Hörerpostsendung 31.5.2015

hörerpostsendung 31.5.2015 Heute mit einem Reisebericht unseres Hörers Volker Willschrey und den Erinnerungen von Thomas Brandenburg an die Zeit, als er bei Radio Freies Europa arbeitete.

[Vorstellung der QSL 5 / 2015]

 

Letzten Sonntag habe ich Ihnen von meiner Wien-Reise Anfang Mai berichtet. Eine Woche zuvor hatte unser Hörerfreund Volker Willschrey (aus Dillingen an der Saar) zusammen mit seiner Ehefrau eine Rumänien-Reise unternommen. Nach der Reise, die ihn nach Siebenbürgen und Bukarest führte, schickte er uns einen ausführlichen Bericht mit vielen schönen Fotos, aus dem ich einige Zeilen zitieren möchte. Den ganzen, 23 Seiten langen Bericht werde ich in der Online-Fassung dieser Sendung zum Herunterladen bereitstellen – ich habe hierfür auch die ausdrückliche Erlaubnis von Herrn Willschrey. Und nun ein paar Fragmente aus dem Reisebericht unseres Hörers. Zunächst vom Tag der Ankunft:

 

 

Ich selbst war schon zwei Mal in Rumänien: 1971 und 1972, beide Male im Schwarzmeer-Badeort Mamaia bei Constanţa. Und bei beiden Aufenthalten war ich auch mit dem Zug nach Bukarest gefahren und hatte mir die rumänische Hauptstadt angeschaut. Das lag natürlich eine Ewigkeit zurück und ich war gespannt, was sich in all den vielen Jahren dort geändert hat und natürlich auch Transsilvanien und die Karpaten kennenzulernen.
  Volker Willschrey 1971 in Bukarest (persönliches Archiv)

[…]

 

Nach der Ankunft und Unterbringung im Hotel trafen wir uns mit der kleinen Reisegruppe am Bus und fuhren südwärts Richtung Zentrum von Bukarest und Altstadt. Vorbei am Haus der freien Presse fuhren wir über die Straße Soseaua Kiseleff vorbei am Triumphbogen, der aufgrund von Renovierungsarbeiten verhüllt war, in Richtung Zentrum. Wir konnten auch viele Prachtbauten sehen, wie das Regierungsgebäude, das Athenäum und andere. Schließlich hielten wir in der Altstadt und begaben uns zur Fuß zur Strada Stavropoleos, wo sich bei Haus Nr. 5 das berühmteste Restaurant Bukarests befindet, das „Caru cu bere“ (zu Deutsch: Pferdewagen mit Bierfass).

 

 Wer dort buchen will, muss das rechtzeitig tun, denn die Plätze sind rar, sowohl draußen als auch drinnen hinter dem schweren Eingangsportal. Dort kommt man in eine Halle mit prächtigem Gewölbe und gedrechselten Balustraden. Über zwei Stockwerke erstreckt sich der mit Holzschnitzereien und Fresken ausgekleidete Raum. Die Gäste sitzen zwischen vergoldeten und marmorierten Säulen auf schwerem Holzgestühl, bunt leuchtende Glasfenster im Blick. Seit 1879, dem Gründungsjahr der Bierhalle, misst eine mit Holzgiebelchen verzierte Standuhr die Zeit. Wir bekamen ein leckeres rumänisches Menü kredenzt, dazu gab es ein kühles Bier aus der hauseigenen Brauerei. Und rumänische Folklore wurde auch geboten und stimmte uns auf die nächsten Tage in Rumänien ein.

 

 

Nach dem ersten Abend in Bukarest verlegte Familie Willschrey ihr Quartier nach Predeal in den Südkarpaten, von wo aus unter fachkundiger Betreuung eines Reiseführers Abstecher zu mehreren Städten in Siebenbürgen organisiert wurden. Zu den Zielen gehörten Kronstadt, Hermannstadt und Schäßburg, die Kirchenburgen in Prejmer (Tartlau) und Hărman (Honigberg) sowie die Burgen in Râşnov (Rosenau) und Bran (Törzburg). Aus dem Reisebericht von Herrn Willschrey möchte ich nun noch ein paar Fragmente vom Tag verlesen, als der Ausflug nach Schäßburg führte:

 

„Gegen 11.00h erreichten wir die Stadt Sighişoara (Schässburg), die man nicht zu Unrecht das „Rothenburg Rumäniens“ nennt und die im Jahr 1999 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen wurde. Sighişoara liegt im Tal der Kokel im Landkreis Mureş und hat ca. 32.000 Einwohner. Die Stadt wurde in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts von Siebenbürger Sachsen gegründet und erstmals im Jahr 1280 als Castrum Sex erwähnt. Die wie bereits erwähnt zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende historische Altstadt fächert sich auf einem Berg auf. Wir hielten am Hermann-Oberth-Platz und spazierten hinauf zum Stundturm, dem Wahrzeichen Sighişoaras, der in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts als Verteidigungsanlage des Haupttors der Burg und als Ratssitz (bis Ende 1656) errichtet wurde. Der Stundturm hat mit Wetterhahn eine Gesamthöhe von etwa 64 Metern. Die Mauerstärke beträgt 2,4 Meter im Erdgeschoss, die Höhe des Mauerwerks beträgt 39,5 Meter (seit 1804) und bildet fünf Stockwerke. Im obersten Stockwerk ist der Turm von einer offenen Holzgalerie umgeben, die auch zur Brandwache und als Ausguck auf das Umfeld der Stadt diente. An Fest- und Feiertagen lassen sich hier die Stadtmusikanten hören.

 

Seit 1898 ist im Stundturm das Museum der Zünfte eingerichtet. Der ursprünglich als Torturm der Stadtbefestigungen konzipierte Turm verbindet die Unter- und Oberstadt miteinander und bildet mit seinen verwinkelten Gassen ein beliebtes Bildmotiv für Touristen und Maler. Als Zeichen der Blutgerichtsbarkeit, welche die Stadt einst besaß, trägt das Obergeschoss seitlich vier Türmchen, je eines an jedem Turmdacheck. 
 

Blick auf den Stundturm in Schäßburg

Foto: Volker Willschrey

 

Eine weitere Besonderheit ist das im vierten Stockwerk eingebaute Uhrwerk, es wurde mechanisch mit einem Figurenspiel verkoppelt, das den Stunden- und Tageswechsel begleitet und als einzigartig in Rumänien gilt. Von den vierzehn Türmen der Stadtbefestigungen sind noch mehrere Türme, welche die Namen der Zünfte tragen, von denen sie einst erbaut und verteidigt wurden (u. a. Schneiderturm, Zinngießerturm), und eine fast komplette Ringmauer um die Oberstadt erhalten.

 

Die Klosterkirche, die heutige evangelische Stadtpfarrkirche, wurde 1492 bis 1515 erbaut. Der Barockaltar (1681) und die Barockorgel sind Werke des Schässburger Meisters Johannes Fest und des Hermannstädter Malers Jeremias Stranovius, desgleichen die Brüstung und der Schalldeckel der Barockkanzel. In der Kirche befinden sich ein Chorgestühl, ein bronzenes Taufbecken in Kelchform aus dem Jahre 1411. Auch an der ungarischen Kirche kamen wir vorbei, als wir durch die historische Altstadt schlenderten. Am Ende der Strada Şcolii (Schulstraße) kamen wir zu einem hölzernen überdachten Treppenaufgang, genannt Schülertreppe, deren 172 Stufen hinauf führen zum Josef-Haltrich-Gymnasium, einer Schule der deutschen Minderheit auf dem Schulberg, und zur Bergkirche. In der durch die Messerschmitt-Stiftung renovierten Bergkirche sind mehrere Altäre von sächsischen Gemeinden aus dem Kirchenbezirk Schässburg sowie eine Sammlung alter Stollentruhen aus dem 16. Jahrhundert zu sehen. Dahinter liegt der deutsche Friedhof.“

 

 

Das waren ein paar Auszüge aus dem Reisebericht von Herrn Willschrey, die PDF-Datei können Sie mit einem Klick auf das rechts stehende Symbol herunterladen.

 

 

 

Eine schöne Überraschung bereitete uns mit seinen interessanten Zeilen Thorsten Brandenburg (aus München). Er schrieb uns unlängst per E-Mail:

 

„Liebes Team von Radio Rumnänien International!

 

Heute will ich Ihnen wieder einmal schreiben und Ihnen für den interessanten Bericht über "Radio Freies Europa" bedanken, den Sie innerhalb Ihrer Sendung "Zur Geschichte Rumäniens" gebracht haben!

 

Ich habe fast 11 Jahre als Tontechniker dort gearbeitet und einen Großteil meiner Zeit dort in Zusammenarbeit mit der rumänischen Abteilung verbracht. Ich hatte eine große Sympathie für diese Abteilung, da ich von Anfang an die Mentalität gemocht habe, und auch die Sprache höre ich bis heute sehr gerne! Diesem wurde damals von unserer Personaldisposition Rechnung getragen, und somit habe ich sehr häufig mit der rumänischen Abteilung gearbeitet, was mir dort den Spitznamen "Brandulescu" eingebracht hat.  Es waren damals spannende Zeiten, während des "Kalten Krieges" für diesen Sender zu arbeiten, und es war ja auch gar nicht so ungefährlich für manche Mitarbeiter. Aber v.a. mit der rumänischen Abteilung hatte ich auch viel Spaß und ich erinnere mich an viele Sendungen mit Neculai C. Munteanu, Mircea Carp, Raluca Petrulian, Emil Hurezeanu, Max Bănuş, Andrei Voiculescu und all den anderen.

 

V.a. aber erinnere ich mich an die Nacht, als im Dezember 1989 Nicolae Ceauşescu gefasst und hingerichtet wurde. Ich wurde damals von meinem Chef per Telefon aus dem Bett geklingelt und schon eine Stunde später waren wir mitten in der Nacht auf Sendung! Als ich damals im Studio 1 angekommen war, empfingen mich damals schon Rauchschwaden von Zigaretten und es herrschte große Aufregung unter den Mitarbeitern. Ich habe damals 9 Stunden am Stück gesendet und es war vielleicht die am meisten beeindruckende Nacht meiner Karriere, da wir auch erstmals Live-Telefonate einfacher Bürger aus Rumänien auf Sendung hatten. Es waren sehr emotionale Momente damals, die ich nie vergessen werde! So hat Ihr Bericht wieder alte, v.a. aber auch schöne Erinnerungen in mir geweckt und es war schön, auch wieder die Stimme von Mircea Carp zu hören! Vielen Dank dafür!

 

Ich bin 1995 jedoch nicht mit RFE/RL nach Prag gegangen, sondern in meiner Heimatstadt München geblieben, wo ich seither beim Bayerischen Rundfunk arbeite!“

 

 

Lieber Herr Brandenburg, vielen Dank für Ihre spannenden Zeilen, die auch bei mir viele Erinnerungen wachriefen. Nach den ersten Unruhen in Temeswar am 16. Dezember 1989 und nach der Ausweitung der Demonstrationen auf Bukarest und andere Städte am 21. Dezember strahlte Radio Freies Europa seine Programme in Rumänisch quasi rund um die Uhr aus, und Millionen Menschen in Rumänien, darunter auch ich, lauschten gebannt den Berichten. Ihre Arbeit hat uns jahrelang ermöglicht, über die Zustände im eigenen Land unterrichtet zu bleiben, zumal in den staatlichen Medien nur noch Propaganda und Personenkult um das Diktatorenehepaar lief. Dafür möchte ich Ihnen auch ein bewegtes Dankeschön aussprechen – die Tage um den 21. Dezember 1989 herum waren auch für mich sehr emotional. Ein Hörer aus Rumänien war damals so inspiriert, die Sendung vom 21. Dezember aufzuzeichnen und sie auf Youtube zum Nachhören bereitzustellen. Und weil Sie sich so gut an die Namen der damaligen Redakteure erinnern, möchte ich nun ein Fragment aus der Sendung vom 21. Dezember erklingen lassen. Nach den 22-Uhr-Nachrichten setzten sich Neculai Constantin Munteanu und Emil Hurezeanu ins Studio und berichteten mit aufgeregten Stimmen über die Ereignisse in Rumänien. In Bukarest eröffneten Securitate-Truppen und Militär das Feuer auf Demonstranten, die ganze Nacht erhellten Leuchtraketen den Himmel über der Hauptstadt, alles hätte in einem Blutbad enden können, zum Glück kam es dann doch anders.

 

Bevor wir das Fragment hören, verlese ich noch die Posteingangsliste. Postbriefe lagen diese Woche nicht in der Ablage. Mehrere Faxe erhielten wir von Günter Spiegelberg (aus Güstrow, Mecklenburg-Vorpommern) – vielen Dank für die Pfingstgrüße. E-Mails erhielten wir bis Freitagnachmittag von Heinrich Eusterbrock, Erik Öffinger, Petra Kugler, Herbert Jörger, Bernd und Willi Seiser, Andreas Pawelczyk, Michael Reiffenstein, Hans-Joachim Pellin (alle aus Deutschland) sowie von Rokeya Khatun (aus Bangladesch). Das Internetformular nutzte Achim Shaukat aus Deutschland.

 

Und jetzt zur historischen Aufzeichnung vom Dezember 1989. Sie hören ein Fragment aus der Sendung von Radio Free Europe in rumänischer Sprache, ausgestrahlt am 21. Dezember 1989. Die Stimmen gehören den Redakteuren Neculai Constantin Munteanu und Emil Hurezeanu. Der zuletzt genannte wurde übrigens für den Posten des rumänischen Botschafters in Deutschland vorgeschlagen, die außenpolitischen Ausschüsse der Abgeordnetenkammer und des Senats haben zugestimmt. Sorin Georgescu sagt an dieser Stelle danke fürs Zuhören und überlässt Sie der Sendung von Radio Freies Europa, ausgestrahlt am 21. Dezember 1989.

 

Video vom 26.-28.12.1989, das in der rumänischen Redaktion von Radio Freies Europa gedreht wurde (von 2:30 bis 2:40 ist rechts im Bild auch unser Hörer Thomas Brandenburg zu sehen, damals Tontechniker bei RFE):

 

 

 

Audiobeitrag hören:

 

 


www.rri.ro
Publicat: 2015-05-31 17:35:00
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