Wie grün ist die Windenergie?
Die Stromerzeugung mit Windkraftanlagen ist die mit großem Abstand wichtigste Form der Windenergienutzung. Doch wie grün ist Windenergie tatsächlich? Naturschützer und Ornithologen warnen vor negativen Auswirkungen auf Habitate und Vögel.
Florin Orban, 26.08.2016, 17:45
Rumänien legt hohen Wert auf den Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere im Zusammenhang mit der von der EU geförderten Energiepolitik. Auf EU-Ebene wurden in der Richtlinie zur Förderung erneuerbarer Energien erstmalig verbindliche Ziele festgelegt. Danach sollen bis 2020 24% des Bruttoenergieverbrauchs in Rumänien durch regenerative Energiequellen gedeckt werden. Rumänien hat dieses Ziel jetzt schon erreicht. Die Windenergie, obwohl erst spät genutzt, spielte diesbezüglich eine entscheidende Rolle. Die meisten Windenergieanlagen in Rumänien wurden in den letzten 10 Jahren gebaut. Der Windenergiesektor entwickelte sich allerdings im schnellen Tempo. Die Windkraft macht derzeit 12,3% des in Rumänien erzeugten Stroms aus.
Die meisten Windkraftanlagen wurden in Dobrudscha gebaut. Die Region liegt am Schwarzen Meer und an der Donau — die natürlichen Voraussetzungen für eine optimale Windkraftnutzung sind daher gegeben. Dennoch zeichnet sich die Region auch durch eine große natürliche Vielfalt auf. An der Mündung der Donau in das Schwarze Meer befindet sich eines der bekanntesten Schutzgebiete europaweit — das Biosphärenreservat Donaudelta. Auch der Nationalpark Munţii Măcinului (zu dt. Măcin-Gebirge) liegt in der Region. Aus diesem Grund stieß die Einrichtung von Windkraftanlagen mancherorts auf Widerstand. Dazu Marina Drugă, Vertreterin der Rumänischen Ornithologen-Gesellschaft.
Manche Windparks in Rumänien beachten die Umweltvorschriften nicht. Sie dringen in wichtige Habitate der Zugvögel ein. Darüber hinaus wurden prioritäre, gemeinschaftlich relevante Lebensräume zerstört, manche davon in der Dobrudscha. Diese gibt es nirgendwo innerhalb der Europäischen Union außer in Rumänien. Die Projekte müssen einzeln untersucht werden — denn manche Vorhaben sind völlig in Ordnung, manche wiederum auch nicht. Dafür müssen aber Folgeabschätzungen durchgeführt werden.“
Die Umsetzung dieser Projekte hatte konkrete Auswirkungen auf das Leben der Vögel, so Marina Drugă:
Die Umweltorganisationen stellten fest, dass große Raubvögel starben — einige Schreiadler wurden z.B. tot aufgefunden. Manche Leute vor Ort, die ihrer Arbeit auf dem Feld nachgingen, berichteten davon, wie einige Vögel wegen der Windkraftanlagen starben.“
Die Umweltorganisationen verfügen leider über keine Statistiken, die Auskunft über das Ausmaß des Vorgangs und die negativen Auswirkungen der Windturbinen auf die Vögel geben könnten. Die Vertreter der Windkrafterzeuger bestreiten sogar die genannten Auswirkungen. Dazu Cătălina Dragomir, Vorsitzende des Lenkungsausschusses des Rumänischen Vereins für Windenergie:
Die Windparks, die in Betrieb sind, werden rund um die Uhr überwacht. Bis jetzt wurden uns keine Unterlagen vorgelegt, die umweltschädliche Auswirkungen dokumentieren, und es gab auch keinen Bericht, in dem negative Umweltfolgen erwähnt wurden.“
Stellen die Windkraftanlagen eine Gefahr für die Migrationswege der Vögel dar? Dazu Cătălina Dragomir, die Vertreterin der Windenergieerzeuger:
Die Windkraftanlagen stellen an und für sich keine Gefahr dar. Falls Probleme erkannt werden oder Gefahren aufkommen, erhalten die Projekte keine Umweltbescheinigung. Das bedeutet, die Investition darf an dem Standort nicht mehr fortgesetzt werden. Das Projekt muss dementsprechend umgesiedelt werden. Es gibt keine Alternativen. Es kam schon mal vor, dass manchen Projekten keine Umweltzertifizierung zugeteilt wurde. Oder es wurde eine Umweltbescheinigung zugeteilt, aber nur bedingt, in Begleitung von Überwachungsmaßnahmen. Doch waren die Überwachungsmaßnahmen so aufwendig, dass sie sich entscheidend auf die Investition auswirkten. So dass es dazu kam, dass das Projekt nicht mehr umgesetzt wurde.“
Die Umweltorganisationen wollen künftig mehr Daten über die Windparks erheben, um eigene Studien durchführen zu können. Mehr Details dazu bringt Marina Drugă, die Vertreterin der Rumänischen Ornithologen-Gesellschaft:
Die meisten Windparks in der Dobrudscha wurden im Zeitraum 2013-2014 ausgebaut. Damals verfügten wir über viel zu wenige Angaben. Mittlerweile wurde ein Projekt umgesetzt, das die Datenerhebung fördert. Die Daten werden an die Europäische Kommission weitergeleitet. Wir wollen nicht missverstanden werden. Die Rumänische Ornithologen-Gesellschaft wehrte sich niemals gegen den Einsatz oder Ausbau von Windenergie. Doch soll das Vorhaben auf einer Strategie, auf Folgeabschätzungen basieren. Und dort umgesetzt werden, wo es keine negativen Folgen für die Vögel und ihre Lebensräume oder für die Fledermäuse hervorruft.“
Cătălina Dragomir, Vorsitzende des Lenkungsausschusses des Rumänischen Vereins für Windenergie, verdeutlicht, sämtliche Vorhaben im Windenergiesektor gingen von gründlich dokumentierten Umweltverträglichkeitsstudien aus:
Die Investitionen in erneuerbare Energien sind durch die zuständigen Behörden sehr gut dokumentiert worden. Die Abschätzung der Umweltverträglichkeit eines Projektes ist eine der wichtigsten Etappen der Vorarbeit. Je nach Ergebnissen wird entschieden, ob das Projekt umgesetzt wird oder nicht. Die Projekte werden durch örtliche, nationale oder internationale Finanzinstitutionen gefördert. Und sie wollen sicherstellen, dass sich ihre Investition lohnt, daher gehen sie keine Risiken ein und fordern Sicherheitsgarantien. Die Schlussfolgerungen der Umweltverträglichkeitsstudien werden aus diesem Grund ganz genau geprüft. Schon in den ersten Entwicklungsphasen eines Windkraftprojektes werden Umweltbescheinigungen und Umweltverträglichkeitsstudien gefordert. Unabhängige, spezialisierte Unternehmen werden mit der Durchführung beauftragt. Die erarbeiteten Studien werden im Nachhinein von der Umweltschutzbehörde bestätigt. Darüber hinaus können zusätzliche Umweltschutz- oder Überwachungsmaßnahmen während der Entwicklungsphase oder aber während der Einrichtung und des Betriebs angefordert werden. Sobald ein Windpark in Betrieb geht, wird er fortdauernd durch zuständige Gesellschaften überwacht. Dazu werden regelmäßig Berichte an die zuständigen Behörden geschickt. Diese führen eine Risikobewertung durch und identifizieren weitere mögliche Gefahren oder Probleme.“
Die ambitionierten Ziele der Europäischen Union im Hinblick auf die Stromerzeugung durch erneuerbare Energiequellen rechtfertigen keineswegs mögliche negative Auswirkungen auf die Natur. Negative Folgen müssen aufmerksam begleitet und auf ein Minimum reduziert werden. Denn nur so können wir über eine wahrhaftig grüne Energietechnologie sprechen.