Altersvorsorge: Rentner sind künftig armutsgefährdet

altersvorsorge: rentner sind künftig armutsgefährdet Einer kürzlich von einer großen europäischen Bank durchgeführten Umfrage zufolge schätzen rund 54% der Europäer, dass sie nach dem Rentenalter auf dem Arbeitsmarkt aktiv bleiben würden. An der Umfrage nahmen Befragte aus 15 Ländern teil.

Auf europäischer Ebene wird erwartet, dass nur ein Viertel der Bevölkerung nach der Pensionierung den gleichen Lebensstandard hat. Wie üblich sind die Zahlen für Rumänien noch pessimistischer: 63% der Befragten meinten, sie hätten keine andere Wahl, als nach dem Ruhestand zu arbeiten, um ihre Rechnungen bezahlen zu können.

 

Um diese Prozentsätze jedoch zu verstehen, sagt Manuela Stănculescu, Soziologin des Forschungsinstituts für Lebensqualität, dass wir davon ausgehen müssen, dass die oben genannten Prozentsätze Meinungen und Erwartungen darstellen. Es ist die Art von Meinungen, die das Antwortmuster einhalten, das sich auf die (gute oder schlechte) Richtung bezieht, in der sich das Land bewegt, oder auf die persönliche Zufriedenheit. Bei den letztgenannten Kriterien belegten die Rumänen in Europa schon immer die letzten Plätze, weil sie pessimistisch sind. Umfragen dieser Art deuten nach Ansicht von Manuela Stănculescu auf ein bestimmtes Verhaltensmuster oder eine bestimmte Art von Mentalität hin:

 

„Die Rumänen weisen ein gewisses Verhaltensmuster auf. Erst in den letzten Jahren hat ein Teil begonnen, langfristig zu planen. Einige von ihnen machen beispielsweise Pläne für ihre Renten. Wegen unserer kommunistischen Vergangenheit denken wir: ‚ Die Rente kommt sowieso ‘ oder ‚Wir warten nur darauf, dass die Rente ankommt.‘ Es ist so, als dächten wir, die Rente kommt von alleine und klopft an die Tür. Bürger anderer Länder sind sich bewusst, dass sie um ihre eigene Rente sorgen müssen, und in diesen Ländern gibt es mehrere Finanzinstrumente und Mittel, mit denen die Menschen ihre Rente planen können. Dies ist ein Verhaltensmuster, an das sich die Menschen im Westen sehr früh gewöhnen. In Rumänien wird so etwas weder zu Hause gelernt noch wird es in der Schule gelehrt. Erst vor kurzem und nur bei der überdurchschnittlich verdienenden Bevölkerung ist die Tendenz entstanden, diese Art von Verhaltensmuster zu haben. Man fängt an, seinen Urlaub zu planen oder finanzielle Pläne für die Ausbildung seines Kindes im Ausland zu schmieden. So etwas hat es früher nicht gegeben.“

 

 

Anders ausgedrückt: Ein Großteil der Rumänen sowie der anderen osteuropäischen Bürger, deren Existenz vom Kommunismus geprägt war, muss verstehen, dass die Rentenplanung auch eine gewisse Verantwortung gegenüber dem persönlichen Schicksal darstellt. Dieses Verhaltensmuster ist ein trostloses kommunistisches Erbe, das bei der Messung der Ersparnisse offensichtlich wird. Hier greift auch der Lebensstandard ein. Rund 69% der Rumänen geben an, dass sie aufgrund ihres geringen Einkommens nicht sparen können. Abgesehen von Armut und Mentalität gibt es jedoch noch einen anderen Grund: das Angebot der Banken und Finanzinstitute im Allgemeinen, sagt Manuela Stănculescu. Hier ist sie erneut und spricht diesmal über die wahren Ursachen der niedrigen Ersparnisse.

 

„Ein hohes Maß an Armut. Viele Menschen können nicht sparen, weil sie nichts zu sparen haben. Zweitens ist ein solches Sparverhalten bei ihnen nicht entwickelt. Warum? Weil sie nicht so erzogen wurden. Das Problem der ex-kommunistischen Länder ist der Mangel an finanzieller Erziehung in Schulen. Drittens gibt es keine Vielfalt von Finanzprodukten, die zum Sparen anregen könnten, da Banken in Rumänien diese Vielfalt an Bank- oder Finanzprodukten nicht anbieten, so wie das anderswo in Europa der Fall ist.“

 

 

Dennoch werden die Wahrnehmung und die Erwartungen der Bevölkerung, wenn auch nur teilweise, durch konkrete Daten gestützt. Bereits 2009 warnte die Weltbank, dass das Rentendefizit in Rumänien bis 2020 5% des BIP übersteigen würde. Dann würde es einem Aufwärtstrend folgen, gefolgt von einem Rückgang bis auf 6,2% des BIP bis 2050. Die Defizite werden durch die Alterung der Bevölkerung verursacht, aber auch durch die Kosten für die Umstellung eines Teils der Beiträge der Renten-Säule I (Renten, die durch ein staatlich verwaltetes öffentliches System aus dem Sozialversicherungshaushalt finanziert werden) auf die Säule II (Renten, die durch Pflichtbeiträge an einer privat verwalteten Pensionskasse gewährleistet werden).

 

2009, als diese Prognosen gemacht wurden, hatte Rumänien bereits sein Rentensystem reformiert und es auf drei Säulen strukturiert: Säule I, wo die Arbeitnehmerbeiträge vom Staat verwaltet werden, Säule II – pflichtig für Personen unter 35 Jahren und fakultativ für Personen zwischen 35 und 45 Jahren, davon wird ein Anteil privat verwaltet, und Säule III, ein auf freiwilliger Beteiligung basierendes Rentensystem, das von privaten Unternehmen verwaltet wird. Während etwas mehr als 7 Millionen Rumänen zur zweiten Säule beitragen, entschieden sich Ende 2016 nur etwa 410 Tausend Menschen für die dritte Säule. Dies beweist, dass entweder nur 400 Tausend Rumänen verstanden hatten, dass die Rentenplanung auch eine Frage der persönlichen Entscheidung ist, oder, dass sich nur diese Personen monatliche Einlagen auf ein privates Rentenkonto leisten können.

 

Daher ist der Pessimismus der Menschen hinsichtlich der Notwendigkeit, nach der Pensionierung weiter zu arbeiten, durch den gegenwärtigen Lebensstandard und auch durch Daten, die den Rückgang der Bevölkerung belegen, gerechtfertigt. Die Soziologin Manuela Stănculescu wieder mit Details:

 

„Die großen Probleme im Zusammenhang mit dem Ruhestand in der Zukunft haben drei Ursachen. Die erste ist die Überalterung der Bevölkerung, und wir erleben derzeit einen beschleunigten Alterungsprozess, was bedeutet, dass wir in den nächsten 10 bis 20 Jahren eine zunehmende Zahl von Menschen im Rentenalter haben werden: Die Renten sollen von jungen Menschen abgesichert werden, deren Zahl ständig sinkt und das wird auch weiterhin der Fall sein. Somit werden diese wenigen jungen Menschen eine große Anzahl von Rentnern unterstützen müssen. Das wird einen hohen Druck auf die Rentenkasse ausüben. Darüber hinaus gibt es zwei weitere Ursachen. Erstens gibt es die in Rumänien noch sehr entwickelte graue Wirtschaft. Zum einen ist sie ein Mittel zum Überleben, zum anderen wird sie langfristig zu unserer Zerstörung führen. Der tatsächliche Nachteil der illegalen Beschäftigung ist, dass man keine Einkommensquellen nachverfolgen kann, was sich letztendlich entweder in kleine Renten oder in überhaupt keine Rentenfonds auswirkt. Die dritte bedeutende Ursache ist die internationale Migration. Diese funktioniert wie folgt: Nehmen wir an, jemand arbeitet illegal im Ausland, kehrt zurück in die Heimat, hat hier eine Mindesteinkommensquelle oder gar kein Einkommen, danach verlässt er das Land wieder. Sie haben zwar einen anständigen Lebensunterhalt verdient, tragen aber weder in Rumänien noch im Ausland zu einer Rentenkasse bei. Diese Phänomene des Alterns und der Migration der Menschen stellen also die nächsten Generationen vor große Herausforderungen. In der Zukunft wird man genauso gut über die Armut der Rentner sprechen können. In dieser nicht weit entfernten Zukunft werden Rentner eine sehr armutsgefährdete Kategorie bilden. Derzeit sind sie es nicht. Kinder und Jugendliche haben derzeit eine Armutsgrenze erreicht, die in einer modernen Gesellschaft vollkommen inakzeptabel ist.“

 

 

Experten sind jedoch der Ansicht, dass die Behörden, wenn sie sich mehr auf die Verbesserung der Situation dieser jungen Menschen konzentrieren würden, automatisch zu einer erhöhten Nachhaltigkeit des Rentensystems beitragen würden.


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Publicat: 2019-03-27 17:30:00
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