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Wehrfähigkeit: Kommt der freiwillige Wehrdienst?

Angesichts des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine und der unverhohlenen Drohungen Putins gegen den Westen wird auch in Rumänien in letzter Zeit über die Wehrfähigkeit des Landes diskutiert.

Foto: Agenția Media a Armate
Foto: Agenția Media a Armate

und , 28.02.2024, 17:30

 

RadioRomaniaInternational · Wehrfähigkeit: Kommt der freiwillige Wehrdienst?

Befeuert hatte die Diskussion der Generalstabschef der rumänischen Streitkräfte, der mit ungewöhnlich deutlichen Worte Politik und Öffentlichkeit aufhorchen ließ. In einem Interview mit einem Radiosender hatte er unlängst gesagt, dass die rumänische Bevölkerung durchaus einen Grund zur Besorgnis haben sollte und dass der Staat seine Bürger auf ein unerwünschtes Szenario wie einen Krieg vorbereiten müsste. General Gheorghiță Vlad hatte auch darauf hingewiesen, dass der Truppenbestand der Streitkräfte zahlenmäßig bei weitem nicht ausreiche und dass die Reservisten zu alt seien, um im Falle eines Krieges an der Front zu kämpfen.

Die Politik reagierte unwirsch auf die Einlassungen des Generals – mehrere Politiker bezeichneten ihn als einen Panikmacher, der seine Befugnisse überschritten habe. Doch im Stillen müssen sie ihm wohl zugestimmt haben, denn derzeit arbeitet die Politik an der Aktualisierung der Rechtsvorschriften über die öffentliche Wehrbereitschaft. Ein Gesetzentwurf, der bereits 2019 vom Verteidigungsausschuss initiiert worden war befindet sich seit 2022 im interministeriellen Genehmigungsverfahren. Darin wird vorgeschlagen, dass Personen zwischen 18 und 35 Jahren mit ständigem Wohnsitz in Rumänien unabhängig von ihrem Geschlecht auf freiwilliger Basis an einem maximal viermonatigen militärischen Grundausbildungsprogramm teilnehmen können. Dort können sie den Umgang mit verschiedenen Waffentypen erlernen sowie an Feldorientierungs-, Dekontaminations- und Erste-Hilfe-Kursen teilnehmen. Während dieser Zeit erhalten sie kostenlose Unterkunft, Verpflegung und Ausrüstung sowie ein monatliches Entgelt in Höhe von umgerechnet rund 600 €, was dem Sold der dienenden Soldaten entspricht.

Am Ende des Programms gibt es einen Bonus von drei Bruttodurchschnittsgehältern. Auch Studenten könnten Praktika absolvieren, um grundlegende militärische Fähigkeiten zu erwerben, wenn sie dies während der Universitätsferien wünschen. Alle, die ein freiwilliges Ausbildungsprogramm absolvieren, würden entweder die Mobilisierungsreserve der rumänischen Streitkräfte aufstocken oder könnten an einem Auswahlverfahren teilnehmen, um Berufssoldaten mit einem Arbeitsvertrag in der Armee zu werden.

Das Militär macht sich nach wie vor stark für die militärische Ausbildung auf Volontariatsbasis, während die Politik beteuert, dass es keineswegs um die Wiedereinführung der Wehrpflicht geht. Und Premierminister Marcel Ciolacu beschwichtigt, dass von Russland keine unmittelbare Gefahr für Rumänien ausginge:

Jedes Land muss auf das Schlimmste vorbereitet sein. Es gibt aber keinen Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine, denn von Russland kommt derzeit keine Bedrohung. Wir müssen also ein normales Land sein und vorsorglich auf eine freiwillige und bezahlte militärische Ausbildung zählen, in der die Bevölkerung die Grundsätze der Verteidigung lernt. Es muss also allen klar sein, dass der Krieg vor der Haustür keine Bedrohung für Rumänien ist. Es wird keinen Krieg gegen Rumänien geben!“

Das Gesetz über den freiwilligen Wehrdienst soll bis Juni vom Parlament verabschiedet werden. Rumänien hat derzeit einen Mangel sowohl an aktiven Soldaten als auch an Reservisten. Das Land könnte sich im Bedarfsfall auf etwa 70 000 aktive Kader und Berufssoldaten stützen, während es in den 1990er Jahren noch mehr als 300 000 waren. Die natürlich alternde Reserve setzt sich hauptsächlich aus den Menschen zusammen, die bis 2007 ihren Wehrdienst geleistet hatten, als die Wehrpflicht im Zuge des Nato-Beitritts ausgesetzt wurde. In einem Interview mit Radio Rumänien erklärte Generalleutnant a.D. Virgil Bălăceanu, Präsident der rumänischen Vereinigung der Reserveoffiziere, wie es zur heutigen Situation gekommen ist:

Länder wie Polen haben seit der Aussetzung der Wehrpflicht den Bedarf an einer frischen, jungen und ständig ausgebildeten Reserve erkannt. In Rumänien hingegen spielte die Reserve nach der Aussetzung der Wehrpflicht keine Rolle mehr. Die politischen Maßnahmen sind in dieser Phase überfällig, und ich möchte Ihnen ein Beispiel geben, das dies belegt. Polen hat das Gesetz über die freiwilligen Reservisten im Jahr 2009 verabschiedet, als es die Wehrpflicht aussetzte. Rumänien führte ein solches Gesetz erst zehn Jahre nach Aussetzung der Wehrpflicht ein. Und jetzt erleben wir eine zweijährige Verzögerung bei der Verabschiedung eines Gesetzes über die Vorbereitung der Zivilbevölkerung auf die Verteidigung. Und ebenso haben wir eine Verzögerung bei der Einführung der freiwilligen und bezahlten Militärausbildung, was als unverantwortlich bezeichnet werden muss. Die Dinge sind in gewisser Weise auf das Missverständnis zurückzuführen, das sowohl in der Politik als auch bei einigen Spitzenvertretern der Streitkräfte nach der Aussetzung der Wehrpflicht herrschte, nämlich dass die Reserve nicht notwendig sei, dass die Reservisten nicht mehr so wichtig seien. Es ist höchste Zeit, dies zu ändern, und nur die verantwortungsvolle Position von General Vlad, dem Generalstabschef, hat nun einen Prozess in Gang gesetzt, der schon vor zwei Jahren hätte beginnen sollen.“

 

Eine auf der Straße durchgeführte Blitz-Umfrage unter Jugendlichen zeigt, dass die Meinungen sehr auseinanderdriften und die Kampfeslust sich eher in Grenzen hält:

Es ist meine Heimat, ich würde also wahrscheinlich kämpfen, wenn es darauf ankommt.“ „Na klar würde ich für mein Land kämpfen, hier haben alle meine Vorfahren gelebt.“ „Ich würde nicht zur Waffe greifen, würde mich irgendwie drücken, weil ich Angst vor dem Krieg habe.“ „Ich wünschte, dass wäre nicht notwendig, aber wenn’s darauf ankommt, werde ich sehen.“ „Ich bin eher ein Pazifist, aber wenn mich das Land braucht, werde ich dafür einstehen.“

Eine kürzlich durchgeführte professionelle Umfrage unter der Gesamtbevölkerung zeigt ein ähnlich gemischtes Bild. Die Mehrheit der Rumänen (71 %), ist der Meinung, dass die rumänische Armee im Falle eines Angriffs nicht in der Lage wäre, das Land zu verteidigen. Auf die Frage, ob sie bereit wären, an militärischen Ausbildungskursen teilzunehmen, stimmten 37 % der Befragten zu, 57 % lehnten dies ab. Bei der gleichen Frage sind 14 % der 18- bis 35-Jährigen dafür, während 77 % dagegen sind. Und 69 % der Gesamtbevölkerung glauben, dass das Nordatlantische Bündnis zu Hilfe kommen würde, da die NATO-Mitgliedschaft Rumänien die stärksten Sicherheitsgarantien in der Geschichte des Landes gewährleistet. Militärexperten weisen jedoch darauf hin, dass Rumänien zwar Teil des Bündnisses ist, die Nato aber im Falle einer Gefahr nicht wie bei einem Anruf über die Notrufnummer 112 reagieren könne, um innerhalb von Minuten einzugreifen.

(foto: Anqa / pixabay.com)
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