Rettungshunde: ein Mensch-Tier-Tandem im Dienste der Menschheit
Für den heutigen Sozialreport haben wir recherchiert, wie in Rumänien die Rettungshundestaffeln ausgebildet werden.
Roxana Vasile, 22.03.2023, 19:20
Die jüngsten Erdbeben in der Türkei und in Syrien im Februar haben eine besondere Kategorie von Rettern in den Blickpunkt der nationalen und internationalen Öffentlichkeit gerückt: gemischte Teams aus Menschen und Suchhunden, die im Fall von Katastrophen bei der Rettung von Verletzten oder der Bergung von Toten zum Einsatz kommen. Liviu Ionescu leitet das Nationale Hundeausbildungszentrum im südrumänischen Craiova. Er selbst war als Freiwilliger in der Türkei im Einsatz und ist einer der rumänischen Experten, die am besten erklären können, warum es wichtig ist, Hunde für Such- und Rettungseinsätze auszubilden:
Im Nationalen Ausbildungszentrum für Hunde versuchen wir seit etwa 30 Jahren, eine Datenbank für Such- und Rettungshunde für alle Spezialgebiete dieser Tätigkeit zu entwickeln, d.h. für Rettungsspürhunde, die Verschüttete unter Trümmern suchen können, die bei Wasserrettung oder bei der Suche nach vermissten Personen in städtischen Gebieten zum Einsatz kommen. Dies sind die Spezialgebiete, die wir in Rumänien entwickeln wollen. Warum das wichtig ist? Weil es neben dem sportlichen Aspekt der Ausbildung von Hunden und der Steigerung ihrer Intelligenz, nicht nur ihrer Schönheit, es auch einen sozialen Aspekt gibt, einen Bedarf an Such- und Rettungshunden in allen Gebieten, Regionen und Städten für jede Art von Notsituation, für natürliche wie menschenverursachte Katastrophen. Deshalb versuchen wir, das Bewusstsein der Bevölkerung, der Tierliebhaber und der Tierzüchter zu schärfen, unabhängig davon, ob sie Mitglieder des rumänischen Kynologenverbandes oder eines Klubs sind, um ihre Hunde auf Eignung testen zu lassen.“
Die Auswahl von Rettungshunden ist sehr hart und und wird unter realistischen Bedingungen getroffen. Unabhängig davon, ob sie von ihren Besitzern zum Testen gebracht werden, weil sie ihre Qualitäten beurteilen wollen, oder ob sie von den Spezialisten des Hundetrainingszentrums selbst entdeckt werden, müssen künftige Rettungshunde sehr strenge Anforderungen erfüllen. Aus diesem Grund können nur maximal 5–10 % der Hunde, die in mehreren Phasen — im Dunkeln, in der Nähe von Feuer, in Höhenlagen usw. — getestet werden, eine Ausbildung zum professionellen Suchhund beginnen, wie Liviu Ionescu weiter erläutert:
Der Vierbeiner kommt in ein Erziehungsprogramm, und je nach seinem Temperament, seinem Charakter, seiner Anpassungsfähigkeit, dem Alter, in dem er anfängt, der Herkunft und der Lebensverhältnisse, seinem Tagesablauf und je nach dem Fachgebiet, dem wir ihn zuführen wollen, kann die Ausbildung 6 Monate oder 2 Jahre dauern. Es gibt Ausbildungsmodule, die auf solche Hunde zugeschnitten sind, und nach 2 Jahren, vielleicht sogar 3 Jahren intensiver Ausbildung, durchlaufen sie einige offizielle internationale Prüfungen und Wettbewerbe, bei denen man ihre wahren Fähigkeiten ermitteln kann. Sie müssen also eine rigorose Ausbildung und Prüfungen durchlaufen, und nachdem sie all diese Prüfungsstufen bestanden haben, können sie in die Nationalmannschaft aufgenommen werden, und von dort aus ist der nächste große Schritt die Teilnahme an der Weltmeisterschaft der Rettungshunde. Dann werden sie in eine internationale Datenbank aufgenommen und können in jeder realen Situation eingesetzt werden.“
Die Tests, die von den Spezialisten für die Hundeausbildung durchgeführt werden, gelten für jede Hundeart, d.h. es gibt keine bestimmte Rasse, die für die Ausbildung zum Rettungshund vorbestimmt ist. Je früher ein Hund getestet wird, sogar schon im Alter von 3 bis 4 Monaten, desto eher kann er in den eigentlichen Ausbildungsprozess einsteigen. Einmal ausgebildet, ist er bereit zu handeln. Doch was kann ein Retter auf vier Beinen alles leisten? Nach Angaben des Präsidenten des Nationalen Hundeausbildungszentrums ist der Hund beispielsweise in extrem heiklen Situationen in der Lage, in in bis zu 3 Metern Tiefe vorzudringen, etwa in Fällen, in denen selbst hochleistungsfähige elektronische Audio- und Videosysteme nicht eingesetzt werden können. Theoretisch kann ein Such- und Rettungshund für vermisste Personen beispielsweise ein Areal von 50 000 m² in 20 Minuten abstecken, und zwar mit mindestens der dreifachen Effizienz eines professionellen menschlichen Teams. In einem Mensch-Hund-Tandem ändert sich dieses Kräfte-Verhältnis zu Ungunsten des Menschen, weshalb eine nahezu perfekte Kompatibilität der menschlichen Retter mit den Hunden erforderlich ist. Obwohl rumänische Suchhunde auf internationalen Wettbewerben vielfach ausgezeichnet wurden, läuft noch nicht alles rund in der Ausbildung, gibt Liviu Ionescu zu bedenken:
In Rumänien stecken wir noch in den Kinderschuhen in diesem Bereich. Während andere Länder bereits vor den beiden Weltkriegen mit der Ausbildung von gemischten Mensch-Hund-Rettungsteams begonnen haben, so kann man hierzulande erst ab Ende der 1980er und 1990er Jahre und von einer ernsthaften Entwicklung gemäß den internationalen Standards sprechen. Das Nationale Hundeausbildungszentrum verfügt über eine Datenbank mit etwa 30 Such- und Rettungshunden. Das Problem ist, dass der beste Freund des Menschen in jeder Familie, in die er kommt, unbewusst zum Therapeuten wird und leider eine viel kürzere Lebenszeit und vor allem eine noch kürzere aktive Zeitspanne hat. Bei uns werden Mensch und Hund für jede Art von Katastrophen ausgebildet. Leider können die Vierbeiner uns nur bis im Alter von 7, 8, vielleicht 9 Jahren in Notsituationen helfen. Wir sind in einem ständigen Wettlauf um die Erweiterung der nationalen Suchhundestaffel. Wenn Sie dazu imstande sind, helfen Hunde dem Menschen bedingungslos, selbst wenn sie schon 14 Jahre alt sind. Wir müssen jedoch auch auf ihre Gesundheit achtgeben, daher sind sie meistens im Alter von 3 bis höchstens 9 Jahren optimal als Rettungshunde einsetzbar.“
Nach den verheerenden Erdbeben in Syrien und der Türkei wurde klar, dass eine weltweit bessere Koordinierung der Rettungseinsätze — einschließlich mit Suchhunden — notwendig ist, sagt zum Schluss noch Liviu Ionescu, der Leiter des rumänischen Zentrums für die Ausbildung von Rettungshunden, der zugleich Chef der einschlägigen Kommission bei der Fédération Cynologique Internationale (FCI), dem größten kynologischen Dachverband mit Sitz in Belgien ist:
Wir befinden uns mitten in einem Programm zur Neuausrichtung, zum Überdenken der Interventionsstrategie, zur Kommunikation und zur gemeinsamen multinationalen Ausbildung. Ich koordiniere dieses Programm weltweit und beobachte dabei die Anwendbarkeit, die Geschwindigkeit, die Intensität, die Aufnahmefähigkeit des menschlichen Denkens in bestimmten Regionen der Welt, und es freut mich, dass wir beginnen, in solchen realen Situationen effektiver zu werden und die sportliche Schwelle zu überschreiten, denn bis zum Erdbeben in der Türkei galt die Weltmeisterschaft als das wichtigste Ereignis. Die Kynologie entwickelt sich schlagartig wie die Informatik, es geht alles sehr schnell. Man muss zukunftsorientiert denken und sich fragen, wie sich die Leistung der Rettungshundestaffeln in 5 oder 10 Jahren entwickeln wird, denn ich glaube nicht, dass Erdbeben oder unvorhergesehene Situationen mit vermissten Personen in Zukunft nachlassen werden. Wir müssen auf jede Art von Einsatz vorbereitet sein, bei dem speziell trainierte Hunde zu echten Rettungshelfern werden können. Nach den Ergebnissen, die wir bei den letzten drei Ausgaben der Weltmeisterschaften des Internationalen Hundezüchterverbandes erzielt haben — Rumänien ist Vizemeister und Weltmeister, zum Beispiel in der Sektion »Fährtenaufnahme« — haben wir eine Visitenkarte, wir haben einige Ergebnisse, die sich zeigen lassen. Es ist klar, dass Rumänien und unser Zentrum in Craiova ein wichtiger Standort in der Ausbildung der Rettungshunde auf weltweiter Ebene ist.“