Fahrradfahren in Bukarest: nur Mutigen und Erfahrenen zu empfehlen
Während in Europa immer mehr Menschen in Städten und auch kleineren Gemeinden auf das Fahrrad setzen, zeigen sich in Rumänien relativ wenige bereit, auf die Drahtesel umzusatteln. Das hat gute Gründe, wie wir herausgefunden haben.
România Internațional, 26.06.2019, 17:30
Nur 5,3% der Rumänen entscheiden sich, mit dem Fahrrad ins Büro oder zur Schule zu fahren, wie eine Umfrage zeigt. Die Regionale Entwicklungsagentur Südost hat sich dafür mit dem Verein OPTAR zusammengetan, um die Meinung der Menschen zu diesem Thema auszuloten. OPTAR ist eine Abkürzung und steht für Organisation zur Förderung alternativer Beförderungsmethoden in Rumänien — der Verein versucht seit Jahren, das Fahrrad beliebter zu machen. Jetzt wissen wir klar Bescheid, findet OPTAR: Das Auto ist das bevorzugte Verkehrsmittel der meisten Befragten, und der öffentliche Verkehr ist die zweitbeliebteste Option, die von 32,4% der Befragten gewählt wird. Rumänen vermeiden es, mit dem Fahrrad zu fahren — fast 78% von ihnen, weil es keine speziellen Markierungen gibt, 63% wegen aggressiver Fahrer, 51% aufgrund von Hindernisse auf den Fahrradwegen, fast 50% wegen unzureichender Fahrradwege, 49% infolge von Autos, die auf den Fahrradwegen mitfahren und knapp 46%, weil sie Probleme bei Kreuzungen befürchten. Die meisten Befragten betrachten das Radfahren als ein Mittel der Erholung und weniger als ein Mittel des täglichen Transports, sagt Marian Ivan, Präsident von OPTAR:
Es sieht nicht gut aus für das Radfahren. Aber es gibt gute Chancen, denn laut unseren Umfragen gibt es eine große Anzahl von Fahrradbesitzern, die dieses Mittel jedoch mangels einer sicheren Infrastruktur nicht nutzen. Über 80% der Befragten sprachen über Sicherheit, als sie gefragt wurden, warum sie nicht mit dem Fahrrad unterwegs sind. Selbst diejenigen, die sich aufs Fahrrad setzten, sagten häufig, dass es ernsthafte Probleme mit der Fahrradinfrastruktur gibt.“
Andrei, ein 24-jähriger Bukarester, bestätigt das. Er fährt in der Regel mit dem Auto und nur gelegentlich mit dem Fahrrad:
Es ist sehr schwierig, in Bukarest Fahrrad zu fahren, weil es keine Spuren gibt. Wir müssen mit unserem Fahrrad sowohl auf dem Bürgersteig als auch auf der Straße fahren, so dass es auf Schritt und Tritt Gefahren gibt. Wir fahren Seite an Seite mit den Autos. Meistens würde ich lieber mit dem Fahrrad fahren, als zwei Stunden lang nach Hause im Auto zu sitzen, aber es gibt keine Voraussetzungen dafür. Autos fahren und parken sowohl auf der Straße als auch auf dem Bürgersteig und es gibt selbst für Fußgänger keinen Platz.“
Andere Bukarester wie Marian fahren jedoch jeden Tag mit dem Fahrrad — auch wenn sie nicht zufrieden sind:
Es gibt Fahrradwege in Bukarest, aber es werden noch mehr benötigt. Wenn Reparaturarbeiten beginnen oder Bordsteine zu hoch sind, müssen wir vom Fahrrad absteigen, das Hindernis umgehen und dann weiterfahren. Wenn ich im Verkehr mit dem Fahrrad unterwegs bin, muss ich für Sicherheit sorgen. Fahrräder müssen einen Spiegel haben und Fahrer müssen Schutzhelme und Warnwesten tragen. Wir brauchen Schutzkleidung, um Gefahren zu vermeiden. Ich denke, Autos sollten am Stadtrand von Bukarest geparkt werden, damit wir mit dem Fahrrad oder dem Tretroller in der Stadt fahren können und so eine gesündere, weniger verschmutzte und überfüllte Stadt haben.“
Radfahren in Bukarest ist demnach also eine echte Herausforderung. Fahrradfahrer sind gezwungen, zwischen Fußgängern oder Autos zu radeln und Bordsteine zu vermeiden. Nur wenige von ihnen wagen es jedoch, sich dem Stadtverkehr zu stellen, denn dazu braucht man viel Erfahrung und Mut. Allein im Jahr 2018 wurden 44 schwere Unfälle mit Fahrrädern gemeldet.
Auch wenn sich Dienstleistungen für Fahrradverleih und -kauf entwickelt haben, sind die Probleme nach Ansicht der Spezialisten für urbane Mobilität noch lange nicht gelöst. Sie sagen, dass das Hauptproblem bei der Förderung alternativer Verkehrsmittel in der Hauptstadt nicht der Mangel an Fahrrädern ist, sondern das Fehlen eines Radwegenetzes. In Bukarest gibt es nur 6 km Radwege, klagt Marian Ivan von OPTAR:
Zunächst einmal muss ein Netzwerk geschaffen werden, um den Bedürfnissen einer großen Anzahl von Menschen gerecht zu werden, die mit dem Fahrrad durch die Stadt fahren wollen. Dann muss sich dieses Netzwerk schrittweise entwickeln. Ohne dieses Netzwerk ist es unmöglich, dass eine große Anzahl von Menschen ihr Auto aufgeben und sich stattdessen für das Radfahren entscheiden.“
Derzeit arbeiten OPTAR-Spezialisten und auch Spezialisten aus der Entwicklungsregion Südost an der ersten nationalen Strategie zur Förderung der Nutzung von Fahrrädern, um Bukarest zu einer fahrradfreundlichen Stadt zu machen, wie Marian Ivan sagt:
Wir konzentrieren uns jetzt auf diese Strategie, die von denjenigen Behörden genutzt werden kann, die aufgeschlossen genug sind, um zu verstehen, dass Veränderungen in der Art und Weise, wie Menschen sich durch die Stadtgebiete bewegen, notwendig sind. Die Umfrage im vergangenen Monat stimmt uns optimistisch, dass das, was wir jetzt erreichen wollen, später von Kommunalverwaltungen genutzt wird, die sich wirklich an der Lösung solcher Probleme beteiligen werden. Dieses Dokument kann vom Parlament oder vom Entwicklungsministerium übernommen werden, da beide eine Offenheit für die Verwendung der von uns zur Verfügung gestellten Informationen gezeigt haben. Eigentlich ist dies das eigentliche Ziel des Projekts: Alternativen zu dem zu bieten, woran die Zentralverwaltung derzeit arbeitet. Wir treffen uns mit den Bürgern, es wird in jeder Phase des Projekts Debatten geben, und es wird Szenarien geben, aus denen wir eines auswählen werden.“
Ivan hofft, dass eine endgültige Form der Strategie noch in diesem Jahr vorgelegt wird. In der Zwischenzeit hat die Gemeinde Bukarest den Bau eines neuen Radwegenetzes im Zentrum der Stadt in den kommenden sechs Monaten angekündigt. Es wird 4 Spuren entlang von 21 Straßen mit einer Gesamtlänge von 48 km geben. Außerdem werden 420 Fahrradparksysteme über dieses Netzwerk aufgebaut.