Fliegerlegende Nadia Russo-Bossie (1901–1988): ein Leben im Dienste der Wahlheimat

fliegerlegende nadia russo-bossie (1901–1988): ein leben im dienste der wahlheimat Als Nadeschda Jewgenjewna Brjosowskaja Anfang des 20. Jh. in Russland geboren, floh sie vor den Bolschewisten im Kindesalter nach Rumänien, wo sie zu einer der weiblichen Fliegerlegenden wurde.

Nadia Russo-Bossie war eine der Pilotinnen, die ihre Fähigkeiten, ihr Wissen und ihren Mut einsetzten, um an der Front des Zweiten Weltkriegs Leben zu retten. Wie so viele Menschen in Kriegszeiten hat sie sich nie vor ihren Pflichten gescheut, die sie gegenüber ihren Mitmenschen, gegenüber ihrem neuen Land Rumänien empfand. Denn Nadia Russo-Bossie war ein junges russisches Mädchen, wie viele Millionen Exilrussen, die der Hölle der bolschewistischen Revolution entkommen waren, bevor sie sie selber zum Opfer des Kommunismus wurde. Die sogenannte „Weiße Emigration“ bildete sich auch in Rumänien, wo sie sich in die Werte der rumänischen Gesellschaft integrierte und am Schicksal des Landes teilnahm. Wie die rumänische Gesellschaft erlitt auch Nadia Russo-Bossie eine Qual nach der anderen, sie erlitt Krieg und Totalitarismus, verstarb ohne die ihr gebührende Ehrung, und erst die heutige Nachwelt würdigt ihre Verdienste voll und ganz.

 

Das Nationalmuseum für rumänische Geschichte würdigte die Präsenz von Frauen an der Front des Zweiten Weltkriegs. Nadeschda Jewgenjewna Brjosowskaja oder Nadia Russo-Bossie ist, zusammen mit zwei anderen rumänischen Fliegerlegenden, Smaranda Brăescu und Mariana Drăgescu, eine der zentralen Figuren der Sanitätsstaffel oder „Weißen Staffel“. Die Historikerin Cristina Păiușan-Nuică organisierte die Ausstellung und präsentierte eine Kurzbiographie der Heldin.

 

Nadia Russo-Bossie war russischer Herkunft. Geboren 1901, floh sie 1918 vor der bolschewistischen Revolution, nachdem beide Eltern tot waren, zusammen mit ihrer Schwester nach Chișinău, wo sie Verwandte hatte und sich ein Leben in Bessarabien aufbaute. Nach dem Besuch der Kunstschule in Paris wollte sie Fliegerin werden. 1936 besuchte sie, weil es recht teuer war, gesponsert, Pilotenkurse und erhielt eine Frauenlizenz und dann eine allgemeine Pilotenlizenz. Sie war von Anfang an Teil der Sanitätsstaffel.“

 

 

Das Schicksal hat es nicht gut mit Nadia gemeint. Ihre Mutter starb 1912, als sie gerade 11 Jahre alt war, und ihr Vater starb drei Jahre später, 1915 an der Front, als Nadia noch ein Kind war und 14 Jahre alt. Nachdem sie und ihre Schwester sich in Rumänien retten konnten, bekommt ihr Leben eine neue Bedeutung. Cristina Păiușan-Nuică:

 

Nadia Russo hatte ein schweres Leben. Nach ihrer Flucht aus dem bolschewistischen Russland war sie, bevor sie zur Pilotin der Sanitätsstaffel wurde, Lehrerin und übte verschiedene andere Berufe aus. Sie war mit einem recht wohlhabenden Mann, Alexandru Russo, verheiratet, der sie während der Ehe versorgte. Sie war leidenschaftlich gerne geflogen und kaufte sich ein Flugzeug mit Hilfe öffentlicher Spendeaktionen und mit Unterstützung des rumänischen Staates. Nach ihrer Heirat wurde sie als Rumänin eingebürgert. Zwischen 1940 und 1943 flog sie in der Sanitätsstaffel. 1943 erlitt Nadia Russo einen Nervenzusammenbruch, danach sie flog wieder bis 1945, aber nur sehr wenig.“

 

 

Nadia Russo-Bossies Leidenschaft im Leben war die Luftfahrt, der sie bis zum Schluss verbunden blieb. Als Sportlerin, die an nationalen und internationalen Wettkämpfen teilnahm, als Kriegsheldin, die mit der inneren Überzeugung antrat, die Bolschewiken zu bekämpfen, die ihr Land zerstört hatten, sollte Nadia nach 1945 das Schicksal ganz Rumäniens teilen. Das kommunistische Regime, vor dem sie in ihrer Jugend geflohen war, holte sie ein und verurteilte sie zu einer Gefängnisstrafe. Cristina Păiușan-Nuică:

 

Die Tragödie ihres Lebens begann im Jahr 1950, als sie verhaftet wurde. Im August 1950 wurde sie beschuldigt, das Treffen britischer Piloten der Alliierten Kontrollkommission mit rumänischen Fliegern ermöglicht zu haben. Sie wurde 1951 zu acht Jahren Gefängnis in der sogenannten »Fliegergruppe« verurteilt. Nach fünf Jahren wurde sie per Staatsdekret entlassen, erhielt aber weitere fünf Jahre Zwangsaufenthalt in Lățești, in der Bărăgan-Steppe, wo sie ihren zweiten Mann, Gheorghe Bossie, kennenlernte. Wir haben in der Ausstellung ihren Rentenbescheid aus dem Jahr 1969, als sie mit einer Rente von 325 Lei aus der Sozialhilfe in den Ruhestand ging. Für die fünf Jahre Zwangsaufenthalt im Bărăgan erhielt sie, nachdem sie 1968 an die Securitate geschrieben und darum gebeten hatte, dass diese fünf Jahre als Arbeitsjahre anerkannt werden, zusätzlich 79 Lei. Sie hatte eine Rente von 400 Lei, was zu jener Zeit sehr wenig war.“

 

 

Die Nachwelt sollte sie erst nach 1989 wiederentdecken, als ganz Rumänien sich nach dem Sturz der kommunistischen Tyrannei neuerfand. Cristina Păiușan-Nuică erläutert, welche Objekte, die Nadia Russo-Bossie hinterließ, in der Ausstellung zu sehen sind.

 

Wir haben ein Album mit mehreren hundert Fotos von Nadia Russo, das durch eine Reihe glücklicher Umstände Teil des Nationalmuseums für rumänische Geschichte wurde. Wir haben auch einige Notizen, die sie im Mai 1981 gemacht hat, an ihrem 80. Geburtstag und 45 Jahre nachdem sie ihre Pilotenlizenz erhalten hatte. Die damalige Staatsmacht hatte vor, sie zu veranlassen, einen Vortrag darüber zu halten, wie es gewesen war, vor 45 Jahren eine Fliegerin zu sein. Leider hat sie es nicht bis 1990 geschafft, sie wurde nicht für ihre Verdienste gewürdigt und sie erhielt keine Rente, die ihr einen angemessenen Lebensunterhalt ermöglicht hätte.“

 

 

Nadia Russo-Bossie starb 1988 im Alter von 87 Jahren in Bukarest. Sie ist nun Teil des rumänischen immateriellen Erbes und ein Symbol für jene Menschen, die sich für ihre Heimat aufopferten.


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Publicat: 2021-03-22 17:30:00
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