Onlinemedien: Wie gefährlich ist das Internet für Kinder?
Experten warnen seit längerer Zeit vor einer allzu frühen Nutzung von Online-Medien durch Kinder. Vor allem intensive, im Internet verbrachte Zeit könne zu Sucht und Entwicklungsstörungen führen.
România Internațional, 07.08.2019, 17:30
Laut einer Studie der Stiftung Salvați Copiii“ (Rettet die Kinder“) verbringen über ein Viertel der rumänischen Kinder mehr als sechs Stunden täglich im Internet, doch der Anteil der internetnutzenden Kinder steigt am Wochenende oder in den Ferien. Der Soziologe Ciprian Grădinaru zieht einige Schlussfolgerungen:
Wenn wir uns die vorherigen Studien anschauen, da diese aktuelle eine Fortsetzung der Studien ist, die von »Salvați Copiii« in den Jahren 2013 und 2015 durchgeführt wurden, stellen wir fest, dass die Online-Zeit zunimmt, während gleichzeitig das Alter sinkt, in dem Kinder anfangen, Zeit im Internet zu verbringen. Eine andere Schlussfolgerung ist, dass Kinder immer mehr soziale Netzwerke nutzen und persönliche Informationen öffentlich machen. Darüber hinaus steigt die Zahl der sozialen Netzwerke, in denen sie aktiv sind. Wenn die meisten Kinder vor ein paar Jahren ein oder zwei soziale Netzwerke nutzten, haben sie heute Konten bei vier oder fünf.“
Die Studie zeigt, dass 73% der Schüler das Internet in der Schule nutzen, während 32% das Internet während des Unterrichts unauffällig nutzen. Darüber hinaus nehmen auch Fälle von Online-Mobbing zu, mit einem höheren Prozentsatz unter Gymnasiasten. 40% der Kinder geben an, sehr oft ohne klares Ziel im Internet zu surfen, 13% haben weder gegessen noch geschlafen, um surfen zu können, und 24% fühlen sich unruhig und unwohl, wenn sie nicht auf das Internet zugreifen können. Der Studie von Salvați Copiii“ zufolge sind junge Menschen, die viel Zeit online verbringen, mit der Beziehung zu Eltern, Freunden und Lehrern und ihrem Leben im Allgemeinen weniger zufrieden. Tägliche Aktivitäten sind weniger bedeutend und sie sind, was die Zukunft angeht, weniger optimistisch. Hören wir Biophysiker Virgiliu Gheorghe, Doktor in Bioethik, der auf die negativen Auswirkungen auf die emotionale Gesundheit von Kindern hinweist:
Zunächst erzeugt das Internet Sucht. Es ist ein magischer Spiegel, der die Neugier der Kinder weckt. Die Köpfe der Kinder sind offen für Neues, sie suchen nach herausfordernden Erfahrungen, um ihren Geist zu entwickeln, und der Bildschirm ist anregend, er ist ein Ersatz für die Realität. Er bietet eine intensivere Erfahrung als die Realität selbst. Sie fühlen sich davon angezogen, sie verbringen immer mehr Zeit vor den Bildschirmen und die Sucht entwickelt sich weiter. Sucht ist zunächst eine Abnahme der Motivation, in der realen Welt zu handeln, dann entsteht eine Art Depression bezüglich der realen Erfahrung im Vergleich zur virtuellen Erfahrung, da diese äußerst aufregend ist. Sobald die Sucht einsetzt, fühlt sich das Kind in der realen Welt nicht mehr wohl, es ist traurig und die Aufmerksamkeitsspanne nimmt ab. Zweitens hat der Bildschirm einige Vorteile in dem Sinne, dass er blitzschnell wechselt, die Frames extrem schnell wechseln, so dass diese Aggression gegen die Sinne Aufmerksamkeit erfordert, die Aufmerksamkeit auf sich zieht, und dies erzeugt eine Art Halbhypnose, die bereits in den 1970er Jahren dokumentiert wurde. Jeder längere Kontakt des Kindes, auch wenn die Botschaft harmlos ist, führt zu einer Sucht, man will mehr und mehr Stimulation, wie eine Droge.“
Untersuchungen in den letzten Jahrzehnten haben gezeigt, dass die Einwirkung von Bildschirmen in der Kindheit der Entwicklung und Funktion des menschlichen Gehirns schadet. Aufmerksamkeit, Motivation, Sensibilität, kreative Vorstellungskraft und die meisten ausführenden Funktionen des Gehirns sind in erheblichem Maße betroffen. Für eine gesunde Entwicklung empfiehlt der Biophysiker Virgiliu Gheorghe, Bildschirme aus dem Leben des Kindes abzuschaffen und durch Zuneigung, Kommunikation, Sport, Musik, Lesen und Mathematik zu ersetzen:
Eltern machen sich etwas vor, wenn sie glauben, dass ein Computer die Kompetenzen eines Kindes steigert, im Gegenteil, er verringert sie. Die Leute, die am besten mit Computern arbeiten und gute Programme schreiben, sind Mathematiker, keine Kinder, die schon seit ihrer Kindheit Computer benutzen. Das liegt daran, dass Bildschirme zusätzlich zur Sucht eine Art kortikaler Aktivität beinhalten, die für das menschliche Gehirn unangebracht ist. Dies führt zu Veränderungen im Gehirn. Das Gehirn von Kindern, die mit Computern in der Nähe aufgewachsen sind, unterscheidet sich von dem der Kinder, die früher geboren wurden. Kortikale Atrophie tritt auf, und die Dichte der grauen und weißen Substanz nimmt im linken Frontallappen ab. Diese Kinder sind gefangen in virtuellen Umgebungen. Es besteht keine Neigung zum Lesen, außer auf einem Bildschirm. Es gibt zwei Arten von Menschen mit unterschiedlichen Gehirnen, Erwartungen und Verhalten. Wir nehmen das vielleicht nicht wahr, aber Bildung und Eliten haben nichts mit diesen Dingen zu tun. Präsident Obamas Töchter bekamen erst mit 16 Jahren Smartphones, und wir haben bereits Kinder, die sie bekommen, wenn sie erst ein paar Jahre alt sind. Je ärmer ein Land ist und sich in einer Krise befindet, desto größer ist der Medienkonsum. Die entwickelten Länder, die die Welt führen, ihre Eliten, wachsen nicht so auf. Diese sind Mittel zur Versklavung des Geistes und zur Gehirnwäsche, Methoden der Gedankenkontrolle.“
Die NGO Salvați Copiii“ betreibt seit 2008 ein einzigartiges europäisches Programm, Die Internet-Stunde“, das die kreative, nützliche und sichere Nutzung des Internets fördert, so Teodora Stoica, eine Psychologin bei Salvați Copiii“:
Das Programm besteht aus drei Hauptkomponenten. Grundsätzlich haben wir Informationsaktivitäten für verschiedene Zielgruppen organisiert, sowohl für Kinder und Jugendliche als auch für Eltern, Lehrer und Experten, die mit Kindern arbeiten. Wir haben eine Beratungshotline für Kinder und Jugendliche, bei der sie bei Problemen oder Fragen anrufen können, und wir haben auch eine Hotline für die Meldung illegaler Inhalte. Sobald jemand auf schädliche oder unangemessene Online-Inhalte stößt, meldet er uns dies, und wir finden einen Weg, um diese aus dem Internet zu entfernen.“
Im Rahmen des Projekts Internet-Stunde“ beteiligten sich im vergangenen Jahr 49.000 Kinder und 12.000 Eltern und Lehrer an Bildungsaktivitäten, 718 Kindern erhielten Informationen und Beratung, und über 1.100 Beschwerden wurden durch die Meldehotline registriert.