Gewerkschaften wie Arbeitgeberverbände bemängeln, dass der soziale Dialog in Rumänien unzulänglich bis widersprüchlich geregelt sei. Tarifverträge seien oft nicht möglich und das Problem werde zunehmend ein europäisches.
Rumänien ist seit mehr als 10 Jahren Mitglied der EU. In dieser Zeit haben die Rumänen gehofft, dass ihre Löhne sich einigermaßen an das westliche Lohn-Niveau anpassen werden. Laut Statistiken seien die Löhne in Osteuropa nur gering gestiegen, sagte in Brüssel Luca Visentini, Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes.
„Wir konfrontieren uns in Europa immer noch mit unglaublichen Lohnunterschieden. Laut Statistiken von Eurostat und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist es klar, dass die Produktivität in Osteuropa fast das westliche Niveau erreicht hat, in manchen Fällen liegt sie bei 70, 80 oder sogar 90% der westlichen Produktivität. Sie Löhne weisen aber nicht dieselbe Entwicklung auf. Diese liegen in den östlichen Staaten bei 25, 30, im besten Fall bei 40% des westlichen Niveaus. Wenn dieser Unterschied andauern wird, wenn dieser unlautere interne Wettbewerb, der auf billiger Arbeitskraft basiert, weiter gehen wird, gibt es keine Zukunft für den europäischen Binnenmarkt. Wir müssen dieses Problem lösen und wir glauben, dass der beste Weg eine starke Allianz zwischen öffentlichen Behörden und sozialen Partnern ist. So können wir sicher gehen, dass die Löhne den Fortschritt der Produktivität verfolgen. So können wir sogar das Produktivitätswachstum in der EU noch mehr fördern.“
Über die im Vergleich zum Westen niedrigeren Löhne in Osteuropa haben wir mit Dumitru Fornea, Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, diskutiert. Dieser ist für internationale Beziehungen im Rahmen des Nationalen Gewerkschaftsbundes MERIDIAN in Rumänien verantwortlich:
„Die Lohnpolitiken sind von Land zu Land unterschiedlich. Das Argument der reduzierten Wettbewerbsfähigkeit ist nicht mehr aktuell, europaweit wurde schon eingestanden, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Länder in Osteuropa der in Westeuropa ähnlich ist. Es betrifft die Sozial- und Lohnpolitiken und die Abkommen, die die Regierungen in Mittel- und Osteuropa mit unterschiedlichen multinationalen Unternehmen unterzeichnet haben. Diese haben vorteilhafte Lohnpolitiken gefordert. Die multinationalen Unternehmen versuchen, so lange wie möglich ihre Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Regionen der Welt zu behalten. In Osteuropa bedrohen Unternehmen die Regierungen, dass sie weiter gen Osten ziehen werden, nach Bangladesch oder Pakistan, wenn der Mindest- oder Durchschnittslohn angehoben wird.“
Die Vertreter der Geschäftswelt sehen das Ganze etwas anders. Emma Marcegaglia, Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes Business Europe:
„Wir sehen ein, dass es ein Problem mit den Löhnen geben kann, insbesondere in Osteuropa. Es ist aber sehr wichtig, dass die Lohnpolitik Hand in Hand mit der gesamten Produktivität des Landes, nicht nur mir der Produktivität betreffend die Lohnkosten geht. Es gibt Unternehmen, die sich die Lohnanhebungen leisten, und Unternehmen, die damit nicht einverstanden sein können. Der soziale Dialog und die Verhandlungen sind in diesem Kontext sehr wichtig.“
Der soziale Dialog und die Verhandlungen funktionieren aber nicht überall gleich in Europa. In Rumänien haben in den letzten zehn Jahren die Entscheidungen der Regierungen nicht allzu viel geholfen. Dumitru Fornea vom Europäischen Wirtschafts- und Sozial-Ausschuss berichtet:
„Das Gesetz des sozialen Dialogs wurde geändert und es wurde die Amerikanisierung der industriellen Beziehungen gefördert. Die Aushandlung eines nationalen Tarifvertrags und von Branchen-Tarifverträgen wurde entmutigt. All diese Änderungen führten zu neuen industriellen Beziehungen und die Protestbewegungen wurden streng geregelt. Der Gesetzesrahmen ist unflexibel und macht jeder Gewerkschaft das Leben schwer. Andererseits lehnen die Unternehmen und die Arbeitgeberverbände diese Beziehung der sozialen Partnerschaft ab, weil sie von der Regierung über genügend Garantien verfügen, dass die Aspekte, die sie benachteiligen würden – Gewerkschaftsgründung, Tarifverträge, Verhandlung von sozialen Klauseln – nicht gefördert werden.“
In Rumänien hat die sozialdemokratische Partei PSD im Dezember 2016 die Wahlen mit einem linksgerichteten Programm gewonnen. Hauptpunkt war dabei die Anhebung der Löhne im Rahmen eines reellen und aktiven sozialen Dialogs. Die jetzige Regierung und Premierminister Mihai Tudose haben sich offen gegenüber der Initiative der Gewerkschaften gezeigt, meint Dumitru Fornea vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss:
„Die Regierung kam an die Macht mit einem Programm, das die Änderung des Gesetzes für sozialen Dialog vorschlägt. Dieses soll für Gewerkschaften und Tarifverhandlungen vorteilhafter werden. Das Programm sah die Anhebung der Löhne vor, zumindest jener im öffentlichen Dienst. Es nimmt sich vor, den Rahmen für den sozialen Dialog anzubieten. Wir werden noch sehen, ob man das wirklich so gemeint hat. Wir hoffen, dass zukünftig, auch durch den Druck der europäischen Institutionen, die Qualität des sozialen Dialogs steigen wird. Die Gewerkschaften sind jetzt eingeladen, an Gesprächen über Gesetzesabänderungen teilzunehmen, es gibt aber keine konkrete Ergebnisse.“
Die rumänische Regierung hat einen ersten Schritt zur Anhebung der Löhne durch die Billigung des neuen Entlohnungsgesetzes im öffentlichen Dienst gemacht. Manche Bestimmungen, zusammen mit einer Reihe von wichtigen Steuermaßnahmen, die von der Regierung angekündigt wurden, haben sowohl die Unzufriedenheit der Gewerkschaften als auch die der Arbeitgeberverbände herbeigeführt.
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