Zukunftsberufe: rumänische Schulen kaum vorbereitet auf 4.0-Technologie-Gesellschaft
Laut einer aktuellen Umfrage wollen die meisten jungen Menschen in Rumänien in der IT-Branche arbeiten. Doch rumänische Schulen bieten ihnen heute kaum den Rahmen, um sich auf die Berufe der Zukunft vorbereiten zu können.
România Internațional, 21.08.2019, 17:30
Die rumänischen Gymnasiasten wissen sehr gut, sich mit der Welt zu vernetzen. Sie wissen, dass die digitale Revolution die Welt verändern wird und dass in den nächsten Jahrzehnten aufgrund neuer Technologien und wirtschaftlicher Entwicklungen neue Arbeitsplätze entstehen werden, für die sie sich vorbereiten und einarbeiten müssen. Laut einer Umfrage der Initiative INACO — der Initiative für Wettbewerbsfähigkeit als Teil des Projekts Leitfaden für Zukunftsjobs — möchten die meisten Studenten in der Informationstechnologie arbeiten, so Verbandspräsidentin Andreea Paul:
Zwei von drei Studenten glauben, dass die Jobs der Zukunft in den Bereichen Computer und Robotik, künstliche Intelligenz und 3D-Druck liegen. Davon träumen die rumänischen Jugendlichen. Natürlich hat der Leitfaden für Zukunftsjobs ihnen neue Möglichkeiten eröffnet. Dieser hat ihnen geholfen, die Auswirkungen der neuen 4.0-Technologien auf den Arbeitsmarkt zu verstehen und nachzuvollziehen, dass sie in allen Bereichen von Kunst bis Medizin anwendbar sind. Die Schüler haben verstanden, dass ihr Leben einfacher wird, sie werden intelligenter, kreativer arbeiten und neue Fähigkeiten auf dem zukünftigen Arbeitsmarkt brauchen. Was für mich in dieser Umfrage überraschend ist: dass neben IT und Medizin, die für junge Leute sehr attraktiv erscheinen, sich viele junge Menschen für Jobs bei der Polizei und der Armee interessieren. Der Anteil ist hier doppelt so hoch wie jener der Jugendlichen, die gerne im Bildungsbereich arbeiten würden. Diese Umfrage ergab, dass sie sich auch exotischere Jobs wünschen, wie Drohnenpilot und Weltraum-Bergarbeiter. Ich denke, dies ist aus dem Leitfaden für Zukunftsjobs inspiriert, aber sicher ist, dass sie uns ein klares Signal gegeben haben, dass Bildung heute von den Bedürfnissen des zukünftigen Arbeitsmarktes total abgetrennt ist.“
Experten des INACO-Verbandes glauben, dass Rumänien in Bezug auf die Ausbildung völlig unvorbereitet auf die Zukunft ist. Mit dem Leitfaden für Zukunftsjobs, der im vergangenen Jahr im Herbst herausgegeben wurde, möchte die INACO-Expertengemeinschaft den jungen Menschen zeigen, wie sich die Welt in den nächsten Jahren verändern wird, in welchen Bereichen neue Arbeitsplätze entstehen werden, aber auch die besten Vorhersagen über die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt vorstellen. Einige Schulen wurden bereits mit neuen Technologien ausgestattet, und das Projekt wird fortgesetzt, sagte Andreea Paul:
Wir befinden uns in einem fortgeschrittenen Stadium in unseren Gesprächen mit der Schulinspektion in Bukarest, um die ersten intelligenten 4.0-Labore in Bukarest einzurichten. Wir denken, dass wir in 18 Schulen solche Einheiten einrichten werden, und sogar in Constanţa und Călăraşi. Ein SMART LAB 4.0 muss über sechs 3D-Drucker, einen 3D-Scanner, zwei multifunktionale Schulungsroboter, Virtual-Reality-Einheiten mit der zugehörigen Software und die für das erste Funktionsjahr erforderlichen Verbrauchsmaterialien sowie die Wartung für das erste Jahr verfügen. Die Ausbildung von Lehrern ist von wesentlicher Bedeutung und laut unseren Erwartungen werden für jede an dem Programm beteiligte Bildungseinrichtung drei Lehrkräfte erforderlich sein. Der zweite Schritt, der diesmal vom Bildungsministerium unternommen werden muss, besteht darin, so schnell wie möglich eine Arbeitsgruppe für Zukunftsbildung zu bilden. Dadurch werden wir im nächsten Jahr die Möglichkeit haben, über ein nationales Programm zur Ausstattung der Schulen mit den neuen Technologien zu sprechen: Smart Labs 4.0 sind heute genauso wichtig wie klassische Physik-, Chemie-, IT-, Geographie- oder Biologielabors, an die wir an rumänischen Schulen gewöhnt sind.“
Auch der Bildungsexperte Marian Staş glaubt, dass das rumänische Bildungssystem geändert werden muss, um eine attraktivere Schule zu schaffen, in der die Schüler motiviert und leidenschaftlich lernen:
Die Schule funktioniert wie ein Auto mit gezogener Handbremse, sie ist für die tatsächlichen Bedürfnisse der Gesellschaft und der einzelnen Kinder sehr unzureichend. Ich beziehe mich hier auf zwei unterschiedliche Dimensionen: Hochschulbildung und voruniversitäre Bildung. Vielleicht ist Hochschulbildung etwas fokussierter, auch wenn ich meine Vorbehalte dazu habe, aber die voruniversitäre Ausbildung hat definitiv nichts mit den tatsächlichen Entwicklungsbedürfnissen der Kinder zu tun, sondern ist ein von der Gewerkschaft entworfenes Bildungssystem, das im alten, kommunistischen Paradigma festgehalten wird, ohne Beziehung zu den echten, realen Bedürfnissen der Gesellschaft und der jungen Leute. Die voruniversitäre Ausbildung ist so konzipiert, dass die Lehrkräfte ihre Lehrnormen durchziehen und Gehälter erhalten, ohne an das Wohl der Kinder zu denken. Daher auch dieser Unsinn mit 15, 16 oder 18 Fächern pro Semester, daher der Unsinn mit dem bezahlten Nachhilfeunterricht für die Kinder, daher der Unsinn mit der nationalen Bewertungsprüfung in der 8. Klasse, die eigentlich nur eine Förmlichkeit ohne Substanz ist, weil der Stoff trivial einfach ist und die Bewertungen daher keine aussagenden Ergebnisse liefern.“
In Rumänien beteiligen sich nur 3% der Schüler an Schulolympiaden, 42% von ihnen verstehen nicht, was sie lesen, und die Abbrecherquote ist eine der höchsten in der EU. Die zum vierten Mal in dieser Position ernannte neue Bildungsministerin will vorerst die Reformen mit einem neuen Bildungsgesetz fortsetzen. Man redet unter anderem darüber, auf die einheitlichen Lehrbücher zu verzichten. Außerdem soll ein Übergang zu einem differenzierten Abitur oder zu Klausurprüfungen stattfinden.