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Dissidenten im kommunistischen Rumänien: Doina Cornea

Die antikommunistische Dissidentin und Literatin Doina Cornea ist am 4. Mai 2018 mit 89 Jahren verstorben – in einer Kondolenzbotschaft sagte Präsident Klaus Iohannis, dass Cornea ein Symbol des Mutes und des Widerstands im Kommunismus verkörpert habe.

Dissidenten im kommunistischen Rumänien: Doina Cornea
Dissidenten im kommunistischen Rumänien: Doina Cornea

, 23.07.2018, 17:30

Zwischen 1945 und 1989 bezahlten die Frauen in Rumänien einen sehr hohen Preis für die Art und Weise, wie das Land nach Kriegsende regiert wurde. Intellektuelle und Arbeiterinnen, Bäuerinnen und Städterinnen, Frauen in Rumänien kämpften und starben im bewaffneten Widerstand, an der Seite ihrer Ehemänner. Andere wurden zu harten Jahren Gefängnis verurteilt, wo viele von ihnen ihr Ende fanden. Die Dissidentin Doina Cornea schloss sich Frauen wie Marina Chirca, Ana Simion, Maria Plop, Arlette Coposu, Ecaterina Bălăcioiu und vielen anderen an, die im Licht der Öffentlichkeit oder unbekannt ihren Widerstand gegen ein zutiefst unmenschliches Regime ausdrückten.



1982, als sie 52 Jahre alt war, entschied sich Assistent-Professorin Doina Cornea, nicht mehr zu schweigen. Sie schrieb einen Brief an den Radiosender Freies Europa“, in dem sie die Missbräuche und die Führungspraxis der Kommunistischen Partei anprangerte. Cornea wurde 1996 vom rumänischen Rundfunkzentrum für Mündliche Geschichte interviewt und erinnerte sich, wie sich ihr Verhältnis zum kommunistischen Regime veränderte:



Der erste Text war ein offener Brief an Mitmenschen, die nicht aufgehört hatten, zu denken. Er war in erster Linie an Lehrer gerichtet, die die moralische Verpflichtung haben, ihren Lernenden immer die Wahrheit zu sagen. Diese gro‎ße Lektion hatte ich während des stalinistischen Regimes von meinem ehemaligen Professor an der Fakultät für französische Philologie, Henri Chaquier, gelernt. Ich war so beeindruckt von dieser Idee, die er uns in Geist und Verstand einzupflanzen versuchte, denn es war die Zeit des schlimmsten Stalinismus in den 1950er Jahren. Ich fühlte immer, dass mich etwas dazu drängte, den Brief zu schreiben, sogar gegen meinen Willen. Aber ich wollte den Brief nicht unterschreiben. Ich schrieb ihn auf, meine Tochter nahm ihn mit, als sie zum ersten Mal nach ihrer Auswanderung nach Rumänien kam. Ich sagte damals: ‚Ich unterschreibe den Brief nicht und überlasse es den Redakteuren des Senders, wie sie mit ihm umgehen.‘ Ich zeichnete eine Linie nach dem Text ein, aber um sicherzustellen, dass es ein authentischer Text ist und nicht von jemandem im Namen eines anderen ‚erfunden‘ war, schrieb ich: ‚Für ein freies Europa, Doina Cornea, Assistent-Professorin an der Philologischen Fakultät‘.




Cornea hatte Angst, zu ihrem Aufstand offen zu stehen, wie sie später oft gestand. Doch nachdem sie ihren Namen bei dem am meisten beschuldigten ausländischen Radiosender gehört hatte, gab es kein Zurück mehr. Es war eine Ehre, der sie nicht mehr absagen konnte:



Ich war mit meinem Mann am Schwarzen Meer, im Dorf Vama Veche, aber er wusste nichts vom Text, er hatte keine Ahnung, dass ich einen Brief geschickt hatte. Ich hatte mein Radio dabei und obwohl ich Freies Europa nicht allzu oft hörte, bestand ich diesmal sehr darauf, das Radiogerät mitzunehmen. ‚Was ist in dich gefahren?‘, fragte er mich. Und ich sagte ihm, ich wolle einfach Radio Free Europe hören. Es gab zwei Betten in diesen Bauernzimmern; ich sa‎ß auf dem ersten Bett, mein Mann auf dem zweiten, und das Radio war am Fenster. Und als ich die Stimme im Radio hörte, die sagte: ‚Nennen wir die Autorin Doina Cornea‘, erstarrte ich. Ich sage Ihnen, ich hatte mehr Angst vor meinem Mann als vor den politischen Auswirkungen. Es gab eine stille Minute, ich erwartete, dass er mich anschreit. Er sagte nichts, als würde er den Atem anhalten. Und dann fing ich an: ‚Was tun wir jetzt?‘ — und er packte mich am Arm und sagte mir: ‚Wir gehen spazieren.‘“




Cornea wurde dann in einer Sitzung im Kollektiv an ihrer Uni an den Pranger gestellt. Mit wenigen Ausnahmen vermieden es die Kollegen, sich mit ihr zu solidarisieren; einige versuchten, einen Weg zu finden, um ihr zu helfen, dem Zorn des Regimes zu entkommen.



Es war eine schreckliche Sitzung, auch Rektor Vlad kam, der mir lieb ist und den ich als Kollegen auch heute nicht verachte. Ich verstand ja, wie das System funktioniert. Aber er hätte sich auch anders verhalten können. Aber er wollte, dass ich in dieser Sitzung Selbstkritik übe, was ich nicht gemacht habe. Und er fragte mich immer wieder: ‚Was hast du gegen Mircea Eliade? Warum sagst du, dass Intellektuelle lügen, dass Ökonomen falsche Statistiken liefern?‘ Ich hatte den Studenten gesagt, dass sie keine Gesellschaft, auch keine sozialistische oder kommunistische, auf einer Lüge aufbauen können. ‚Warum sagst du, dass Intellektuelle Feiglinge sind?‘, fragten sie mich. ‚Weil sie Feiglinge sind!‘, erwiderte ich. An einem gewissen Punkt war ich in Tränen ausgebrochen, weil der Leiter der Abteilung vorgeschlagen hatte, eine ärztliche Bescheinigung von der Psychiatrie einzuholen. Das hätte mir noch gefehlt, in die Psychiatrie zu kommen! Das hat mich sehr beleidigt. Dann brach ich in Tränen aus, aber Selbstkritik übte ich nicht.“




Cornea wurde schlie‎ßlich entlassen, doch sie hielt fest an ihrer Kritik. Sie schrieb weiterhin Briefe an den Sender Freies Europa“ und solidarisierte sich mit dem Streik der Arbeiter im November 1987 in Braşov (Kronstadt). Im August 1988 wurde sie unter Hausarrest gestellt. Im Dezember 1989 kam sie durch den Umsturz wieder frei. Nach dem Umbruch zog sie sich aus der Öffentlichkeit weitgehend zurück, hin und wieder war sie mit Kritik an den postkommunistische Machthabern zu hören. Im Jahr 2016 erhielt Doina Cornea einen letzten Schicksalsschlag: ihre Tochter, Ariadna Combes, die die Worte ihrer Mutter in die freie Welt getragen hat, war im Alter von 62 Jahren in Frankreich aus dem Leben geschieden.

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