Elektrifizierung nach dem Krieg: parteipolitisches Prestige-Projekt

elektrifizierung nach dem krieg: parteipolitisches prestige-projekt Beginnend mit 1950 bis in die 1970er Jahre hinein wurde Rumänien intensiv elektrifiziert. Der Fortschritt des Landes wurde allerdings auch politisch instrumentalisiert.

Licht war seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts das Leitmotiv aller Modernisierungsprojekte. So konnten, nach Ansicht der Sozialreformer, die Menschen der Unwissenheit entrinnen, in der sie Religion und Kirche hielten. Aus diesem Grund wurde das 18. Jahrhundert auch als „Jahrhundert der Lichter“ bezeichnet. Das Licht wäre geistiger Natur gewesen – entstanden durch Bücher und Erziehung und durch die Beseitigung des Analphabetismus. Im 19. Jahrhundert übernahmen modernisierende Ideen das Motiv des Lichts. Sie fügten die materielle Dimension hinzu, die mit Hilfe der Wissenschaft den Menschen Zugang zu Wissen verschaffen würde. Und elektrisches Licht galt als der größte Fortschritt in der Geschichte, denn Edisons Glühlampe hat die Welt radikal verändert.

 

Die Kommunisten betrachteten die Elektrifizierung als eines der Mittel, mit denen der „neue Mensch“ auf eine höhere Stufe steigt. Eines von Lenins Mottos lautete „Macht in den Händen von Sowjets und Elektrifizierung der Dörfer“. Als es am 6. März 1945 in Rumänien die Macht ergriff, machte das kommunistische Regime aus der Elektrifizierung ein Ziel, das ihm Popularität und Legitimität verschaffen sollte. Das ehrgeizige Wirtschafts- und Sozialprogramm, die Elektrifizierung Rumäniens, hatte eine wichtige politische Komponente, die seit den 1950er Jahren in die Praxis umgesetzt wurde.

 

Der Ingenieur Tudor Constantin war der Leiter des Bukarester Elektrizitätswerks, des größten Stromerzeugers. Im Jahr 2003 wurde er vom Zentrum für Mündliche Geschichte des rumänischen Rundfunks interviewt. Er erinnerte sich an das erste Wasserkraftwerk in Bicaz.

 

„Das ursprüngliche Projekt wurde von Professor Dorin Pavel und dem Ingenieur Dimitrie Leonida auf ihren Kosten erstellt, sozusagen huckepack. Leonida wollte den rumänischen Arbeiter in einen gebildeten Arbeiter umwandeln, zum angesehenen Arbeiter machen. Er gründete eine Schule, die den Namen »Ingenieur Leonidas Fachschule für Elektriker und Mechaniker« trug. Hier unterrichtete er mit seiner Frau und zwei Professoren von der technischen Universität. Und du kamst mit einer solchen Ausbildung raus, dass dich das Gas- und Elektrizitäts-Unternehmen oder die Bahngesellschaft CFR gleich einstellten. Du musstest nur sagen, dass du Leonidas Schule besucht hattest. Als das Elektrifizierungsprojekt begann, war ich im Werk. Ingenieur Leonida sagte mir: ‚Junger Mann, eines musst du wissen: Rumänien kann nicht ohne die Einbindung des Staates elektrifiziert werden – ähnlich haben die Russen ihr Land elektrifiziert.‘ Nachdem dieser Elektrifizierungsplan beendet wurde, bekam ich eine Auszeichnung, so war es damals. Ich wurde mit dem Arbeitsorden 2. Klasse ausgezeichnet, den habe ich auch heute noch.“

 

 

Die Folgen des Krieges mussten beseitigt werden und das konnte nur durch industrielle Entwicklung erreicht werden. Tudor Constantin kannte den Entwicklungsstand Rumäniens vor der Elektrifizierung.

 

„Die Elektrifizierung begann 1950, als ich schon im Kraftwerk war, ich leitete das Kraftwerk. Das Bukarester Kraftwerk war das größte des Landes und hatte die besten Ingenieure. Es war vielleicht nicht auf dem Stand der westlichen Technik, aber auf jeden Fall arbeiteten da noch die Vorkriegs-Energetiker und sie wählten keine schlechten Ausrüstungen. Das Filaret-Werk verfügte über 5000 PS-Dieselmotoren, einzigartig in Europa, als sie eingekauft wurden. Eine einzigartige 10.000-Kilowatt-Gasturbine war bereits vor dem Krieg gekauft worden. Aber sie wurde erst nach dem Krieg montiert. Ich erinnere mich, dass die Russen uns umgarnten und um Hilfe baten. Ich gab ihnen die Schlüssel vom Büro, in dem die Schweizer Pläne aufbewahrt wurden, sie kupferten hin und wieder davon ab. Wir machten das natürlich genauso, aber wir mussten ja die Turbine in Betrieb nehmen. Es gab eben auch solche Geschichten.“

 

 

Über die ökonomische und soziale Logik hinaus konnte die Gestaltung und Umsetzung eines Projekts dieser Größenordnung nur nach einer politischen Entscheidung möglich sein. In einer Planwirtschaft musste alles möglich sein. Tudor Constantin berichtet weiter:

 

„Die Partei hat diese Entscheidung getroffen, und dann wurde diese Entscheidung von Spezialisten in Ministerien und allen Werken hinsichtlich der Umsetzung bearbeitet. Ich wurde um eine Meinung gebeten, ich habe an der Erstellung des Elektrifizierungsplans teilgenommen, weil ich der erste Kraftwerksleiter war. Und ich erinnere mich, dass es zwischen den Thermotechnikern und den Hydrotechnikern einen großen Streit gab. Die Streitigkeiten betrafen den Beginn, mit welchem Kraftwerks-Typ sollte man anfangen? Letztendlich gab es eine Schlichtung durch die Parteiführung. Es wurde gesagt, dass Wasserkraftwerke billiger und wirtschaftlicher seien. Die Stromkosten des Wasserkraftwerks waren drei- bis viermal niedriger als die des Wärmekraftwerks. Aber es wurde auch gesagt, dass die Wasserkraftwerke eine lange Bauzeit hatten und dass das Land nicht so lange warten kann. Wir mussten die Industrie des Landes entwickeln und wir mussten, auch wenn es uns mehr kostete, Wärmekraftwerke bauen. Schließlich hat man mit dem Bau von Wärmekraftwerken angefangen, dann begann der Bau des Wasserkraftwerks in Bicaz. Aber die Energie-Erzeugung fing mit den Wärmekraftwerken in Doiceşti in der Moldau und in Târgu Mureş an.“

 

 

Die Elektrifizierung Rumäniens endete in den 1970er Jahren und wurde als Erfolg gewertet. Der Energiesektor hat sich später diversifiziert, wobei ein Großteil der Produktion in der Industrie verbraucht wurde.


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Publicat: 2018-05-07 17:30:00
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