Dennis Deletant und die Geschichte Rumäniens aus britischer Perspektive
Unter den ausländischen Historikern, die sich mit der Geschichte Rumäniens befasst haben, ragt der Name des Briten Dennis Deletant hervor.
Steliu Lambru, 15.12.2025, 21:23
Er und der Amerikaner Keith Hitchins (1931–2020) widmeten der Geschichte Rumäniens einen wesentlichen Teil ihrer Studien und Forschungen und können als die bedeutendsten ausländischen Autoren der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelten, die über Rumänien geschrieben haben. Der Name Dennis Deletant findet sich in allen wichtigen Bibliografien zur Geschichte Rumäniens im 20. Jahrhundert.
Geboren 1946 in Norfolk, England, wurde Deletant als Historiker an der University of London ausgebildet und später Professor am University College London, School of Slavonic and East European Studies. Sein Werk umfasst Bücher zur politischen Geschichte Rumäniens im 20. Jahrhundert, zur Geschichte des rumänischen Kommunismus, zur Geschichte der kommunistischen Geheimdienste im Postkommunismus sowie zur geheimen Tätigkeit der Briten in Rumänien während des Zweiten Weltkriegs. Wegen seiner prodemokratischen Aktivitäten erklärte ihn das von Nicolae Ceaușescu geführte Regime vor 1989 zur persona non grata. Er wurde vom britischen Staat mit dem Order of the British Empire und vom rumänischen Staat mit dem Kulturverdienstorden ausgezeichnet. Zudem ist er Ehrendoktor mehrerer Universitäten.
Der jüngste Band von Dennis Deletant befasst sich mit Rumänien im Kommunismus und stellt eine Synthese dessen dar, was das politische, wirtschaftliche und kulturelle Regime zwischen 1945 und 1989 bedeutete. Bei der Buchvorstellung ging der britische Historiker auf eines der zentralen Themen der politischen Geschichte des zeitgenössischen Rumäniens ein, über das auch er und andere geschrieben haben, nämlich die Identitätskrise der Rumänischen Kommunistischen Partei (PCR) in der Zwischenkriegszeit:
„Was geschah unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg innerhalb der Sozialistischen Partei? Die Mehrheit der Mitglieder waren keine Rumänen. Die Dokumente, die wir haben – sogar aus russischen, also sowjetischen Quellen – zeigen, dass die Sozialistische Partei Rumäniens in den ersten Jahren der 1920er-Jahre von Mitgliedern dominiert wurde, die ethnischen Minderheiten in Rumänien angehörten. Der Komintern fiel es schwer, einen ersten rumänischen Generalsekretär für die Kommunistische Partei Rumäniens zu finden. Es gab einen, Gheorghe Cristescu, der nach 1944 in kommunistischen Gefängnissen landete; er war der einzige rumänische Generalsekretär in den Reihen der Rumänischen Kommunistischen Partei in der Zwischenkriegszeit. Alle anderen Generalsekretäre wurden aus den Reihen der ethnischen Minderheiten in Rumänien gewählt, und es ist leicht zu verstehen, warum diese Führungspersönlichkeiten die Partei in Richtung Moskau führten.“
Die Kommunistische Partei Rumäniens PCR verfolgte eine Politik gegen den rumänischen Staat, was diesen dazu veranlasste, sie 1924 zur terroristischen Gruppe zu erklären und zu verbieten. Diese Maßnahme sei gerechtfertigt gewesen, so Dennis Deletant:
„Die damalige PCR verfolgte eine antirumänische Politik in dem Sinne, dass sie wollte, dass Provinzen wie Bessarabien Teil der Sowjetunion werden. Selbstverständlich antagonisierten und verärgerten diese Politiken die Mehrheit der Rumänen. Die PCR hatte in der Zwischenkriegszeit keine Chance, mit derartigen, von Stalin inspirierten Politiken an die Macht zu kommen.“
In seinen Arbeiten nutzte Dennis Deletant auch die Methode persönlicher Interviews mit wichtigen Akteuren der Geschichte. So traf er Gheorghe Apostol, den Rivalen Nicolae Ceaușescus um den Führungsposten im Jahr 1965, nach dem Tod Gheorghe Gheorghiu-Dejs:
„Herr Apostol, der mich nach der Revolution selbstverständlich bei sich zu Hause empfing, erzählte mir allerlei absolut faszinierende Dinge. Es war klar, dass er damals sehr verärgert über Ceaușescu war. Natürlich standen beide im Wettbewerb um die Führungsposition der kommunistischen Partei nach dem Tod von Dej. Dass Apostol, sagen wir, diesen Wettbewerb verlor, ließ ihn nicht los. Mir wurde klar, dass er diesen frechen Ceaușescu nicht ausstehen konnte.“
Die Ernsthaftigkeit der Texte von Dennis Deletant verschaffte ihm Ansehen selbst in den Augen ehemaliger Vertreter des Repressionsapparates:
„Ich betrieb meine Forschung beim CNSAS (Nationalrat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) für meinen Band über Antonescu und den 23. August 1944. Während meiner Arbeit dort kam ein Herr zu mir, den ich kannte und von dem ich wusste, dass er vom Nachrichtendienst SRI war, und gab mir einige Zettel in die Hand, auf denen der Artikel-Brief von Apostol stand. Noch heute erhalte ich, ohne darum zu bitten, Dokumente zur kommunistischen Epoche sogar von ehemaligen Securitate-Mitarbeitern, die ein persönliches Anliegen haben und mir bestimmte Details mitteilen wollen. Ich nehme sie selbstverständlich mit großer Freude entgegen. Das erinnert mich jedoch an das, was mir Herr Virgil Măgureanu (der erste Leiter des Rumänischen Nachrichtendienstes in der postkommunistischen Zeit, Anm. d. Red.) im Sommer 1993 in einer Begebenheit sagte, die ich in meinen Memoiren geschildert habe. Damals erhielt ich Zugang zum Archiv der Securitate und fand dort Dokumente, die offenbar heute im Archiv des CNSAS nicht mehr existieren. Als Herr Măgureanu mir den Zugang genehmigte, fragte ich ihn, warum er ausgerechnet mir als Ausländer diese Erlaubnis erteile. Seine Antwort war, dass er mir vertraue und anderen nicht. Das war mein Glück: Weil ich von außen kam, vertrauten mir die Menschen und hielten mich für sehr ausgewogen.“
Dennis Deletant hat zur Kenntnis der zeitgenössischen Geschichte Rumäniens beigetragen und die Ausbildung neuer Generationen rumänischer Historiker nach 1989 unterstützt.