Ein Herz für Tiere: Italienerin leitet Tierheim und -klinik in Cernavodă
Sara Turetta stammt aus Mailand. Vor 20 Jahren gab sie ein behagliches Leben als Managerin einer Werbeagentur auf, um sich in Rumänien dem Tierschutz zu widmen.
Hildegard Ignătescu, 10.01.2023, 15:19
Die rumänische Kleinstadt Cernavodă mit knapp 20 000 Einwohnern im Landkreis Constanța ist nicht nur als Standort des bisher einzigen rumänischen AKW bekannt, sondern unter Tierschützern auch für das Tierheim Urme de bucurie“ (zu deutsch: Spuren der Freude“), wo herrenlose Vierbeiner eine Unterkunft und artengerechte Pflege finden. Gegründet hat das Tierheim vor mehr als 10 Jahren die aus Italien stammende Sara Turetta, die dafür ganz nach Rumänien zog.
Sara Turetta lebt seit über 20 Jahren in Rumänien. Sie stammt aus Mailand, wo sie ein komfortables Leben als Managerin einer Werbeagentur führte. Doch im August 2001 schmiss sie hin und kam zunächst nach Bukarest, wo sich die leidenschaftliche Tierschützerin für die herrenlosen Hunde einsetzte. Damals lief in der rumänischen Hauptstadt eine in der Ausführung umstrittene Sterilisierungskampagne mit anschließender Freilassung der Vierbeiner, woran sich die Gemüter schieden. Sara brachte Medikamente für die Tiermedizin nach Rumänien und gründete einen Verein namens Save the Dogs and Other Animals“. Später gründete sie in der Stadt Cernavodă nahe Constanța das Tierheim Spuren der Freude“, und zusammen mit dem Team, das sie unterstützt, wurde sie mit mehreren nationalen und internationalen Preisen bedacht. 2012 verlieh ihr der italienische Staatspräsident den Titel Kavalier des Ordens Stern Italiens“. Spuren der Freude“ heißt auch das unlängst im Humanitas-Verlag erschienene Buch von Sara Turetta, eine rumänische Übersetzung des ursprünglich in Italien erschienenen Bandes. Darin erzählt sie, wie sich ihr Leben mit dem Entschluss, nach Rumänien zu übersiedeln, dramatisch veränderte. Doch was bewog sie dazu, ein behagliches Leben in Mailand aufzugeben, um in die rumänische Provinz zu ziehen?
Es war eine schwierige Entscheidung — in meinem Buch erzähle ich, wie ich drei Tage lang fieberhaft mit mir gerungen habe, um die richtige Entscheidung zu treffen. Ich war zum Schluss gekommen, dass ein Projekt zur Rettung und Sterilisierung der Vierbeiner in Cernavodă nur dann Erfolg haben kann, wenn ich dorthin ziehe. Ich dachte zunächst, dass ich nur ein bis zwei, vielleicht drei Jahre dort bleiben würde, bis ich mein Projekt ins Lot bringe. Doch es kam anders, ich musste eine Entscheidung fürs Leben treffen, ich fand eine neue Berufung und damit änderten sich auch meine Lebensumstände radikal. Am Anfang war es ziemlich schwer, ich zog im Oktober 2002 nach Cernavodă, das Haus war ungeheizt und manchmal gab es tagelang auch kein fließend Wasser, denn die Stadt hat nie angekündigt, wenn die Zufuhr unterbrochen wurde. Und sicherlich ist auch der Lebensstandard auf einem anderen Niveau als in Mailand, doch für mich waren dieser Umzug und der Einsatz für eine gute Sache diese Unannehmlichkeiten wert. Die ganze Erfahrung half mir, erwachsen und widerstandsfähiger zu werden. Das Tierheim »Spuren der Freude« wurde von Null aufgebaut und jetzt ist es ein Beispiel für ganz Rumänien. Hier sind heute etwa 300 Tiere untergebracht, wir haben 50 ortsansässige Mitarbeiter und wir bekommen oft Besuch aus ganz Rumänien und aus dem Ausland. Ein richtiges Vorzeigeprojekt.“
Entlang der Zeit wurden hier über 41 000 Tiere sterilisiert — nicht nur Hunde und Katzen, sondern auch Esel und Pferde. Hunde werden nach einer Dressur durch fachkundige volontierende Trainer zur Adoption freigegeben — die meisten gehen nach Schweden, Italien, in die Schweiz und nach Deutschland. Sara Turetta freut sich, dass verlassene und leidgeprüfte Tiere somit eine liebevolles Zuhause finden, doch gleichzeitig bemängelt sie den Umgang mancher Menschen in ihrer Wahlheimat mit Tieren:
In Rumänien gibt es leider noch keine weit verbreitete Kultur der Tieradoption — die meisten Menschen neigen dazu, Tiere zu kaufen, statt zu adoptieren, was ich sehr schade finde. Denn Adoption ist die einzige Alternative zur Einschläferung, weil die Tierheime oft überlastet sind. Und Rumänien hat immer noch ein großes Problem mit der Aussetzung von Tieren. Doch gibt es inzwischen immer mehr Menschen auf lokaler Ebene, die auf uns zukommen, und wir bieten Hilfe an und kostenlose Sterilisierung für jene Tierhalter, die sich die Kosten nicht leisten können. Und wir haben mit großem finanziellen Aufwand eine gemeinschaftliche Tierklinik aufgebaut, die sich über 800 Quadratmeter erstreckt und zu einer wichtigen Anlaufstelle für Menschen aus der Region geworden ist, die Tiere haben, sich aber nicht leisten können, nach Constanța zu fahren oder eine Privatklinik aufzusuchen. Unsere Einrichtung ist somit auch zu einem wichtigen Gemeinschaftszentrum geworden, denn die Menschen kommen auf uns zu und suchen Rat im gesunden Umgang mit ihren Tieren. Es gibt viele Studien, die zeigen, dass die Gesundheit der Haustiere sich auch auf die Gesundheit der Tierhalter auswirkt. Gesunde Tiere lassen auch Menschen nicht nur physisch, sondern auch emotional und psychisch gesünder auftreten.“
Mit ihrem Umzug nach Rumänien und ihrem Engagement für den Tierschutz hat sich Saras Leben radikal verändert, doch manchmal fühlt sie sich von der großen Verantwortung, die sie übernommen hat, überwältigt.
Es gab Augenblicke, in denen ich mich überfordert fühlte. Es gab sogar Zeiten, in denen ich mich körperlich und geistig erschöpft fühlte und Gefahr lief, nicht mehr auf die Beine zu kommen. Aber ich habe mich zusammengerissen, ich habe mich auch ein wenig von der täglichen Arbeit gelöst, die sehr anstrengend ist, weil man ständig mit Tierleid und menschlicher Gewalt gegen Tiere in Berührung kommt, und ich habe es geschafft, ein Gleichgewicht zu finden. Mein Lebensstandard ist viel niedriger, als wenn ich in der Werbeagentur geblieben wäre oder ein gewinnorientiertes Unternehmen gegründet hätte. Aber mein persönliches Glücksniveau ist viel höher. Ich bin ein Mensch, der seine tiefste Berufung gefunden und erfüllt hat, und ich bereue absolut nichts. Wir freuen uns, für unsere Arbeit anerkannt zu werden, und ich hoffe, eines Tages auch in Rumänien anerkannt zu werden, nicht nur im Ausland, denn was wir tun, tun wir für Rumänien, für die rumänische Gesellschaft — unser Team besteht zu 90 % aus heimischen Mitarbeitern. Die größte Belohnung ist es, eine Veränderung in der lokalen Gemeinschaft zu sehen, in der wir arbeiten, und zu erleben, wie Tiere ein Leben in Würde wiedererlangen. Jetzt freue ich mich darüber, dass die Freiwilligenarbeit in Rumänien immer mehr zunimmt, zunächst sicherlich eher in den Großstädten, doch werden wir uns demnächst mehr in Schulen engagieren, wir werden die Bildungsarbeit wieder aufnehmen und uns stark auf ländliche Gebiete konzentrieren, wo die Situation für Menschen und Tiere dramatisch ist. Und wir werden besser strukturierte und beständigere Projekte für das Engagement in der Gemeinschaft durchführen, worauf ich große Hoffnung setze.“