Psychologische Erste Hilfe – der entscheidende Moment, der Leben verändern kann
Wenn Menschen in akute Krisensituationen geraten – sei es durch Naturkatastrophen, Krieg oder den plötzlichen Verlust eines Angehörigen – dann zählt oft jede Minute. Nicht nur medizinisch, sondern auch emotional. Psychologische Erste Hilfe ist genau für diesen Moment da: eine einfache, aber wirkungsvolle Intervention, die helfen kann, das seelische Gleichgewicht in der ersten Schockphase zu stabilisieren.
Iulia Hau und Sorin Georgescu, 18.06.2025, 17:30
Das Rumänische Rote Kreuz hat in den letzten drei Jahren ein Netzwerk von über 1 900 Mitarbeitern aufgebaut, die auf sofortige emotionale Unterstützung spezialisiert sind. Alina Gârleanu ist Programmleiterin für psychosoziale Unterstützung und psychische Gesundheit beim Rumänischen Roten Kreuz und erzählt im folgenden, wie das Netzwerk zustande kam:
„Das Ganze begann 2022 – als Antwort auf den Krieg in der Ukraine. Damals rief die Europäische Kommission die Rotkreuz-Gesellschaften der Nachbarländer auf, auch emotional zu helfen. Es kamen ja täglich zehntausende Menschen über die Grenze – traumatisiert und erschöpft. Wir mussten handeln. So entstand das Programm. Es war ein langer und schwieriger Weg, doch heute – drei Jahre später – haben wir über 1 900 Menschen im ganzen Land ausgebildet, die psychologische Erste Hilfe leisten können. Und etwa 80 000 ukrainische Geflüchtete haben wir seither auf diese Weise unterstützt.“
Psychologische Erste Hilfe richtet sich an Menschen in akuter seelischer Not – sei es durch großflächige Krisen wie Kriege und Naturkatastrophen oder durch persönliche Tragödien wie den Verlust eines geliebten Menschen. Es geht darum, einfach da zu sein, zuzuhören – mit Empathie, ohne zu urteilen – und ein Gefühl der Geborgenheit einzuflößen. Was bedeutet das konkret? – wollten wir von der Expertin wissen.
„Zuerst verschafft man sich einen Überblick: Wer braucht gerade Hilfe? Dann geht man behutsam auf die Person zu, hört zu, stellt sich vor – und fragt: Was brauchst du jetzt? Das kann eine Flasche Wasser sein, eine Decke – oder schlicht Informationen. Auch die gehören zur psychologischen Ersten Hilfe. Wir arbeiten nach drei Prinzipien: beobachten – zuhören – weitervermitteln. Letzteres bedeutet, wenn nötig, an andere Stellen wie Notfalldienste oder Hilfsorganisationen zu übergeben.“
Die Ausbildung erfolgt in drei Modulen. Besonders sensibel ist dabei der Umgang mit Kindern, sagt noch Alina Gârleanu vom Rumänischen Roten Kreuz.
„Kinder brauchen eine andere Handhabe und Ansprache. Oft sind sie allein, getrennt von den Eltern – nach einem Unfall oder einer Flucht. Wir bereiten die Helfer auf genau solche Szenarien vor: Wie spricht man mit einem Kind, das seine Familie verloren hat? Was braucht es in dem Moment? Das ist etwas ganz Spezielles.“
Von den 1 900 ausgebildeten Mitarbeitern sind etwa 1 200 freiwillige Helfer, die übrigen 700 sind Fachkräfte: Lehrer, medizinisches Personal oder Sozialarbeiter. Sie stammen meist direkt aus den Gemeinden, in denen sie aktiv werden – das macht die Hilfe umso wirkungsvoller. Die Hauptzielgruppen bislang: Geflüchtete aus der Ukraine, aus Krisengebieten wie Gaza – aber auch Familien, die nach Naturkatastrophen obdachlos geworden sind. Das Rumänische Rote Kreuz bereitet sich bereits auf künftige Einsätze vor: nach Erdbeben, Überschwemmungen oder anderen Ereignissen mit schwerwiegenden Folgen.