RRI Live!

Hören Sie Radio Rumänien International Live

Museum des kommunistischen Konsumenten: Alltag aus Gegenständen rekonstruiert

Einen Blick zurück in die kommunistische Vergangenheit zu werfen, allerdings ohne Zorn – das nahmen sich die Gründer des Museums des kommunistischen Konsumenten vor, als sie das erste derartige Museum in Osteuropa eröffneten.

Museum des kommunistischen Konsumenten: Alltag aus Gegenständen rekonstruiert
Museum des kommunistischen Konsumenten: Alltag aus Gegenständen rekonstruiert

, 27.11.2018, 17:30

Das Motto Liebe Genossen, besucht Eure Vergangenheit!“ lädt auf eine Reise in die sogenannte Goldene Epoche“ ein, wie die Zeit der Ceauşescu-Diktatur in der kommunistischen Propaganda bezeichnet wurde. Konkret handelt es sich um einen Besuch ins Museum des Kommunistischen Konsumenten in Timişoara (dt. Temeswar). Es ist ein interaktives Museum — die Besucher können sehen, hören und spüren, wie die Wohnungen der Menschen vor 30 Jahren, zu Zeiten des Kommunismus, eingerichtet waren.



Das Museum wurde 2015 gegründet. Zahlreiche in- sowie ausländische Gäste besuchten es mittlerweile. Der Zutritt ist frei, allerdings werden die Besucher zu Schenkungen aufgefordert — sowohl in Form von Geld wie auch von Gegenständen. Mehr über die Entstehungsgeschichte des Museums erfahren wir von Ovidiu Mihăiţă, einem der Mitbegründer:



Es war eine Lücke, die ich und ein paar Freunde schlie‎ßen wollten. Schon seit unserer Kindheit sammelten wir verschiedene Gegenstände und schnüffelten im Dachboden oder auf Jahrmärkten nach altem Zeug herum. Mit der Zeit spürten wir, dass etwas verloren ging, dass allmählich eine Welt unterging. Die Leute schmissen alte Gegenstände weg. Wir dachten, wir müssen sie retten. Und wir starteten gemeinsam dieses Projekt. Wir öffneten die Tür zu unserer Wohnung. In Wirklichkeit, zogen wir aus der Wohnung, in der wir wohnten, aus und verwandelten sie in das Museum des Kommunistischen Konsumenten, das heute von jedermann besucht werden kann.“




Nach 5 Jahren, in denen verschiedene Gegenstände gesammelt wurden, reiche der Ausstellungsraum nicht mehr aus, so Ovidiu Mihăiţă:



Die Wohnung liegt im Untergeschoss eines Gebäudes. Es ist ein Haus aus den 1930er Jahren. Im gleichen Gebäude eröffnete vor zehn Jahren das erste unabhängige Theater der Stadt, »Auăleu«, das unterdessen zum beliebtesten Underground-Theater in Temeswar wurde. Hier ist auch das Lokal »Scârţ — loc lejer« untergebracht. Das Gebäude liegt zentral in der Stadt. Es wird von vielen Touristen aufgesucht. Die von uns eingerichtete Wohnung sieht wie eine typisch kommunistische Wohnung aus — mit Kinderzimmer, Wohnzimmer, Küche, Abstellraum. Und in jedem Zimmer können die Besucher für die damalige Zeit spezifische Gegenstände sehen. Im Kinderzimmer sind verschiedene Spiele und Spielsachen, Schulsachen, Hefte, Schultaschen, ein Schreibtisch zu sehen. Es sind viel mehr Gegenstände ausgestellt, als die Rumänen früher in der Regel in ihren Wohnungen hatten. Der Raum ist ganz voll, überbewohnt, sozusagen. Denn wir haben fünf Jahre lang Gegenstände gesammelt. Und seit der Eröffnung des Museums sind weitere dreieinhalb Jahre verstrichen. Viele Besucher bringen uns weitere Gegenstände, die sie zu Hause finden, um sie hier auszustellen. Wir nehmen Spenden auch über die Post entgegen. Die Leute erscheinen im Hof mit Schränken oder Fernseh- und Radiogeräten. Und der Raum wird etwas erdrückend. Doch mir gefällt es. Denn es ist gegen die aktuelle Tendenz in Museen, wo ein einziger Gegenstand an einer wei‎ßen Wand ausgestellt wird. Und das Präsentationsschild neben dem Gegenstand ist grö‎ßer als der Gegenstand für sich. In unserem Museum ist es genau umgekehrt. Hier gibt es keine Erläuterungen zu den ausgestellten Exponaten. In der Regel können die Besucher die Gegenstände anfassen, sie können durch Regale und Schränke herumschnüffeln. Das gefällt den meisten von ihnen.“




Die Besucher haben die Möglichkeit, die ausgestellten Gegenstände zu berühren, sie können mit ihnen frei herumhantieren. Diese Interaktion zwischen Besucher und Exponat löse unterschiedliche Reaktionen bei den Gästen aus, so unser Gesprächspartner:



Die junge Generation wei‎ß nicht, worum es geht. Sie kennen diese Welt nicht. Sie leben schon seit ihrer Geburt in gut ausgestatteten Wohnungen, haben schon immer einen Plasma-Fernseher gehabt. Viele wissen nicht, dass wir früher Telefone mit Wählscheibe verwendeten. Für uns ist das selbstverständlich. Die Vertreter der Generation, die den Kommunismus erlebte, haben alle die gleiche Reaktion. Sie rufen aus: ‚So etwas hatte ich auch zu Hause!‘ oder ‚Hier riecht es wie in Omas Wohnung!‘. Diese Ausrufe hören wir am häufigsten während der Führungen durchs Museum. Darüber hinaus reagieren die Rumänen anders als die ausländischen Besucher. Eine grö‎ßere Empathie zeigen die Gäste, die aus dem ehemaligen Ostblock kommen, also die Tschechen, die Polen, die Russen. Die Chinesen dagegen reagieren völlig anders. Manche von ihnen weinen sogar. Wir konnten nicht begreifen, was das in sie auslöst. Und es gibt noch die Touristen aus dem Westen, Franzosen, Deutsche, die die Ausstellung mit Abstand betrachten. Sie verstehen die Epoche nicht. Es ist interessant festzustellen, wie sich die Menschen auf die Vergangenheit beziehen, je nach Abstand zu den Geschehnissen.“




In den wegen der alten Gegenstände muffigen Räumen mit typischen Möbelstücken jener Zeit hat sich vieles angesammelt, das von dem Gründer und seinen zahlreichen Helfern vor der Mülltonne gerettet wurde, aber auch etliches aus den privaten Schenkungen am laufenden Band: die berüchtigten Raphia-Einkaufstüten für das Schlangestehen, Flaschen jeder Art, von den alten Milchflaschen bis zu den vielen Alkoholflaschen, Citro-Flaschen und bauchige Sodawasserflaschen, Amiral- und Carpaţi-Zigaretten, alte Fernseher (gar das erste Modell Cosmos“, 1963), Plattenspieler, Schallplatten, Bücher, Plakate, Radios, Turist-Trinkgläser, Larex-Schampoo, Cheia-Seife, Kleidung, zahlreiche der so beliebten Arădeanca-Puppen und, nicht zu vergessen, etliche Verkaufsschlager vom Schwarzmarkt jener Jahre, nämlich Waren aus Jugoslawien. Laut Internetstatistiken sei das Temeswarer Museum des Kommunistischen Konsumenten das meistbesuchte Museum der Stadt. Mehr dazu von Ovidiu Mihăiţă:



Manche Leute verbringen acht Stunden im Museum, andere wiederum verlassen es nach lediglich 5 Minuten. Manche bleiben für eine längere Zeit, sie hören Musik, blättern durch verschiedene Zeitschriften, spielen mit den ausgestellten Spielsachen. Andere schauen sich die Exponate in Eile an, sind froh, den Besuch abgehackt zu haben, checken auf Facebook ein und das war‘s schon.“




Das Museum des kommunistischen Konsumenten frischt in unserer schnellen Wegwerfgesellschaft von heute die versunkenen Erinnerungen, das kollektive Gedächtnis dieser Epoche konkret auf. Das geschieht mittels typischen Gegenständen des sozialistischen Alltags. Dadurch wird auch die Vergangenheit verarbeitet. Und die junge Generation erhält einige Vergleichsma‎ßstäbe.

fb.com / Fundația Calea Victoriei
Rumänien einmal anders Donnerstag, 11 Dezember 2025

Die Stiftung „Calea Victoriei“ – Kultur für Alle

Ein Raum für Mentoren und kritisches Denken Vor 18 Jahren gegründet, hat sich die Stiftung „Fundaţia Calea Victoriei“ zur Aufgabe gemacht,...

Die Stiftung „Calea Victoriei“ – Kultur für Alle
Foto CFR Călători
Rumänien einmal anders Freitag, 05 Dezember 2025

Die Legende des „Țuicarul“-Zuges

Die Strecke ist laut der Nationalen Eisenbahngesellschaft CFR SA rund 74 Kilometer lang. Wir haben die Geschichte dieses ikonischen Zuges von dem...

Die Legende des „Țuicarul“-Zuges
Google Romania, da 15 anni accanto ai romeni!
Rumänien einmal anders Donnerstag, 27 November 2025

15 Jahre Google Rumänien: Ein Zentrum für Innovation und Digitalisierung

Es gibt Programme für Studierende, Unternehmer, NGOs und die öffentliche Verwaltung, durch die insgesamt über 500.000 Studierende in digitalem...

15 Jahre Google Rumänien: Ein Zentrum für Innovation und Digitalisierung
Foto: pixabay.com
Rumänien einmal anders Freitag, 21 November 2025

Das Leben des Kimonos in Rumänien

Diese Beschäftigung mit der Materie wurde zu einer echten Entdeckung der japanischen Kultur, der Kunst des Kimono-Tragens und vieler weiterer...

Das Leben des Kimonos in Rumänien
Rumänien einmal anders Freitag, 14 November 2025

Meridian-Festival – 20 Jahre im Zeichen der zeitgenössischen Musik

Die Eröffnung des Festivals fand dieses Jahr zeitgleich in den vier Gastgeberstädten statt: Bukarest, Cluj, Iași und Timișoara. Dort gab es...

Meridian-Festival – 20 Jahre im Zeichen der zeitgenössischen Musik
Rumänien einmal anders Donnerstag, 06 November 2025

Der Theater-Club

Die Menschen gehen gerne und immer häufiger ins Theater – das ist kein Thema. Ohne uns in eine tiefere Analyse zu stürzen, können wir...

Der Theater-Club
Rumänien einmal anders Montag, 03 November 2025

Wie werde ich Rallye-Pilot?

Mihai Alexandrescu: In seiner Jugend Ingenieur, in seiner Studienzeit, von ’76 bis ’83, bereits Rennfahrer. Als er seine alte...

Wie werde ich Rallye-Pilot?
Rumänien einmal anders Donnerstag, 23 Oktober 2025

Wieder einmal um die Welt

Die Geigerin Diana Jipa und der Pianist Ștefan Doniga, die erst Anfang des Jahres Musikgeschichte schrieben, als sie in einem wahren Weltrekordtempo...

Wieder einmal um die Welt

Partner

Muzeul Național al Țăranului Român Muzeul Național al Țăranului Român
Liga Studentilor Romani din Strainatate - LSRS Liga Studentilor Romani din Strainatate - LSRS
Modernism | The Leading Romanian Art Magazine Online Modernism | The Leading Romanian Art Magazine Online
Institului European din România Institului European din România
Institutul Francez din România – Bucureşti Institutul Francez din România – Bucureşti
Muzeul Național de Artă al României Muzeul Național de Artă al României
Le petit Journal Le petit Journal
Radio Prague International Radio Prague International
Muzeul Național de Istorie a României Muzeul Național de Istorie a României
ARCUB ARCUB
Radio Canada International Radio Canada International
Muzeul Național al Satului „Dimitrie Gusti” Muzeul Național al Satului „Dimitrie Gusti”
SWI swissinfo.ch SWI swissinfo.ch
UBB Radio ONLINE UBB Radio ONLINE
Strona główna - English Section - polskieradio.pl Strona główna - English Section - polskieradio.pl
creart - Centrul de Creație Artă și Tradiție al Municipiului Bucuresti creart - Centrul de Creație Artă și Tradiție al Municipiului Bucuresti
italradio italradio
Institutul Confucius Institutul Confucius
BUCPRESS - știri din Cernăuți BUCPRESS - știri din Cernăuți

Mitgliedschaften

Euranet Plus Euranet Plus
AIB | the trade association for international broadcasters AIB | the trade association for international broadcasters
Digital Radio Mondiale Digital Radio Mondiale
News and current affairs from Germany and around the world News and current affairs from Germany and around the world
Comunità radiotelevisiva italofona Comunità radiotelevisiva italofona

Provider

RADIOCOM RADIOCOM
Zeno Media - The Everything Audio Company Zeno Media - The Everything Audio Company