Debatte über die Euro-Einführung in Rumänien

debatte über die euro-einführung in rumänien Auch wenn Rumänien die gemeinsame europäische Währung noch nicht eingeführt hat, gehört der Euro bereits zum Alltag der Rumänen. 70% der Darlehen und Kredite werden von den rumänischen Banken in Euro berechnet.

Auch wenn Rumänien die gemeinsame europäische Währung noch nicht eingeführt hat, gehört der Euro bereits zum Alltag der Rumänen. 70% der Darlehen und Kredite werden von den rumänischen Banken in Euro berechnet. Ebenfalls in Euro berechnet man auch die meisten Preise, von Telefonrechnungen bis zu Autos oder Wohnungen, so daß die Transaktionen über Kraftfahrzeuge, Grundstücke oder Eigentumswohnungen immer mit Bezug auf die Europäische Gemeinschaftswährung betätigt werden. Wann wird Rumänien aber den Euro als Währung einführen – das bleibt eine brennende Frage, die noch auf ihre Antwort wartet. 

 

Bis vor nicht allzu langer Zeit hatten die rumänischen Behörden das Jahr 2015 als Ziel für die Einführung des Euro angegeben. Dieses Ziel gab man aber aufgrund der wirtschaftlischen und finanziellen Schwierigkeiten in der Euro-Zone auf, insbesondere weil die rumänische Wirtschaft nicht stabil genug war. Vor einigen Wochen sagte Staatspräsident Traian Băsescu in einer Rede vor dem rumänischen Parlament, es sei besonders wichtig, daß Rumänien binnen drei oder vier Jahren den Euro als Währung einführe. Das Jahr 2015 sei kein realistisches Ziel mehr – die Regierung, das Parlament und die Rumänische Notenbank sollten das neue Ziel entsprechend anpassen. Auch Ministerpräsident Victor Ponta erklärte neulich, daß der Beitritt Rumäniens zur Eurozone im Jahr 2015 kein realistisches Ziel mehr sei – man sollte aber nicht aufgeben, sondern ein neues Ziel festlegen, etwa um das Jahr 2020 herum.

 

Die EU-Mitgliedstaaten haben sich 1992 durch den Vertrag von Maastricht gegenseitig erstmals zu den EU-Konvergenzkriterien (Maastricht-Kriterien genannt) verpflichtet. Diese Kriterien bestehen aus fiskalischen und monetären Vorgabewerten. Unter anderem haben die Kriterien das Ziel, in der EU und insbesondere in der entstehenden Eurozone eine Angleichung der Leistungsfähigkeiten der einzelnen nationalen Wirtschaftsräume in der EU zu befördern und damit auch eine grundsätzliche wirtschaftliche Stabilität und Solidität der EU zu gewährleisten. Rumänien erfüllt zurzeit die Konvergenzkriterien 1 und 2: die Preisstabilität (die Inflationsrate darf nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte über derjenigen der drei preisstabilsten Mitgliedstaaten liegen) sowie die Finanzlage der öffentlichen Hand (der staatliche Schuldenstand darf nicht mehr als 60% des Bruttoinlandsprodukts betragen und das jährliche Haushaltsdefizit darf nicht mehr als 3% des Bruttoinlandsprodukts betragen).

 

Zu erfüllen bleiben noch die Kriterien Nr. 3 und Nr. 4: Wechselkursstabilität (der Staat muss mindestens zwei Jahre lang ohne Abwertung am Wechselkursmechanismus II teilgenommen haben; dabei darf die Währung des Landes nur in einer bestimmten Wechselkursbandbreite – meist 15% – vom Eurokurs abweichen; bei größeren Abweichungen muss die Zentralbank des Landes intervenieren) und  langfristige Zinssätze (der Zinssatz langfristiger Staatsanleihen darf nicht mehr als 2 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der drei preisstabilsten Mitgliedstaaten liegen).

 

Um die notwendigen Reformen durchzuführen, braucht Rumänien einen Anker, meint der Wirtschaftsexperte Dan Popa:

 

„Wir brauchen einen Anker. Vor dem EU-Beitritt im Jahr 2007 bemühte sich die gesamte Bevölkerung, um dieses Ziel zu erreichen. Unser Land wollte NATO-Mitglied und EU-Mitglied werden. Wir brauchen immer einen Leuchtturm, ein festes Ziel. Das Ziel ist diesmal das Einführen der Europäischen Gemeinschaftswährung in Rumänien. Aber der Leuchtturm ist kaputt, das Licht ist aus und wir wissen nicht, ob wir in die richtige Richtung segeln, oder nicht.

 

Nach allem, was in der Eurozone geschehen ist, müsse Rumänien darauf warten, akzeptiert zu werden, sagte der Wirtschaftsanlyst Sorin Pâslaru:

 

„Es reicht nicht mehr, daß wir es wünschen, wir müssen auch akzeptiert werden. Nach den bitteren Erfahrungen der stärkeren EU-Länder, die für die Rettung der schwächeren EU-Mitglieder bezahlen mußten, für die Länder, von denen jetzt behauptet wird, sie hätten nicht alle Kriterien für den Beitritt zur Eurozone erfüllt – also nach all diesen bitteren Erfahrungen werden die wirtschftlich starken EU-Länder viel vorsichtiger sein, wenn es darum geht, daß Staaten wie Rumänien der Eurozone beitreten. 

 

Der Universitätsprofessor und ehemalige Wirtschaftsminister Daniel Dăianu sagte seinerseits:

 

„In der Eurozone besteht eine Spaltung zwischen Nord und Süd. Unser Vorteil, das von vielen unterschätzt wird, ist aber, daß wir noch über eine eigene Währung verfügen, daß wir die Möglichkeit haben, den Wechselkurs als Korrekturinstrument zu verwenden. Übereilt der Eurozone beizutreten, wäre ein Nonsens. Erstens muß man die Eurozone wieder in Gang bringen. Zweitens muß die rumänische Wirtschaft auf den Beitritt vorbereitet sein. Unsere Wirtschaft sollte zuerst einen Prozeß der reelen Konvergenz abschließen, ein viel höheres Produktivitätsniveau erreichen, und das wird nicht in 3 oder 4 Jahren verwirklicht.

 

Mehr noch: Die Preise im Dienstleistungsbereich liegen bei einem Drittel im Vergleich zu den Dienstleistungspreisen in der Eurozone, meint der Leiter der Bukarester Wertbörse, Lucian Anghel:

 

„Wir haben unsere Preise im Dienstleistungsbereich nur zu 36% an die Preise der Eurozone angepaßt. Wenn wir den Beitritt zur Eurozone unvorbereitet wagen, bevor wir mindestens 50% erreicht haben, dann resultiert ein hoher Inflationsdruck, der uns große Schwierigkeiten bereiten wird – und das genau während der Zeit, wenn wir blockiert sind, in den zwei Jahren, innerhalb derer wir im Wechselkursmechanismus II bleiben müssen. Vor dem Beitritt zur Eurozone muß Rumänien einige Makroindikatoren in die Eurozone bringen, damit zum Zeitpunkt des Beitritts kein Druck entsteht. Deshalb meinen wir, daß es mit dem Beitritt zur Eurozone nicht eilt – irgendwann zwischen 2017 und 2020 sollten wir am Wechselkursmechanismus II teilnehmen.“

 

Am wichtigsten sei das Erfüllen der Kriterien der realen Konvergenz, präzisierte auch der Chef-Ökonom der Rumänischen Nationalbank, Valentin Lazea:

 

„Wichtig ist, Wettbewerbsfähigkeit durch Nonpreis zu erreichen, also nicht durch Niedriglöhne oder Billigprodukte. Dann sollten wir an Marktkraft gewinnen, auch wenn der Preis höher wird und selbst wenn der Kurs steigt. Das ist eine besonders wichtige Lektion.

 

Das Einführen der Europäischen Gemeinschaftswährung vor 2020 sei eine Priorität für Rumänien, meint auch der Chefanalyst der Rumänischen Handelsbank BCR, Eugen Sinca. In einer Erklärung für die Zeitung „Ziarul Financiar“ sagte er:

 

„Ein präziser Kalender für das Einführen der europäischen Gemeinschftswährung in Rumänien könnte zum Reformkatalysator werden – insbesondere bei der Beschleunigung der Umstrukturierung der staatlichen Unternehmen, bei einer besseren Absorption von EU-Fonds, bei einer verbesserten Effizienz der Landwirtschaft durch ein Gesetz zum Zusammenschließen der kleinen Bauernhöfe und Farmen in große landwirtschaftliche Unternehmen, oder bei der Verbesserung der Leistungen im Tourismusbereich durch Stimulieren von Privatinvestitionen. Der Beitritt zur Eurozone wird aber schwierig mit einer Landwirtschaft, die 7% vom Bruttoinlandsprodukt erwirtschaftet (das Dreifache im Vergleich zu den Ländern in Westeuropa), mit einer Landwirtschaft, die vom Wetter stark abhängig ist und somit die Inflation und das Wirtschaftswachstum beeinflußt.“

 

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Publicat: 2013-04-09 16:17:00
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