CETA, TTIP & Co – und die emergierende Wirtschaftsmacht China: Medien, NGOs und Bürger fordern zunehmend mehr Transparenz und Fairness in den Handelsabkommen der EU mit seinen internationalen Partnern.
Das vergangene Jahr brachte neue Entwicklungen in den bilateralen Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren wichtigsten Partnern. Z.B. ist CETA, genauer gesagt das Umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der Union und Kanada, in Kraft getreten. Man schätzt, dass durch dieses Dokument das bilaterale Handelsvolumen beträchtlich steigen wird. Z.B. werden die Exporte aus der Europäischen Union nach Kanada jährlich um 23% höher sein. Außerdem soll das BIP der EU jährlich ein Wachstum von 11,6 Milliarden Euro verzeichnen. Die Exporteure der EU-Länder werden unter anderem Weizen, Mehl und Wein auf dem kanadischen Markt vermarkten können, ohne Gebühren zu zahlen. Gleichzeitig werden die Exporttarife in der Automobilbaubranche, die sich bislang auf 9,5 beliefen, infolge der Umsetzung von CETA gestrichen.
Nicht desselben Erfolgs erfreuten sich die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten. Die amerikanische Seite vertagte die Gespräche über die sogenannte Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, auch TTIP genannt, nach dem Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen. Dennoch kündigten die Parteien Mitte des Vorjahres ihre Absicht an, die Verhandlungen wiederaufzunehmen.
Obwohl beide genannten Abkommen von den Brüsseler Institutionen stark gefördert wurden, wurden diese im Inneren der Europäischen Union stark kritisiert. Die Vertreter der Landwirte, der Umweltschutzverbände oder der europäischen Gewerkschaften z.B. protestierten offen und oft mit Gewalt gegen die von Brüssel ausgehandelten Vereinbarungen.
Der rumänische Europaabgeordnete Iuliu Winkler ist Vizevorsitzender des internationalen Handelsausschusses des Europäischen Parlaments und Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP). Seiner Meinung nach sei ein großes Problem der von der EU mit den Handelspartnern ausgehandelten Abkommen eine mangelnde Analyse derer Auswirkungen auf regionaler Ebene. Iuliu Winkler:
„Bezüglich der Vorteile und der Kosten im Rahmen eines Handelsabkommens – darüber spricht man nicht so viel in Brüssel. Und wenn ich diese Tatsache im internationalen Handelsausschuss anspreche, schauen mich meine Kollegen nicht sehr freundlich an. Und zwar geht es um folgendes: Wer führt eine Analyse der Vorteile und der Kosten eines Handelsabkommens in den jeweiligen Ländern durch? Denn das tut niemand. Man sagt immer nur: ‚Es ist gut für die Europäische Union. Wir werden so und so viel Milliarden gewinnen, wir werden so und so viele neue Arbeitsplätze schaffen.‘ Aber wer wird gewinnen und wo werden wir diese Arbeitsplätze schaffen? Und das große Problem taucht bei einem Handelsabkommen dann auf, wenn wir den landwirtschaftlichen Teil, den Teil des Technologieexports erarbeiten, wenn wir über den Zugang zum Markt sprechen, denn diese Gewinne tauchen immer woanders auf als in Osteuropa. Die Vorteile treten also immer im Westen oder im Norden auf, dort wo die betreffenden Länder der Europäischen Union bedeutende Händler, bedeutende Exporteure sind. Der größte europäische Exporteur ist selbstverständlich Deutschland, das auch der wertvollste Exporteur ist, denn wir sprechen über Technologie und Produkte mit hoher Wertschöpfung. Und die Kosten der Abkommen treten oft leider in Osteuropa, z.B. in Rumänien auf. Und wenn man die Beziehung zu China bespricht: Rumänien musste, um eine EU-Beitrittsbedingung zu erfüllen, Ende der 90er Jahre seine Stahlindustrie umstrukturieren und setzte seine Überkapazitäten, die auf die kommunistische Planwirtschaft vor 1989 zurückzuführen waren, herab. Es hat also diesen Preis bereits bezahlt. Auch in der chemischen Industrie haben wir diesen Preis bezahlt, auch in der Zuckerindustrie, um nur einige Beispiele zu nennen. Und jetzt wieder – denn, wie es scheint, wenn wir es nicht schaffen, die europäischen Industrien vor den chinesischen Überkapazitäten zu schützen, in der Stahlproduktion z.B., dann werden wir diesen Preis noch einmal bezahlen müssen, denn wir sind diejenigen, die immer bezahlen. Wer stellt noch Stahl in Europa her? Es gibt noch einige Hersteller, aber den Preis werden wir bezahlen, denn in Osteuropa gibt es die niedrigste Wettbewerbsfähigkeit.“
Zu den oft beanstandeten Sachverhalten im Verlauf der Verhandlungen der Europäischen Union über die Handelsabkommen zählte immer der Transparenzmangel. Der Europaabgeordnete Iuliu Winkler glaubt aber, dass die Zeit, als diese Abkommen ausschließlich hinter geschlossenen Türen unterzeichnet wurden, vorbei sei.
„Wir sind Zeugen der Entstehung einer neuen Handelswelt. Früher wurde diese Tätigkeit ausschließlich hinter geschlossenen Türen, hinter dem Vorhang, beschlossen, denn die kommerziellen Verhandlungen sind ausgesprochen technisch, und wenn man kein Handelsfachmann ist, versteht man solche Dinge nicht. Also hatten sich die Unterhändler zurückgezogen… und verhandelt. Das ist nicht mehr tragfähig. Die Gesellschaft, die Medien und die NGO wollen Transparenz. Sie möchten verstehen, was passiert. Sie möchten wissen, mit welchem Auftrag man in Verhandlungen geht. Warum wir TTIP verhandeln, wenn wir es verhandeln? Warum haben wir das Handelsabkommen zur Bekämpfung der Produktfälschungen ACTA abgewiesen und warum haben wir für das Handelsabkommen mit Kanada gestimmt und welche Vorteile werden sich daraus ergeben? Der Transparenzbedarf ist legitim. In dieser neuen Handelswelt müssen wir uns nicht nur auf einen freien Handel, sondern auch auf einen gerechten Handel richten.“
Die Wirtschaftsoffensive Chinas und die neuen Handelsrichtungen der Vereinigten Staaten während der Amtszeit von Donald Trump stellen ernstzunehmende Herausforderungen für die Europäische Union in der kommenden Zeit dar. Unter diesen Voraussetzungen ist es abzuwarten, wie kompetent, wie korrekt und vor allem wie transparent die kommenden Handelsvereinbarungen zwischen der Europäischen Union und ihren Partnern ausgehandelt werden.
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