Bürgerinitiativen der Eltern: Grow Up Romania
Eine Stadt wie Bukarest, die überfüllt, verschmutzt und von gehetzten Menschen bewohnt ist, welche von den Problemen des städtischen Lebens geplagt werden, kann man nur schwierig als förderlich für die Kindererziehung betrachten.
Christine Leșcu, 25.09.2019, 17:30
Wenn es möglich ist, Bukarest in ein kinderfreundliches Umfeld zu verwandeln, hängt das im hohen Maße vom Engagement der Bürger ab, wie die Initiative Grow Up Romania“ zeigt. Das Projekt Grow Up Romania“ wurde 2016 von einer informellen Gruppe von engagierten Eltern ins Leben gerufen, die bestrebt sind, Bukarest zu einem familienfreundlichen Umfeld zu machen, und sich bewusst sind, dass die in privaten Kreisen geführten Gespräche über die Probleme der unzufriedenen Eltern nicht ausreichen, um Lösungen zu finden. Die Probleme müssen vor die Behörden gebracht werden, deren Aufgabe es ist, die Hauptstadt zum Besseren zu verändern. Zu diesen aktiven Eltern zählen Dana Ostacie und Alma Cazacu, junge Mütter, die neben ihrer regelmäßigen Arbeit und ihren häuslichen Aktivitäten freiwillig andere Eltern mobilisieren, um Maßnahmen zur Lösung gemeinsamer Probleme zu ergreifen. Um welche Probleme es sich handelt, erfahren wir von Alma Cazacu:
Die Bukarester haben es sehr schwer, die Stadt zu durchqueren, von Punkt A nach Punkt B zu gelangen, ohne Müll oder andere Hindernisse auf dem Bürgersteig zu finden, ohne über heruntergekommene Spielplätze zu gehen… Wir haben einen Fragebogen erarbeitet, und dieser wurde von Eltern aus unserer informellen Online-Gruppe ausgefüllt, die sich gegenseitig unterstützen. Das häufigste Problem sind Autos, die in der Fußgängerzone geparkt sind und es den Eltern unmöglich machen, mit dem Kinderwagen sicher zu passieren. 64% der Eltern, die den Fragebogen ausgefüllt haben, geben dies an. Dann sind 57% der Befragten unzufrieden mit dem Mangel an geeigneten, sauberen öffentlichen Toiletten mit hygienischen Wickeltischen für Kinder und mit Räumen, in die ein Kinderwagen passen kann. Das Fehlen von Rampen für Kinderwagen in öffentlichen Verkehrsmitteln wird von 48% der Befragten angegeben. Und 44% beschweren sich über beschädigte und verschmutzte öffentliche Spielplätze, die die Sicherheit und Gesundheit der Kinder gefährden. Wir versuchen, eine Art Brücke zwischen Bürgern zu schlagen, die das Gefühl haben, dass alles von den Behörden gelöst werden muss, ohne dass sie angeben, welche Probleme es gibt. Die Eltern müssen verstehen, dass jedes Problem auf eine bestimmte Weise angesprochen und an die Behörden gemeldet werden muss.“
Es dauerte nicht lange, bis eine beträchtliche Anzahl von Eltern in Bukarest mobil machte und Benachrichtigungen an die Rathäuser der sechs Stadtbezirke der Hauptstadt schickte. Dana Ostacie dazu:
Wir haben es geschafft, 7.000 Mitglieder in der Grow-Up-Romania-Community auf unserer Facebook-Seite zu erreichen. Wir haben auch eine Gruppe von Freiwilligen. Unsere Hauptaufgabe ist es, die Bürger zu mobilisieren, damit sie ihrerseits handeln können. Zunächst versorgen wir die Eltern mit Informationen, zum Beispiel wie man Gesuche oder Beschwerden einreichen kann. Als Erstes haben wir sehr viele Mitteilungen zum öffentlichen Raum eingereicht, und so haben wir herausgefunden, unter welche genaue Adresse jede Anfrage eingehen muss, damit das Schriftstück nicht monatelang von einer Einrichtung zur nächsten weitergeschickt wird. Um den interessierten Bürgern zu helfen, haben wir einen kleinen Leitfaden zusammengestellt, der online verfügbar ist, damit die Übermittlung von Mitteilungen oder Beschwerden vereinfacht wird. In nur fünf Minuten kann man eine E-Mail mit Fotos und Standort einsenden, und es besteht die Möglichkeit, dass das jeweilige Problem berücksichtigt und schnell behoben wird.“
Die Bukarester, die in der Regel von Bürokratie entmutigt werden und gegenüber der Freundlichkeit der Beamten skeptisch sind, wurden doch vom Erfolg der Anfragen von Mitgliedern der Grow-Up-Romania-Community ermutigt. Hier sind einige Beispiele für Situationen, die auf diese Weise gelöst wurden: neu markierte Fußgängerüberwege, Entfernen einer Säule, die mitten in einer Bushaltestelle stand und das Vorbeifahren des Kinderwagens verhinderte, eine neue Beleuchtungsanlage für einen Spielbereich im Park Carol, wo im Winter die Kinder abends nicht spielen konnten, weil es sehr früh dunkel wurde. Mehr dazu von Dana Ostacie:
Es ist wichtig, dass die Leute auf die Lösung ihrer Probleme bestehen. Im Idealfall sollten für dasselbe Problem so viele Meldungen wie möglich geschickt werden. Je mehr Meldungen es gibt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Angelegenheit Priorität bekommt. Mit der heutigen Technik ist es überhaupt nicht schwierig, eine Meldung oder eine Beschwerde einzureichen, insbesondere per E-Mail. Wir mussten nur die Eltern motivieren und ihnen durch positive Beispiele etwas Selbstvertrauen geben. Nachdem wir unsere Erfolge präsentiert und alle Kontaktdaten der Behörden veröffentlicht hatten, habe ich die interessierten Eltern an die jeweiligen Kontaktpersonen weitergeleitet und ihnen Muster von Meldungen für verschiedene Probleme gezeigt. Anschließend sind immer mehr Meldungen an die betreffenden Stellen eingegangen. Wir sind sehr froh, dass die Leute sich engagieren und uns auch Fotos mit ihren Erfolgen schicken.“
Nicht alle Meldungen oder Beschwerden werden schnell gelöst und nicht alle erhalten positive Antworten. Je nach Rathaus oder Abteilung variieren auch die Antworten. Es ist jedoch wichtig, dass der bürgerliche Geist, sobald er wach ist, nicht müde wird. Darüber hinaus müssen sich die Bürger durch bürgerschaftliches Engagement gegenseitig beraten und aufklären. Und zu diesem Zweck hat Grow Up Romania seine eigenen Kampagnen, wie zum Beispiel den Hundekot von der Straße zu entfernen, die Fahrer davor zu warnen, auf dem Bürgersteig zu parken, und grundlegende Hygienevorschriften immer wieder zu wiederholen, damit die Leute nicht vergessen, dass das Wohlergehen ihrer Familien von ihrem eigenen Verhalten, vom Verhalten jedes einzelnen Bürgers abhängt. Alma Cazacu:
Wir haben unser Bestes gegeben, um in unseren Kampagnen nicht aggressiv vorzugehen. Die Meldungen von Eltern an Fahrer, die auf Bürgersteigen parken, sind leider sehr aggressiv. Wir glauben jedoch, dass Bildung nicht aggressiv betrieben werden sollte, und deshalb haben wir einen Handzettel entworfen, in dem erklärt wird, dass es für Eltern mit Kinderwagen und Menschen mit Behinderungen sehr schwierig ist, auf dem Bürgersteig zu laufen. Das Wichtigste ist, die Autofahrer daran zu erinnern, dass sie auch Fußgänger werden, sobald sie aus dem Auto aussteigen. Problematischer war es, mit den Hundebesitzern zu diskutieren, die die Häufchen ihrer Haustiere nicht von der Straße entfernen wollten. Deshalb haben wir Plakate gemacht, um direkte Diskussionen zu vermeiden, und um zu zeigen, dass wir nicht jemanden bestimmten beschuldigen wollten. Wir wollen niemanden beschuldigen, sondern nur den Leuten sagen, dass es nicht richtig ist, die Straßen mit Hundekot zu beschmutzen.“
In naher Zukunft wird Grow Up Romania seine Bemühungen fortsetzen, um Bukarest in eine kinderfreundliche Stadt zu verwandeln, und die Bürger dazu zu bewegen, sich für die Lösung ihrer eigenen Probleme einzusetzen.