Im Schatten der Macht: Das doppelte Gesicht des rumänischen Geheimdienstchefs Eugen Cristescu
Einer der zentralen Figuren im Regime von Marschall Ion Antonescu war Eugen Cristescu, Nachfolger des gefürchteten Mihail Moruzov im Amt des Direktors des Sondernachrichtendienstes. Cristescu wurde zum Chef ernannt, nachdem Moruzov, ein Vertrauter des ehemaligen Königs Carol II., am 6. September 1940 verhaftet und im Gefängnis von Jilava inhaftiert worden war.
Steliu Lambru, 02.06.2025, 20:09
Cristescu wurde 1895 in Oituz im Kreis Bacău im Osten Rumäniens geboren – ein Ort, an dem im Jahr 1917 drei erbitterte Schlachten zwischen rumänischen und deutsch-österreichisch-ungarischen Truppen stattfanden. Er war eines von neun Kindern eines Lehrers und einer Hausfrau. 1916, im Jahr des Kriegseintritts Rumäniens in den Ersten Weltkrieg, schrieb sich Cristescu an der Fakultät für Rechtswissenschaften der Universität Iași ein. Der junge Student nahm dann am 1. Weltkrieg teil.
Nach dem Krieg wurde er im Innenministerium angestellt und später in den Nachrichtendienst versetzt. Für seine Verdienste erhielt er sechs Orden und zwei Medaillen. Im September 1940, mit dem Machtwechsel, galt Cristescu als logischer Nachfolger Moruzovs an der Spitze des Nachrichtendienstes – dank seiner Loyalität gegenüber Antonescu. In den Jahren seiner Direktion ordnete Cristescu die Überwachung aller ausländischen Agenten in Rumänien an – ohne zwischen Verbündeten und Feinden zu unterscheiden. Der Sondernachrichtendienst unterstand nicht der deutschen Kontrolle, wie etwa die Festnahme von drei in Rumänien 1943 abgeworfenen britischen Fallschirmspringern zeigt. Cristescu verhörte sie persönlich und verweigerte ihre Auslieferung an Berlin.
Ebenso war er über die geheimen Verhandlungen der rumänischen Opposition mit Amerikanern und Briten informiert, die einen Ausstieg Rumäniens aus dem Bündnis mit Deutschland zum Ziel hatten. Auch in diesem Fall verweigerte er dem Berliner Wunsch, die Unterhändler verhaften zu lassen.
Der verwerflichste Teil seiner Karriere war seine Beteiligung am Holocaust. Die Rolle seines Dienstes beim Pogrom von Iași im Juni 1941 wurde durch Archivdokumente und Zeitzeugenberichte eindeutig belegt. Der Historiker Radu Ioanid schreibt in seinem 2014 veröffentlichten Buch Pogromul de la Iași, dass zwischen 3.000 und 12.000 Juden bei den Ereignissen in Iași im Jahr 1941 getötet wurden.
Am 23. August 1944, dem Tag, an dem Rumänien das Bündnis mit Deutschland aufkündigte, war Oberstleutnant Traian Borcescu Leiter der Gegenspionageabteilung innerhalb des Nachrichtendienstes. Im Jahr 1994 erinnerte sich Borcescu in einem Interview mit dem Zentrum für Mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunks an den Moment, in dem König Michael I. die Regierung Antonescu einbestellt hatte, um die Bedingungen des Waffenstillstands mit der Sowjetunion zu unterzeichnen. Cristescu, der Verdacht schöpfte, traf jedoch eine andere Entscheidung:
„Anstatt zum Königspalast zu gehen, begab er sich zur deutschen Gesandtschaft. Um 22 Uhr wurde die königliche Proklamation ausgestrahlt. Nach deren Verlesung, gegen 23:30 Uhr, rief Eugen Cristescu aus dem Inneren der Gesandtschaft an – dort befand er sich mit zwei Untergebenen – und sagte: ‚Wir haben in der Gesandtschaft Zuflucht gefunden. Neben mir ist Killinger, der wissen möchte, wie die tatsächliche Lage in der Hauptstadt und im Land ist. Er interessiert sich, ob die beiden Antonescus befreit werden können, ob man die Verschwörer im Palast mit Hilfe der in der Hauptstadt stationierten deutschen Truppen verhaften kann und ob man die Situation wiederherstellen kann. Er fragte mich, ob sich Panzer im Palast befänden. Ich antwortete, dass alle Maßnahmen getroffen worden seien und jede deutsche Reaktion zerschlagen werde. In weniger als einer Stunde wäre niemand in der Gesandtschaft mehr am Leben, keine einzige Mauer würde mehr stehen, falls sie Widerstand leisteten. ‚Mit dem alten Zustand ist endgültig Schluss. Verlassen Sie sofort die Gesandtschaft, sonst werden Sie als Verräter erklärt!‘ Danach legte ich auf.“
1946 wurde Eugen Cristescu zum Tode verurteilt, das Urteil wurde jedoch in lebenslange Zwangsarbeit umgewandelt. Er wurde im Gefängnis von Văcărești inhaftiert. Der damalige Schüler Nicolae Dascălu war seit 1946 Mitglied der Nationalbauernpartei und gehörte der antikommunistischen Organisation „Sechste Kolonne“ an. Nach seiner Verhaftung im Jahr 1947 traf er im Gefängnis auf den ehemaligen Spionagechef, wie er im Jahr 2000 berichtete.
„Ich traf auf einen Herrn, der mir gepflegt erschien. Ich sagte: ‚Ich heiße Dascălu‘, und er antwortete: ‚Ich heiße Eugen Cristescu.‘ Damals wusste ich nicht, wer Eugen Cristescu war. Wir hatten keine Zeit zum Reden, da man uns zwei Essnäpfe über den Boden zuschob – darin befand sich das sogenannte Essen: völlig klares Wasser mit einem Kohlblatt, wie man es normalerweise wegwirft. Ich fragte Eugen Cristescu: ‚Was ist das?‘ Und er sagte mir, das sei das Essen. Ich schob meinen Napf mit dem Fuß zur Toilette in der Zelle und schüttete ihn dort aus. Was folgte? Eine Prügelstrafe bis zur Ohnmacht. Ich weiß nur noch, dass ich nass in der Zelle aufwachte. Cristescu sah mich an und sagte mehr zu sich selbst: ‚Du hättest brav sein sollen, das Essen nicht wegstoßen dürfen.“
1950 starb Eugen Cristescu im Alter von 55 Jahren im Gefängnis von Văcărești. Die offizielle Autopsie gab als Todesursache eine koronare Herzkrankheit an. Doch die Lebensbedingungen in den kommunistischen Gefängnissen begünstigten den körperlichen Verfall jedes Häftlings.