Im Jubiläumsjahr der Vereinigung stellen wir Ihnen vermehrt auch Persönlichkeiten vor, die zum modernen Rumänien beigetragen haben – Steliu Lambru erinnert sich heute an den Soziologen Dimitrie Gusti.
Der 1880 in Iaşi (Jassy) im Osten von Rumänien geborene Dimitrie Gusti hat wie kaum ein anderer die rumänische Soziologie geprägt – obwohl eigentlich sein Ansatz eher als Anthropologie bezeichnet werden könnte. Gusti war Universitätsprofessor, Mitglied der Akademie der Wissenschaften, Bildungsminister zwischen 1932 und 1933, er gründete das sogenannte Sozialinstitut. Auf sein Konto geht ein guter Einfall – gemischte Teams aus Studenten und Forschern gingen in die Dörfer und schauten sich alle Aspekte des Lebens dort an. Auf der Basis der so gesammelten Erkenntnisse entwickelte er mit seinen Experten später sozialpolitische und sozialpädagogische Maßnahmen – seine Idee war es, die ökonomisch, politisch und kulturell zurückgeblieben Landbevölkerung zu emanzipieren. Auch die Bauern sollten zu mündigen Bürgern des modernen Rumäniens nach 1918 werden.
Von Dimitrie Gusti wird behauptet, dass er eine Denkschule prägte, die besonders in den Zwischenkriegsjahren voll zum Tragen kam. Allerdings wurde auch der Vorwurf laut, dass er sich zu stark um die nationalen Fragen kümmerte und deshalb sozusagen seinen Forschungen einen nationalistischen Anstrich gab, der damals nicht nur in Rumänien in Mode war. Der Bukarester Soziologe Vintilă Mihăilescu spürt das Bedürfnis, Gusti in Schutz zu nehmen: „Ist Gusti innovativ? Das Urteil ist klar: Gusti ist kein Pionier, er gehört zur rumänischen Tradition der ländlichen Studien – aber es ist in der Tat ein delikates Problem“, findet Mihăilescu.
Dass Gustis Soziologie der Nation dient, heißt nicht zwingend, dass es eine nationalistische Soziologie war. Solange der Aufbau einer Nation das Hauptanliegen einer Gesellschaft ist, kann sich die Soziologie diesem Ziel nicht entziehen, glaubt Vintilă Mihăilescu. Würden wir uns im 21. Jahrhundert mit dem Thema der neuen Leibeigenschaft befassen, wäre das etwas komisch. Aber wenn man damals in Rumänien 85% Landbevölkerung hatte, musste man sich zwangsweise damit auseinandersetzen – es wäre also komisch, Gusti vorzuwerfen, dass er das tat, denkt Mihăilescu.
Das soziologische Konzept von Dimitrie Gusti drehte sich um mehrere Basiselemente. Die Gesellschaft, sagte er, besteht aus sozialen Einheiten: Gruppen von Menschen, die durch eine aktive Organisierung und eine seelische Wechselwirkung verbunden sind. Der Wille einer Gesellschaft werde ihm zufolge in der Ökonomie und im Geist manifest und die Faktoren, die die Gesellschaft prägten, seien kosmischer, biologischer, psychischer und historischer Natur. Davon ausgehend, versuchte Gusti den gesellschaftlichen Wandel zu untersuchen – sein Anliegen war, Trends zu erkennen.
Nach 1945 orientierte er sich um und war bedacht, internationale Schwerpunkte zu setzen. 1955 verstarb Dimitrie Gusti in Bukarest im Alter von 75 Jahren.
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