Serge Moscovici (1925 - 2014)

serge moscovici (1925 - 2014) Am 16. November 2014 starb der Gründer der modernen europäischen Sozialpsychologie, Serge Moscovici, im Alter von 89 Jahren in Paris.

Am 16. November 2014 starb der Gründer der modernen europäischen Sozialpsychologie, Serge Moscovici, im Alter von 89 Jahren in Paris. Die französische Tageszeitung Le Monde bezeichnete den aus Rumänien stammenden Psychologen und Psychotherapeuten als einen der wichtigsten Wissenschaftsphilosophen, Anthropologen und Ökologie-Theoretiker unserer Zeit.

 

Serge Moscovici, der Gründer der modernen Sozialpsychologie in Europa, war ein französischer Sozialpsychologe rumänischer Herkunft. In seinem 1997 erschienen Buch „Chronique des années égarées: récit autobiographique“ („Chronik der verwirrten Jahre: Eine autobiographische Erzählung“), das er seinem Sohn, dem EU-Wirtschafts- und Währungskommissar und ehemaligen französischen Finanzminister Pierre Moscovici gewidmet hat, schrieb Serge Moscovici, er sei in eine absurde, aber reizende Welt geboren, die gegen den Fels des Totalitarismus zerschmettert werden sollte. Über sein eigenes Leben notierte Serge Moscovici im selben Buch, es sei „unheimlich“ gewesen. Er war davon überzeugt, dass, wenn der Zweite Weltkrieg nicht ausgebrochen wäre, er am Donauufer geblieben und Getreidehändler, wie sein Großvater und sein Vater, geworden wäre.

 

Serge Moscovici wurde am 14. Juni 1925 als Sohn einer jüdischen Familie im rumänischen Donauhafen Brăila geboren. 1938 wurde der junge Şrul Herş Moscovici aufgrund antisemitischer Gesetze aus dem Gymnasium in Bukarest, das er besuchte, ausgeschlossen. Nachdem er den Pogrom in Bukarest im Januar 1941 überlebt hatte, wurde er bis zur Befreiung Rumäniens durch die Rote Armee am 23. August 1944 zur Zwangsarbeit verpflichtet. Während der Kriegsjahre entwickelte sich seine Vorliebe für das Lesen und er lernte Französisch, insbesondere durch seinen Kontakt mit Isidor Goldstein, dem späteren Isidore Isou und Begründer des Lettrismus. Zusammen gründeten sie die Kunst- und Literaturzeitschrift „Da“, die Ende 1944 erschien. Die Zeitschrift „Da“ wurde rasch von der Zensur verboten. 1947 verließ er Rumänien, indem er, wie viele andere, die Lager für Displaced Persons passierte. Er kam durch Ungarn, Österreich und Italien und gelangte ein Jahr später nach Frankreich. 1949 erhielt er seine Licence für Psychologie und 1950 das Diplom des Institut de Psychologie in Paris. Seit 1950 erhielt er ein für Flüchtlinge bestimmtes Stipendium und konnte seine Studien an der Sorbonne fortsetzen. 1961 wurde er mit einer Arbeit über die soziale Repräsentation der Psychoanalyse promoviert. Die Arbeit wurde von Daniel Lagache betreut. Parallel dazu studierte er bei Alexandre Koyré Epistemologie und Wissenschaftsgeschichte. In den 1960er Jahren erhielt er eine Einladung an das Institute for Advanced Studies in Princeton und an die Stanford University. Der Psychologe und Psychotherapeut Cristian Munteanu bringt weitere Details über Serge Moscovici:

 

„Zwei Elemente haben zur Bildung dieser aus Rumänien stammenden großen Persönlichkeit beigetragen: Die Annäherung, in seiner Jugend, an zwei harte politische Ideologien, von denen es sich bald distanzierte, die aber seine Zukunft beeinflusst haben: Kommunismus und Zionismus. Als Immigrant und Psychologiestudent in seiner zweiten Heimat Frankreich verstand Serge Moscovici, dass die psychoanalytische Therapie eine Kur mit normalisierender Wirkung war, die ihm geholfen hatte, sein Leben, seinen Lebenskontext und seine eigenen Entscheidungen im Leben zu verstehen. Hinzu kamen die Heirat mit einer Psychoanalytikerin und die Doktorarbeit an der Sorbonne zu einem Thema aus der Psychoanalyse. Daraufhin konzentrierte er seine Forschungskraft auf die Theorie des Nomadismus als Forschungsbedingung, und auf Studien in den Bereichen politische Anthropologie, Ökologie, Erkenntnistheorie, Bioethik und Psychologie des kollektiven Verhaltens.“

 

 

Serge Moscovici unterrichtete an der New School for Social Research in New York und an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris, wo er das Laboratoire de psychologie sociale gründete. Eine ganze Generation französischer Sozialpsychologen wurde hier ausgebildet. Durch sein anthropologisches Werk und sein Engagement ist Moscovici zu einem der Pioniere der politischen Ökologie in Frankreich geworden. 1975 gründete er am Maison des sciences de l’homme das Laboratoire Européen de Psychologie Sociale, einen der ersten europäischen Forschungsverbünde. 1979 wurde Serge Moscovici Direktor dieses Forschungsverbandes. Er war Professor am Institut Jean-Jacques Rousseau der Universität Genf, an der Université catholique de Louvain und an der Universität Cambridge und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2003 den Balzan-Preis für Sozialpsychologie. 2007 verliehen ihm die American Psychological Association und die European Federation of Psychologists' Associations den Preis Wundt­ James für besondere Leistungen im Bereich der Sozialpsychologie. 2010 erhielt Serge Moscovici den Preis Nonino „Master of His Time“ für sein Lebenswerk. Er war Mitherausgeber des European Journal of Social Psychology (1969–1974), des Journal for the Theory of Social Behavior (1985) und der Reihe Psychologie Sociale (ab 1991) sowie Herausgeber der European Studies in Social Psychology. Am 16. November 2014 starb Serge Moscovici in Paris, im Alter von 89 Jahren. 


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Publicat: 2014-12-03 12:19:00
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