1,4% auf 2,8%, sagt die Europäische Kommission vorher. 2017 rechnet die Europäische Kommission sogar mit 3,4%. Darüber sind sich die Rumänische Prognose-Kommission und die Europäische Kommission uneinig. Die erstere vertritt die Ansicht, dass die rumänischen Behörden das Haushaltsdefizit auch im kommenden Jahr unter 3% drücken können. Eine bedeutende Rolle spielen darüber hinaus die Einschätzungen über die Inflationsrate. Dies, weil der Ölpreis weltweit fällt. Der Energiepreis ist deutlich gesunken, was dazu führte, dass sich die Inflationsindizes in Rumänien und ganz Europa weiterhin unter einer niedrigen Grenze bewegen werden. Im ersten Jahresquartal 2016 blieb die Inflation negativ, im zweiten Jahresquartal soll sie wieder ansteigen und 2017 soll sie sich europaweit unter der Grenze von 2% bewegen. Wie sich die Inflationsrate entwickelt, wird zu 70% von der Entwicklung der Energiepreise bestimmt. Neulich ließ sich angesichts der Energiepreise eine ziemlich große Volatilität auf dem internationalen Markt verzeichnen. In diesem Bereich sollten wir keine Überraschung ausschließen.“
Die Europäische Kommission äußerte neulich Bedenken gegen das sogenannte Gesetz zur Leistung an Erfüllungs statt bei Immobilienkrediten. Das umstrittene Gesetz trat Mitte Mai in Kraft und sieht vor, dass die zahlungsunfähigen Hypothekennehmer, die Immobilienkredite im Wert von höchstens 250.000 Euro aufgenommen hatten, ihre Immobilien überschreiben dürfen, und ihre Schulden gelten so als getilgt. Dazu unser Gesprächspartner Aurelian Dochia:
„Es stimmt, laut der Europäischen Kommission zählt dieses Gesetz zu den größten Risiken, mit denen sich Rumänien in diesem Jahr konfrontieren werde. Es handelt sich um ein Risiko, das die Finanzmärkte gewissermaßen destabilisieren könnte. Es ist nicht zum ersten Mal, dass sich die Europäische Kommission dazu äußert. Darüber hinaus nennt Brüssel auch andere Risiken, mit denen sich Rumänien 2016 konfrontieren könnte: eines davon bezieht sich darauf, dass es im Wahljahr 2016 eine äußerst expansive Fiskalpolitik geben kann. Wir sind uns dessen bewusst und müssen die von der Europäischen Kommission genannten Risiken berücksichtigen.“
Im ersten Jahresquartal stieg das BIP Rumäniens um 4,3% gegenüber demselben Zeitraum des Vorjahres. Gegenüber dem letzten Jahresquartal 2015 wuchs es um 1,6%. Der Chefökonom der Rumänischen Nationalbank, Valentin Lazea, ist der Ansicht, dass das Wirtschaftswachstum des Landes nicht mehr auf Steuerreduzierungen oder der Lockerung der Währungspolitik beruhen kann:
„Die rumänischen Behörden haben die traditionellen Maßnahmen wie die Lockerung der Steuer- oder der Währungspolitik, um das Wirtschaftswachstum voranzutreiben, ausgeschöpft. Die ganze rumänische Gesellschaft, vom einfachen Bürger bis zu den politischen Entscheidungsträgern, muss sich dessen bewusst werden, dass es keinen Raum mehr für die Lockerung der Steuer- oder der Währungspolitik gibt. Von nun an müssten sie verstärkt werden. Aus diesem Grund müssen wir neue Ressourcen finden, die eigentlich die einzigen wahren Ressourcen sind, die das Wirtschaftswachstum mittel- und langfristig vorantreiben können. Diese Ressourcen stehen im direkten Verhältnis mit dem Kapital, mit der Arbeitskraft und der Ertragskraft, darauf beruht auch das potenzielle BIP.“
Es sei nicht nur wichtig, die Maßnahmen zum Wirtschaftswachstum zu vereinbaren, man müsste sich auch darauf einigen, wer sie umsetzt: der Staat oder der Privatsektor? Eine Änderung der Mentalität und eine wirksame Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem Privatsektor seien derzeit dringend benötigt. Der erstere sei dafür verantwortlich, die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung festzulegen, der Privatsektor müsse seine Erfahrung nutzen, um großangelegte Projekte in Schlüsselbereichen anzustoßen und erfolgreich zu Ende zu bringen, sagt der Chefökonom der Rumänischen Notenbank.
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