Straßenkunst einmal anders: ökologische Wandgemälde
Wandgemälde, die mit speziellen Farben gemalt werden, reinigen die Luft in ihrer Umgebung. Ein Künstlerkollektiv in der ostrumänischen Stadt Bacău zeigt, wie das geht.
Ana-Maria Cononovici, 03.12.2020, 17:30
Das erste Wandgemälde in Rumänien, das die Luft reinigt, wurde letztes Jahr im September in der ostrumänischen Bacău eingeweiht. Es handelt sich um ein Gemälde, das mit einer speziellen Farbe gemalt wurde, die die Schadstoffe in der Luft wie Stickstoff- und Schwefeloxide in unschädliche Nitrate verwandelt. Diese lagern sich auf der gemalten Oberfläche ab, bis sie von Regen oder Feuchtigkeit abgewaschen werden. Die Farbe reduziert die Kosten und den Gebrauch von Klimaanlagen und verringert die Treibhausgase in der Atmosphäre. Außerdem kann die Farbe sehr effizient die Ansammlung von Schmutz an den Wänden verhindern. Sie bekämpft Schmutz auf zwei Arten. Die Luft zersetzt die öligen Substanzen auf diesen Oberflächen, wodurch verhindert wird, dass sich Staub an den Wänden festsetzt. In Verbindung mit der Farbe entsteht ein dünner Wasserfilm, der das Anhaften von Staub und Partikeln verhindert, so dass diese einfach abfallen. Lucian Popa, Projektleiter, erzählte uns, wie alles begann:
Wir wollten dem öffentlichen Raum in Bacău eine neue Bedeutung geben. Die Liebe zur Straßenkunst hat auch mitgewirkt. Der ökologische Aspekt ergab sich aus einer Entdeckung in Rom, in Italien, wo ein Künstler eine Wand bemalte, die die Luft um sie herum reinigte. Und wir wollten dasselbe in Bacău tun. Das geschah zwei Jahre hintereinander, und jetzt sind wir die Stadt mit den am meisten luftreinigenden Gemälden.“
Innerhalb von zwei Jahren wurde Bacău auch die Stadt mit den meisten derartigen Gemälden der Welt. Lucian Popa weiß, wie es dazu kam:
Im Moment haben wir über 20 Gemälde, die mit dieser luftreinigenden Farbe gemalt wurden. Laut den technischen Spezifikationen ist die Farbe wie ein Schwamm, der die Verschmutzung in dem Bereich aufsaugt. Wir haben Wandmalereien von 60–70 Quadratmetern, aber auch eine bis zu 330 Quadratmeter große bemalte Wand. Insgesamt haben wir über 3.000 Quadratmeter bemalter Wände in der ganzen Stadt. Jedes Jahr legen wir ein Thema fest, und wir fordern die Künstler auf, Gemälde zu schaffen, die unserer Meinung nach eine Botschaft an die Gemeinschaft vermitteln sollen. Letztes Jahr war das Thema die soziale Integration, wobei sich die Künstler auf benachteiligte Gruppen, Hör- und Sehbehinderte, Kinder mit Autismus und die Inklusion der Roma bezogen. Letztes Jahr wollten wir die Herausforderungen, mit denen diese benachteiligten Gruppen konfrontiert sind, wirklich in den Vordergrund rücken.“
Im Rahmen des ZidART-Projekts des rumänischen Künstlers Obie Platon entstand ein Debütgemälde mit dem Titel Intuition“. Es erstreckt sich über rund 250 Quadratmeter Wand und kann so viel Luft filtern wie ein Wald, der die gleiche Oberfläche bedeckt. Es ist auf einem Gebäude in der Nähe der Vergnügungsinsel in Bacău gemalt. Es gilt als erstes Gebäude weltweit, das Sehbehinderten gewidmet ist, denn das Gebäude ist in Brailleschrift beschriftet. Das Wandgemälde stellt das Porträt eines blinden Menschen dar, der sich trotz seiner Behinderung sein Universum vorstellt, und soll die Aufmerksamkeit auf die Frage der sozialen Eingliederung von Menschen mit Behinderungen lenken. Lucian Popa sprach auch über andere Gemälde, die Menschen gewidmet wurden, die einer benachteiligten Gruppe angehören:
Zum Beispiel haben wir letztes Jahr mit einem Gemälde über Sehbehinderte begonnen, das zeigt, wie sehr sich diese Menschen auf ihre Intuition verlassen. Das Bild ist auch in Braille-Schrift beschrieben. Somit konnten die sehbehinderten Gäste, die zur Einweihung kamen, die Beschreibung des Bildes Element für Element, Farbe für Farbe, Form für Form lesen. Ein weiteres Mural Painting wurde zusammen mit dem Hörgeschädigtenverband in Bacău von dem Künstler Monk Ink angefertigt, und es stellte das Wort »Liebe« in Gebärdensprache dar. Dann gibt es noch ein Gemälde, das die Integration der Roma thematisiert. Es wurde an einer Wand der Nationalbank von Kaps Cre, einem Künstlerduo aus Iași, gemalt und stellt ein Roma-Mädchen, umgeben von der reichen Tradition ihrer Gemeinschaft, dar.“
Für das Jahr 2020 erhielten die Künstler eine neue Herausforderung mit einem neuen Thema, erzählt Lucian Popa weiter:
Das diesjährige Thema ist soziale Verantwortung und die Art und Weise, wie die Menschheit mit diesem Planeten umgeht, der es immer schwerer hat, uns zu unterstützen. Jedes Bild, das gemalt wurde, hatte eine sehr klare Botschaft, die der Gemeinschaft in Bacău und dem ganzen Land übermittelt werden sollte. Unser Projekt ist ziemlich viral geworden, so dass die Botschaft sicher viele Menschen erreichen wird.“
Lucian Popa möchte, dass dieses Projekt auf nationaler Ebene ausgeweitet wird:
Wir wollen dieses Projekt unbedingt fortsetzen. Jetzt suchen wir nach Partnern, nach Sponsoren, und wollen diese Erfahrung auf nationaler Ebene multiplizieren. Wir suchen Menschen, die wollen, dass wir auch in ihre Stadt kommen, aber dafür brauchen wir Ressourcen, die wir jetzt suchen, und im nächsten Jahr hoffen wir, so viele Städte wie möglich zu erreichen.“