Schriftsteller-Proteste im Kommunismus: Der Dissident Paul Goma und seine Menschenrechtsbewegung
Während der relativen Öffnung nach 1965 unterstützte er das Regime, in den 1970 er Jahren wurde er zum Dissidenten und Querulanten und entfachte eine Protestbewegung der Intellektuellen: Paul Goma wurde 1977 von den kommunistischen Behörden ausgebürgert.
Steliu Lambru, 23.04.2018, 17:45
Der Samisdat Ellenpontok“ (Kontrapunkte“), verfasst und herausgegeben von mehreren ungarischen Intellektuellen, die Aktionsgruppe Banat, eine Protestbewegung der deutschsprachigen Schriftsteller, und die Goma-Bewegung waren die wichtigsten Protestformen in den 1970er Jahren in der rumänischen Gesellschaft gegen das kommunistische Regime.
Die Goma-Bewegung wurde nach dem Schriftsteller Paul Goma benannt, der den Protest initiiert hatte. Paul Goma wurde 1935 auf dem Gebiet der heutigen Republik Moldau in einer Familie von Lehrern geboren, die 1944 nach der Besetzung Bessarabiens durch die Sowjetunion nach Rumänien geflüchtet ist. Goma veröffentlichte 30 Bände, darunter zahlreiche Romane und seine Memoiren, und wurde politisch inhaftiert. Laut Cristina Petrescu, Professorin an der Fakultät für Politikwissenschaften der Universität Bukarest, gibt es einen Unterschied zwischen dem Initiator des Protestes und denjenigen, die ihn unterstützt haben:
Schon jetzt wird die Bezeichnung »Goma-Bewegung« in geschichtswissenschaftlichen Texten verwendet, und auf diese Weise wurde dieser kollektive Protest in gewisser Weise kanonisiert. Tatsächlich entspricht dieser unglückliche Ausdruck aber der Bezeichnung, die von der Sicherheitspolizei Securitate dieser Gruppe gegeben wurde. In diesem Fall ist alles etwas komplizierter, gerade weil es eine viel größere Gruppe als Ellenpontok oder die Aktionsgruppe Banat war. Ich werde versuchen, diese Bewegung neu zu interpretieren. Zunächst werde ich unterscheiden zwischen der Frage, wer der kanonisierte Goma als kultureller Gegner des kommunistischen Regimes war, und was die Goma-Bewegung bedeutete, bei der eine völlig andere Art und Weise der Kanonisierung vollzogen wurde.“
Gomas Beziehung zum Regime war eine gewundene, die von der radikalen Opposition bis zu seiner Unterstützung reichte, besonders 1968, als der neue Generalsekretär der Kommunistischen Partei in Bukarest, Nicolae Ceauşescu, sich offen mit Moskau anlegte, in dem er den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei und die Zerschlagung des Prager Frühlings öffentlich verurteilte. Cristina Petrescu:
Wir betrachten die Gegner des Regimes und verfolgen immer die Dynamik der Beziehungen zwischen Dissidenten und dem Regime. Und Goma hatte das Privileg, einer der dauerhaftesten Gegner gewesen zu sein. Er begann mit der Teilnahme an den Revolten der Studenten in Bukarest, die 1956 zeitgleich mit denen in Budapest begannen. Er wurde politischer Gefangener, später stand er unter Hausarrest, danach wurde er an der Universität wieder zugelassen. Man hat versucht, ihn als Spitzel zu rekrutieren, der Versuch scheiterte jedoch. 1968 wurde er freiwillig Mitglied der Kommunistischen Partei und begann das Ceauşescu-Regime zu unterstützen, das gesteht er selbst.“
Goma blieb jedoch ein unberechenbarer und unangenehmer Gesprächspartner der kommunistischen Behörden. Cristina Petrescu erläutert, wie der Initiator der rumänischen Menschenrechtsbewegung das Regime weiter schikaniert hat:
In den 1970er Jahren war Goma ein Beispiel des Nonkonformismus unter den rumänischen Schriftstellern. Er schaffte es, im Ausland einige Bände zu veröffentlichen, die die Zensur hierzulande abgelehnt hatte. Einer dieser Bände ist stark gegen das Regime gerichtet. Der Band erzählt von Gefangenen, die von der Freiheit besessen sind. Diese Bücher waren sehr erfolgreich, weil sie zu der Zeit veröffentlicht wurden, als auch »Der Archipel Gulag« von Solschenizyn in mehrere Weltsprachen übersetzt worden war. Deshalb wurde Goma der rumänische Solschenizyn genannt.“
Goma trat 1977 erneut in Konflikt mit den kommunistischen Behörden, als er einen gemeinsamen Protestbrief an die Belgrader Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa unterzeichnete, der bei Radio Freies Europa verlesen wurde. Der Brief prangerte die Verletzung der Menschenrechte in Rumänien an. Cristina Petrescu:
Es ist bekannt, dass Goma der Initiator der Menschenrechtsbewegung war, die als Vorbild die Charta 77 in der Tschechoslowakei hatte. Das Regime versuchte zunächst, Goma zu vereinnahmen und für Propagandazwecke einzuspannen, was teilweise auch gelang, wenn man sich die Artikel ansieht, die er bis zu seiner Verhaftung veröffentlich hatte. Im Gefängnis schwor er vieler seiner geäußerten Meinungen ab. Infolge des internationalen Drucks wurde er aus dem Gefängnis entlassen und des Landes verwiesen. Bis 1989 war er ein bedeutendes Mitglied des demokratischen rumänischen Exils. Er bleibt auch nach 1989 eine kontroverse Persönlichkeit, vor allem wegen seiner Stellungnahme gegenüber der Sowjetisierung Bessarabiens. Zum Schluss würde ich sagen, dass Paul Goma in gewisser Weise ein vergessener Held unserer jüngeren Geschichte bleibt; die Geschichtsschreibung hat für ihn einfach noch nicht den geeigneten Platz gefunden.“
So entstand die Goma-Bewegung, zu der insgesamt 430 Personen gehörten. Diese hatten Beziehungen zum Bartträger“ — so wurde Goma von der Securitate genannt. Zu den wichtigsten Namen, die Goma unterstützt haben, gehörten der Literaturkritiker Ion Negoiţescu, der Psychiater Ion Vianu und der Arbeiter Vasile Paraschiv. Von den Unterstützern Gomas erhielten 186 einen Pass, um auszuwandern, nachdem die Bewegung unterdrückt wurde. Cristina Petrescu:
Die Goma-Bewegung wird als einer der Höhepunkte der Mobilisierung gegen das ehemalige kommunistische Regime beschrieben. Eine Bewegung, die fast 200 Unterstützer erreicht hatte, eine Zahl, die mit der Zahl der Unterstützer der Charta 77 vergleichbar ist. Aber die beiden Bewegungen befolgten völlig andere Wege. Während die Goma-Bewegung mit der Verhaftung ihres Anführers endete, überlebte die Charta 77 das kommunistische Regime und gab der Tschechoslowakei und der Tschechischen Republik nach dem Fall des Kommunismus einen Präsidenten.“
Am 1. April 1977 wurde Paul Goma verhaftet und im gleichen Jahr, am 20. November 1977, wurde seiner Frau und seinem Kind die rumänische Staatsbürgerschaft entzogen und sie wurden aus Rumänien ausgewiesen. Sie reisten nach Paris, wo sie politisches Asyl beantragten. Goma wollte aber nicht die französische Staatsbürgerschaft. Nach 1989 bekam er die rumänische Staatsbürgerschaft zurück.