Die Legende des „Țuicarul“-Zuges
Wir nehmen Sie heute mit auf eine Reise in die Vergangenheit des Buzău-Tals in Rumänien. Ein Ort, der heute mit seiner reinen Luft punktet, da die Industrie längst abgewandert ist. Doch zu Beginn des letzten Jahrhunderts boomte die Region wirtschaftlich. Dies führte zum Bau einer Eisenbahnstrecke, die in der Ära als lebensnotwendig galt: die Verbindung von Buzău nach Nehoiașu. Berühmt wurde sie durch ihren Zug: den legendären „Țuicarul“.
Ana-Maria Cononovici und Adina Olaru, 05.12.2025, 10:35
Die Strecke ist laut der Nationalen Eisenbahngesellschaft CFR SA rund 74 Kilometer lang. Wir haben die Geschichte dieses ikonischen Zuges von dem Schriftsteller Doru Brătulescu erfahren, einem echten Kenner der regionalen Historie.
Eine Lebensader für das Buzău-Tal
„Der wichtigste Motor für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung des Buzău-Tals – einem der bedeutendsten Täler der Walachei – war der Bau der Eisenbahnlinie Buzău–Nehoiașu. Sie war de facto die am häufigsten genutzte Transportmethode und bei ihrer Inbetriebnahme von vitaler Notwendigkeit. Warum vital? Weil die Entwicklung der Siedlungen und der Industriezweige – Holz, Textil, Bauwesen, Bergbau und Öl – maßgeblich von dieser Bahn abhing.
Sie wurde von der Marmorosch Blanc & Comp Bank gebaut, nachdem sie die Konzession im März 1907 vom Ministerium für öffentliche Arbeiten erhalten hatte, bestätigt durch ein damaliges Königlich Dekret. 1909 wurde die Strecke mit dem Endpunkt Nehoiașu, die sich über 74 bis 75 Kilometer erstreckt, fertiggestellt und für den Betrieb freigegeben.
Ebenfalls 1909 – und das ist sehr wichtig! – wurden die Postdienste eingeführt. Das war die größte Errungenschaft dieser Zeit! Deshalb hatte der ‚Țuicarul‘ eine Lokomotive und den ersten Waggon als Postwagen. Man konnte selbst zum Postwagen gehen, seinen Umschlag in einen kleinen Kasten werfen, sogar Pakete aufgeben.“
Die Herkunft des Spitznamens
Ursprünglich war der Zug für den Holztransport von Nehoiașu und Nehoiu aus konzipiert. Doch mit der Zeit entwickelte er sich zu einem langen Zug mit vielfältigen Waggons. Unser Gesprächspartner, Doru Brătulescu, erklärte uns auch die Herkunft des ungewöhnlichen Spitznamens:
„Warum nannte man ihn den ‚Țuicarul‘? Nun, das gesamte Buzău-Tal galt als eines der Täler, in denen es in jedem Hof eine Pflaume gab, oft sogar ziemlich große Pflaumenplantagen. Es gab kein Haus ohne einen Pflaumengarten. Und die meisten stellten aus den Pflaumen Țuică her – diesen traditionellen Pflaumenschnaps. Und die meisten Zugreisenden nahmen ihre Țuică in der Tasche mit, sei es zu einer Hochzeit oder zu anderen Anlässen, wo sie zu tun hatten. Sie hatten immer einen kleinen Kanister oder eine Flasche dabei. Und es wurde sogar im Zug getrunken. Besonders die Pendler, die von Buzău nach Hause fuhren. Als Trinkbecher benutzte man die Glas-Kugeln, die die Glühbirnen im Waggon bedeckten: Man schraubte sie ab, trank, und wenn man fertig war, schraubte man sie wieder an ihren Platz. Deshalb wurde er der ‚Țuicarul‘ genannt. Es hieß scherzhaft, dass der Lokführer sogar ein Glas Țuică in den Brennstoff der Lokomotive gab, damit der Zug besser durch die kurvenreichen Täler fuhr.“
Mehr als nur Transport
Der Zug wurde schnell zur Legende. Doru Brătulescu erinnert sich:
„Der ‚Țuicarul‘ war der beliebteste Zug von allen. Er durchquerte gefährliche, gewundene, enge Täler in fast drei Stunden. Viele Lokführer wollten auf diesem Zug arbeiten, wegen der Vielfalt der Strecke, der Vielfalt der Orte. Und er fuhr so, dass man sehr gut nach links und rechts sehen konnte. Die Menschen, die in ihren Gärten waren, winkten dem Zug zu, egal ob sie jemanden kannten oder nicht.
Der Pendlerverkehr mit dem ‚Țuicarul‘ war neben dem Gütertransport eine der wichtigsten Funktionen. Er war ein praktischer Akteur, aber bevor er das war, war er ein sentimentaler Akteur. Die Bahnhöfe waren idyllisch und sehr belebt, ständig beleuchtet – selbst als der Strom ausfiel.“
Brătulescu spielt hier auf die 1980er-Jahre an, als während des kommunistischen Regimes von Nicolae Ceaușescu der Strom zur angeblichen Energieeinsparung stundenlang abgeschaltet wurde.
Ein drohendes Ende
Der Zug verkehrte bis zum Ende des Jahres 1989, dem Jahr der Revolution. Danach wurden Haltestellen verkauft, Bahnhöfe aufgegeben. Heute ist die Strecke isoliert und vom Verschwinden bedroht. Der Zug fährt, selbst mit nur zwei Waggons, kaum noch mit Fahrgästen, so Doru Brătulescu:
„Aber früher, aufgepasst: Ein Zug hatte 14 Waggons. Alle Waggons waren voll! Wer einen Platz bekam, hatte Glück. Oft bat man jemanden: Geh schon mal vor zum Rangierbereich und halte mir einen Platz im Abteil frei! Morgens fuhren zwei Züge nacheinander ab, und abends zwei wieder zurück. Sie kreuzten sich etwa auf halber Strecke, entweder in Măgura oder in Pârscov. In Pârscov hatte jemand extra einen Krapfenladen aufgemacht, weil man genug Zeit hatte, um sich einen Krapfen zu holen.“
Hinzu kamen die vielen Schüler, die aus Berca oder Nehoiu und Nehoiașu pendelten, um in Pătârlagele zur Schule zu gehen, wo sich damals das einzige Gymnasium im ganzen Kreis Buzău befand.
Angesichts der komplexen Infrastrukturarbeiten und der notwendigen Mittel für eine Wiederbelebung dieser Route gibt es derzeit keine konkreten Projekte zur Sanierung der Strecke.
Ein Stück rumänische Eisenbahngeschichte, das in unseren Erinnerungen weiterlebt.