Heute reisen wir in den Westen Rumäniens, und zwar in die historische Region Banat. Dabei entdecken wir eine der abgeschiedensten Ortschaften des Landes, ein abgelegenes Bergdorf im Cerna-Gebirge, das nur über eine 100 m lange Holzleiter an einem steilen Abhang erreicht werden kann. Außerdem besichtigen wir die in Osteuropa einzigartigen Wassermühlen in Rudăria und machen einen Abstecher zum Internationalen Jazz-Festival in Gărâna.
Im Banat will man – wie auch in anderen Regionen Rumäniens – mehrere Arten von Tourismus für unterschiedliche Urlaubertypen fördern. Dan Mirea ist Manager des Zentrums für die Förderung der traditionellen Handwerke und Kultur im Landkreis Caraș-Severin, der Teil des Banater Berglandes ist. Er zählt einige Highlights des Fremdenverkehrs in der Region auf:
„Wenn wir den herkömmlichen oder Markentourismus unserer Region berücksichtigen, würde ich zunächst auf den Bigăr-Wasserfall im Almaschtal (rum. Valea Almăjului) verweisen. Er zählt zu den schönsten sieben Wasserfällen der Welt. Ein weiteres Highlight, das vor allem von ausländischen Touristen aufgesucht wird, ist die Ortschaft Rudăria mit ihren altehrwürdigen Wassermühlen. Sie wurden im 18. Jh. erbaut und sind heute noch funktionstüchtig. Zum Erstaunen unserer Besucher lassen die Einheimischen auch heute ihren Mais und Weizen dort mahlen. Zahlreiche Fernsehteams aus der ganzen Welt waren schon hier, um Filme über dieses Wunder der früheren Technologie zu drehen. Eine weitere Sehenswürdigkeit ist ein Bergdorf im Banater Bergland, das nur über eine äußerst steile Leiter an einer Felswand erreicht werden kann. Das Dorf heißt Ineleț und liegt im Landkreis Caraș-Severin. Es gibt keine andere Zugangsmöglichkeit, und die Einheimischen benutzen diese Leiter täglich, auch wenn Sie zum Arzt müssen oder die Kinder zur Schule bringen – die Kleinsten werden dabei in einer Webtasche befördert, die um den Hals gehängt wird. Und auch der Weg ins Gefilde der Seligen ist ein Abenteuer, denn der Friedhof liegt nicht im Dorf, sondern in sieben Stunden Entfernung.“
In Ineleț, dem wohl abgeschiedensten Dorf Rumäniens, gibt es rund 100 verstreut auf Hügeln liegende Häuser, von denen heute nur noch 33 bewohnt sind. Wenn man die steile Felswand erklimmt und das Dorf betritt, sieht man als erstes die Dorfkirche, die 1973 von den Dorfbewohnern errichtet wurde. Eine weitere sehenswerte Ortschaft im Banater Bergland ist das Dorf Gărâna (dt. Wolsfberg), das im frühen 19. Jh. von Siedlern aus Bayern und dem Böhmerwald gegründet worden war. Nach der Wende siedelten fast alle deutschstämmigen Bewohner nach Deutschland über, heute ist es ein Urlaubs- und Ferienort für Menschen aus der Region, doch richtig international wird es hier während des alljährlichen internationalen Jazzfestivals. Dan Mirea mit Details:
„Ende August wird in Gărâna eines der renommiertesten internationalen Jazzfestivals veranstaltet; es dauert eine Woche, und in dieser Zeit gibt es sehr viele ausländische Touristen hier. Die Karten für die Jazzkonzerte sind bereits zwei Jahre vor dem Festival ausverkauft. Nach den pandemiebedingten Einschränkungen der letzten zwei Jahre im Kulturbetrieb und in der Kunstszene haben wir diesen Sommer einen regelrechten Rekord aufgestellt – die Karten für das Jazzfestival waren binnen 14 Stunden ausverkauft! Viele Touristen zieht auch das Semenic-Gebirge an, wo derzeit viel in Infrastruktur investiert wird. Zwei Schipisten nach europäischen Standards befinden sich im Bau, wobei eine von den beiden von der Logistik her an Innsbruck angelehnt ist. Es ist übrigens eine österreichische Firma, die mit dem Bau beauftragt ist. Die Einweihung der Schipisten ist für Ende 2023 geplant, und ich bin überzeugt, dass sie viele Touristen und Wintersportliebhaber anziehen werden. Aber auch Kultur- und Folklore-Veranstaltungen sind im Banater Bergland keine Mangelware. Eine gutes Beispiel ist das Internationale Folklore-Festival in Herkulesbad. Der Kurort ist über die Grenzen des Landkreises Caraș-Severin und des Banats oder Rumäniens bekannt. Es gab einmal eine Zeit, als Herkulesbad in ganz Europa ein Begriff für den therapeutischen Badetourismus war.“
Stichwort Herkulesbad: Die bekannteste Attraktion im Kurort ist natürlich die historische Altstadt. Hier gibt es einige denkmalgeschützte Gebäude wie das Kasino, die königlich-kaiserlichen Bäder der Habsburger und die Villa der österreichischen Kaiserin Elisabeth alias Sissi, die ein besonderes Faible für Herkulesbad und Wanderschaften in der Gegend gehabt haben soll. Dan Mirea kennt die jüngsten Entwicklungen im Kurort, der in den letzten Jahrzehnten dem Verfall preisgegeben worden war:
„Die Altstadt wurde unlängst komplett saniert, und das Wahrzeichen der Stadt, die Herkulesstatue, erstrahlt wieder im alten Glanz des 19. Jh. In Herkulesbad veranstalten wir seit mehr als 30 Jahren ein internationales Folklore-Festival, bei dem jedes Jahr Ensembles aus über 40 Ländern auftreten, um ihre Traditionen vorzustellen. Das Banater Bergland selbst ist stets gut vertreten. Hier gibt es nämlich mehrere ethnografische Regionen, die mit einer unverfälschten Folklore aufwarten können: das Caraș-Tal, das Bistra-Tal und das Almaschtal. Hier sind Gesang, Tanz und Volkstracht noch lebendig. Insbesondere der Volkstracht gilt ein besonderes Augenmerk: Es heißt, dass im Banat ältere Menschen zwar manchmal ihren Bestattungsort im Friedhof verkaufen, niemals aber die von ihren Vorfahren geerbten Trachten. Und als Manager des Zentrums für die Förderung der traditionellen Volkskunst im Landkreis Caraș-Severin will ich noch ein paar unserer Projekte für das künftige Jahr verraten: Wir versuchen, an die ganzjährige Veranstaltung »Temeswar, Europäische Kulturhauptstadt 2023« anzuzapfen, und mein persönlicher Plan im Zusammenhang mit unserer regionalen Metropole ist, eine Ausstellung mit über 1000 Volkstrachten aus allen repräsentativen Regionen des Banats zu organisieren.“