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Rumänische Kriegsgefangene in der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Zahl der rumänischen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg steht bis heute noch nicht fest. Die enorme Zahl der Dokumente macht die Forschungsarbeit besonders schwer.

Rumänische Kriegsgefangene in der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg
Rumänische Kriegsgefangene in der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg

, 25.08.2014, 15:45

Die Zahl der rumänischen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg steht bis heute noch nicht fest. Bis zum 23. August 1944, als Rumänien sich der Koalition der Vereinten Nationen anschlo‎ß, verschwanden etwa 165.000 rumänische Soldaten — die meisten von ihnen wurden zu Kriegsgefangenen. Nach dem 23. August haben die Sowjets etwa 100.000 rumänische Soldaten entwaffnet und gefangen genommen. Laut den offiziellen Quellen der Sowjetunion befanden sich 1946 noch 50.000 Rumänen in sowjetischen Gefangenenlagern.



Die Geschichte dieser Menschen, die meisten von ihnen verloren in der gigantischen Sowjetunion, wird höchstwahrscheinlich niemals komplett geschrieben. Der Zugang zu den sowjetischen Archiven ist heute zwar möglich, doch die enorme Zahl der Dokumente macht die Forschungsarbeit besonders schwer. Die rumänischen Historiker versuchen, so schnell wie möglich Informationen zu sammeln; einer dieser Forscher ist Vitalie Văratec, Autor der Studie Die rumänischen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Dokumente 1941-1945“. Vitalie Văratec teilte uns mit, mit welchen Schwierigkeiten er in den Moskauer Archiven konfrontiert wurde:



Heutzutage können wir nicht einmal die genaue Zahl der rumänischen Kriegsgefangenen feststellen. In den Dokumenten wird nur die Bezeichnung ‚Verschollene‘ verwendet. Wenn diese Soldaten zum Beispiel in einem Flu‎ß gefallen sind, wei‎ß niemand mehr, was mit ihnen geschehen ist. Einer meiner Kollegen, mit dem ich beim Verfassen des Buches zusammenarbeitete, hat versucht, die Liste der Gefallenen in der Schlacht von Ţiganca festzustellen; er sagte mir, da‎ß bis heute noch nicht genau bekannt sei, wie viele Soldaten gefallen sind, wie viele gefangen genommen und wie viele für verschollen erklärt wurden. Es gibt nur eine lange Liste mit Verschollenen — niemand wei‎ß, was mit diesen Menschen in Wirklichkeit passiert ist. Und das wissen wir nur von den Schlachten am Flu‎ß Prut. Was war aber am Don, am Dnjestr, oder bei der Schlacht von Stalingrad geschehen?“




Der Status der rumänischen Kriegsgefangenen im Zweiten Weltkrieg war von der sowjetischen Auslegung des Völkerrechts abhängig. Vitalie Văratec:



Der Status der Kriegsgefangenen in der Sowjetunion entsprach teilweise den Normen, die in der Genfer Konvention von 1929 festgelegt worden waren. Es gab aber auch deutliche Unterschiede, wenn man bedenkt, da‎ß der sowjetische Staat in seiner offiziellen Politik den Grundsatz des Klassenkampfes förderte und die Offiziere einen besonderen Status genossen. In der Sowjetunion gab es eine spezielle Interpretation der Frage betreffend die Arbeitspflicht für Kriegsgefangene. Laut der Genfer Konvention durften die Kriegsgefangenen nicht in der Militärindustrie oder in irgendeinem Bereich im Interesse der Armee arbeiten. In der Sowjetunion, wie auch in Nazideutschland, hat man diese Norm nicht beachtet.“




Am schlimmsten in den sowjetischen Gefangenenlagern war aber die Ernährung. Trotz des enormen ideologischen Drucks haben einige sowjetischen Ärzte erklärt, da‎ß die Verpflegung der Kriegsgefangenen unter dem Lebenserhaltungniveau war. Vitalie Văratec dazu:



Sehr viele Kriegsgefangene sind in den sowjetischen Lagern verhungert. Die russischen Historiker haben dieses Problem sehr aufmerksam recherchiert. Ein Forscher aus Wolgograd, Dr. Sidorow, hat sogar eine umfassende Studie über die Entwicklung der Lebensmittelrationen für Kriegsgefangene während des Zweiten Weltkriegs veröffentlicht. Vor allem in der zweiten Hälfte des Jahres 1942 wurden Entscheidungen getroffen, die zum Tod von Tausenden Menschen führten. Die Sowjetunion befand sich in einer äu‎ßerst schwierigen wirtschaftlichen Lage und wurde gezwungen, viel Getreide aus den USA zu importieren. In dieser Situation konnte der sowjetische Staat die Mindestrationen von Lebensmitteln für Kriegsgefangene nicht sichern. Nach den Schlachten am Flu‎ß Don und von Stalingrad war die Zahl der Kriegsgefangenen massiv gestiegen und in den ersten Monaten des Jahres 1943 wurden sogar medizinische Gutachten über den Zustand der Gefangenen gefordet. Auch wenn die Sowjetbürger in Angst vor dem harten proletarischen Regime lebten, trauten sich doch einige Ärzte zu erklären, da‎ß die offiziell festgelegten Lebensmittelrationen für die normale Lebenserhaltung nicht ausreichten. Laut ihren Rechnungen reichten die Kalorienmengen der Rationen für Kriegsgefangenen nur, um im Liegen zu überleben, ohne sich zu bewegen. Aber diese Menschen mu‎ßten schwere Arbeit verrichten, und unter diesen Bedingungen konnten sie nicht lange überleben.“




Das Leben der Kriegsgefangenen in den sowjetischen Lagern war unerträglich, aber die Leute haben die Hoffnung nicht verloren — sie versuchten immer wieder, sich zu retten. Vitalie Văratec mit weiteren Informationen:



Ich habe viele Statistiken über die Zahl der Toten und Kranken unter den Kriegsgefangenen gelesen. Es gibt aber auch eine besonders interessante Statistik über diejenigen, die aus den Lagern ausgebrochen und geflüchtet waren. Neben den Listen mit den Namen der Ausbrecher gibt es auch Angaben über diejenigen, die wieder gefasst oder nicht mehr gefasst wurden. 3,2% aller Ausbrecher wurden nicht mehr gefasst, und die meisten von ihnen waren Rumänen. Da fragte ich mich, warum? Eine Geschichtsforscherin aus Italien versuchte, eine Antwort darauf zu finden, und sie konnte feststellen, dass es eine Art ‚Mafia‘ der Kriegsgefangenen in der Sowjetunion gegeben hat. Nach der Schlacht von Stalingrad wurden über 30.000 rumänische Soldaten gefangengenommen; darüber gibt es auch Zeugnisse von Zivilisten. Eine ältere Frau hat erzählt, da‎ß, als sie am Morgen in die Schule ging, sie manchmal am Stacheldrahtzaun sah, wie die Kriegsgefangenen in Reih und Glied standen. Die Rumänen bekreuzigten sich, und die Deutschen zeigten mit den Finger auf sie und lachten. Daraus wurde mir klar, da‎ß die Rumänen, mit ihrer orthodoxen Religion, sich schneller an die schwere Lage im Gefangenenlager angepa‎ßt hatten. Nach diesem Prinzip konnten sie sich auch besser organisieren.“



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