Sozialwirtschaft: Wie Sozialunternehmen Bedürftigen unter die Arme greifen

sozialwirtschaft: wie sozialunternehmen bedürftigen unter die arme greifen Dass in puncto Sozialausgaben der rumänische Staat nur kümmerlich agiert, ist kein Geheimnis. Immer mehr soziale Unternehmen engagieren sich in der Unterstützung bedürftiger Menschen.

Mit Begriffen wie soziales Unternehmertum und Sozialwirtschaft konnten Menschen in Rumänien bis unlängst kaum etwas anfangen – doch Betriebe aus diesem Umkreis werden zunehmend besser aufgenommen, zumal sich teilweise Schnittmengen mit einer älteren Form ergeben, die den Rumänen sehr viel vertrauter ist: den kleinen Handwerksgenossenschaften.

 

Soziales Unternehmertum führt die Idee eines sozialen Bedürfnisses ein, das durch eine wirtschaftliche Tätigkeit ohne geldlichen Gewinn befriedigt werden kann. Mit anderen Worten: Sozialunternehmen sind nicht primär daran interessiert, Geld zu verdienen, sondern vielmehr daran, menschliche Beziehungen und Fähigkeiten zu entwickeln. In Rumänien gibt es bereits kleine Werkstätten, in denen Bürger in Notlagen, wie ehemalige Obdachlose, alleinerziehende arbeitslose Mütter oder ehemalige Opfer von Menschenhandel, beschäftigt werden und ein Handwerk erlernen.

 

Die Berufe reichen von Nähen und Backen bis hin zum Reparieren von IT-Geräten. Die Mitarbeiter bekommen den Mindestlohn, aber sie bringen ihr Leben wieder in Ordnung. Das ist der immaterielle Gewinn – der materielle Profit reicht für die Nachhaltigkeit des Unternehmens. Unter dem Gesichtspunkt der gegenseitigen Hilfeleistung überschneiden sich also die Aktivitäten von Sozialunternehmen und NGOs. Tatsächlich haben viele Sozialunternehmer als NGO-Manager angefangen, wie zum Beispiel Raluca Chișu, Leiterin des Vereins Kinetobebe.

 

„Wir sind eine NGO mit 40 Mitarbeitern und einem Leitungs- und Koordinationsteam. Unsere Einnahmen kommen aus zwei Quellen: zum einen aus der freien Wirtschaft, was bedeutet, dass wir Dienstleistungen für den Markt erbringen und dafür bezahlt werden, und zum anderen aus Spenden und von Sponsoren“, sagt die Vereinschefin. Kinetobebe hat drei Zentren für pädiatrische Heilung, die Dienstleistungen in diesem Bereich, dem ärztlichen Therapieren von Kindern, anbieten. 150 Patienten pro Tag werden von Vollzeit-Therapeuten betreut – der Verein braucht also Geld, um diese Ausgaben zu decken. Spenden und Sponsorengelder kommen nicht sehr zuverlässig, also müssen die Ausgaben aus einem Geschäft gedeckt werden, das jedoch keinen Gewinn abwerfen soll – wenn das doch passiert, muss dieser Gewinn in die soziale Tätigkeit reinvestiert werden.

 

Jedes soziale Unternehmen muss eine soziale Nachfrage befriedigen, und Raluca Chișu hat dieses Unternehmen gegründet, um auf die medizinischen Bedürfnisse der Kinder zu reagieren.

 

Die Tatsache, dass 25 % der geborenen Kinder Heilung brauchen, ist an sich schon eine gute Ausgangslage. Der Staat hat Lösungen, kann aber den Bedarf nicht alleine decken. Zum Beispiel bei Motorik-Leiden, wo die körperliche und kognitive Therapie gefragt ist, deckt der Staat nur 5 % dessen, was die Kinder brauchen. Ein Kind mit einer neurologischen Erkrankung braucht 365 Tage im Jahr Therapie und die staatlichen Einrichtungen können das nur 10 Tage, zwei Stunden pro Tag sicherstellen.“

 

 

Es ist also nur natürlich, sagt Raluca Chișu, dass soziale Unternehmen oder NGOs einen Teil dieser Last übernehmen und dem Staat bei diesen Aktivitäten helfen. Die wichtigste Bedingung ist dabei, dass das soziale Bedürfnis nicht zu Gewinnzwecken ausgenutzt werden darf.

 

Ein weiteres solches soziales Bedürfnis ist z.B. die Unterstützung begabter junger Menschen, um ihnen zu ermöglichen, sich im kulturellen Leben einen Namen zu machen. Das ist das Ziel des Vereins der Musikerin Doina Saliu, die Festivals und Meisterkurse für junge Leute organisiert, zu denen auch professionelle Musiker eingeladen werden:
 

Ich habe zusammen mit meinen Kollegen ein Online-Festival gegründet. Wir hatten keine andere Lösung als auf Spenden zurückzugreifen, um meine Ausgaben in dieser Zeit zu decken. Natürlich habe ich zwei Freiwillige, einen Buchhalter und einen IT-Experten und auch Künstler engagieren sich ehrenamtlich für dieses Projekt, aber das kann nicht ewig so weitergehen. Kürzlich habe ich meinen Mitarbeitern Verträge angeboten, weil sie freiwillig mitarbeiten, aber, wie ich schon sagte, kann das nicht auf ewig so bleiben. Es geht ja schließlich um Künstler von internationalem Renommee.“

 

 

Auch die Nachwuchsförderung durch Doina Salius Sozialunternehmen ist ein Beispiel, in dem Gemeinnützigkeit mit Geschäft einhergeht und so die Karriere junger Künstler gefördert wird, die ohne diese Unterstützung unbekannt bleiben würden.

 

Neben dieser Mischung aus Profit und Wohltätigkeit – ein nicht immer unproblematisches Mixtum Compositum – umfasst soziales Unternehmertum auch den Kontakt mit den Behörden. Der Hauptzweck dieser Interaktion ist die Förderung derjenigen Sachpolitik, die für den Arbeitsbereich des jeweiligen sozialen Unternehmens relevant ist, sagt wiederum Raluca Chișu.

 

Als Vereine sind wird sehr stark auf die Politik angewiesen. Und die meiste Zeit sollten wir sachpolitische Impulse geben. Frau Saliu zum Beispiel sollte eine Politik für die Unterstützung junger Künstler vorschlagen. Wir betreiben schon seit einiger Zeit Lobbyarbeit bei den Ministerien für verschiedene öffentliche Maßnahmen.“

 

 

2016 ist in Rumänien ein einschlägiges Gesetz zum sozialen Unternehmertum in Kraft getreten, wobei es Ende 2015 über 136 Tausend Beschäftigte in diesem Sektor gab, darunter Genossenschaften, Hilfsfonds für Arbeitnehmer oder Rentner, Vereine für gegenseitige Unterstützung, Verbände, Stiftungen und andere legale sozialwirtschaftliche Organisationen. Darüber hinaus haben sich über 3 Millionen rumänische Bürger als Mitglieder oder direkte Nutznießer dieser Einrichtungen registriert. Die rumänische Sozialwirtschaft hat in letzter Zeit offenbar stark an Leistung zugenommen.


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Publicat: 2021-03-24 17:30:00
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