Nach Empörung über Frauenmorde: Rumänien will handeln
Ein neuer Fall von tödlicher häuslicher Gewalt hat Rumänien erschüttert – und löst nun politische Konsequenzen aus. Das Justizministerium will die Strafen für Morde an Frauen verschärfen und den sogenannten Femizid als eigenständigen Straftatbestand im Gesetz verankern. Während Minister Radu Marinescu betont, dass es eigentlich schon jetzt genug Gesetze gebe – sie müssten nur angewendet werden –, wächst der öffentliche Druck auf Politik und Behörden.
Mihai Pelin und Alex Sterescu, 11.11.2025, 11:23
In Rumänien wird seit Tagen über Gewalt an Frauen diskutiert – und über die Frage, warum der Staat so oft versagt, wenn es darum geht, Opfer zu schützen. Auslöser ist ein besonders grausamer Fall, der sich am Wochenende in einer Gemeinde im Süden des Landes ereignet hat.
Eine 25-jährige Frau, Mutter von drei Kindern, wurde von ihrem Ehemann erstochen – obwohl gegen ihn ein Schutzbefehl bestand. Die junge Frau hatte mehrfach Anzeige erstattet, sie hatte berichtet, dass sie geschlagen, entführt und sogar vergewaltigt worden sei. Trotzdem blieb der Mann auf freiem Fuß. Sie hatte sich erst vor zwei Monaten von ihm getrennt. Als sie mit ihrem dreijährigen Sohn unterwegs war, griff er sie an – mitten auf der Straße. Die Ärzte, die kurz darauf eintrafen, konnten sie nicht mehr retten. Der Täter, 42 Jahre alt, wurde wenig später schwer verletzt gefunden – er hatte versucht, sich das Leben zu nehmen.
Der Fall hat Empörung ausgelöst – nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in der Politik. Justizminister Radu Marinescu kündigte an, dass Mord aus geschlechtsspezifischen Motiven künftig mit lebenslanger Haft bestraft werden kann. Der entsprechende Gesetzentwurf wurde bereits in öffentliche Konsultation gegeben.
Parallel dazu liegt im Parlament eine Initiative vor, die das sogenannte Femizid – also die Tötung von Frauen, weil sie Frauen sind – ausdrücklich im Strafgesetzbuch verankern will. Marinescu betonte zwar, dass Rumänien schon jetzt eine Gesetzgebung habe, die solche Fälle bestrafen und verhindern könne. Doch er räumte ein: Sie werde zu selten und zu zögerlich angewandt.
Auch die Polizei reagiert. Der Chef der rumänischen Polizei, Benone Matei, hat eine landesweite Überprüfung aller Fälle häuslicher Gewalt angeordnet. Außerdem ruft er Opfer auf, der elektronischen Überwachung von Gewalttätern zuzustimmen – ein System, das es seit Kurzem gibt, das aber bisher kaum genutzt wird.
Im Parlament wächst der Druck, schneller zu handeln. Der Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Femiziden, der Ende Oktober eingereicht wurde, hat parteiübergreifend Unterstützung gefunden. Die sozialdemokratische Abgeordnete Victoria Stoiciu sagte, die Resonanz sei überwältigend – 273 Parlamentarierinnen und Parlamentarier hätten das Dokument unterschrieben. Das ist ein Rekord in der Geschichte des rumänischen Parlaments seit 1989.
Schon Mitte Oktober hatten rund 3.000 Menschen in mehreren Städten gegen Gewalt an Frauen demonstriert. Sie erinnerten an Dutzende von Frauen, die seit Jahresbeginn von ihren Partnern oder Ex-Partnern getötet wurden. Damals hatten auch 18 Botschaften in Bukarest eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht – als Appell an die rumänischen Behörden, endlich konsequent gegen geschlechtsspezifische Gewalt vorzugehen.
Jetzt fordern mehr als 50 Nichtregierungsorganisationen, dass das Parlament den neuen Gesetzentwurf schnell verabschiedet. In einer gemeinsamen Petition heißt es, der Staat habe die Pflicht, alle Bürgerinnen und Bürger zu schützen und rechtzeitig einzugreifen, bevor Gewalt gegen Frauen eskaliert. Doch in diesem Jahr, so die Organisationen, sei besonders deutlich geworden, dass die Behörden versagt hätten. In fast allen Fällen von Femizid habe es einen bekannten Verlauf von Gewalt gegeben – oft sogar dokumentiert von Polizei oder Nachbarn. Viele dieser Taten, so schreiben sie, hätten verhindert werden können.