Arbeitsnomaden: Rumänien von Arbeitsmigration betroffen
Laut Statistiken leben und arbeiten knapp 6 Mio. rumänische Staatsbürger im Ausland – die meisten davon in Westeuropa. Nebst dem demografischen Wandel verursacht dies erhebliche Schwierigkeiten auf dem heimischen Arbeitsmarkt.
Luiza Moldovan, 11.10.2023, 16:55
Laut Angaben des rumänischen Außenministeriums, die sich auf den Erhebungen der letzten Volkszählung stützen, leben mehr als 5,7 Millionen rumänische Staatsbürger legal im Ausland. Inoffiziell gibt es auch eine nicht eruierbare Dunkelziffer von nicht angemeldeten“ Rumänen, die in Westeuropa in nicht klar geregelten Verhältnissen arbeiten.
Die demografische Krise verstärkt die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, mit denen sich Rumänien ohnehin konfrontiert. Während der Pandemie waren viele Auslandsrumänen in die Heimat zurückgekehrt, doch die wirtschaftliche Situation zwingt viele, erneut das Weite zu suchen. Immer mehr Rumänen zieht es nach Westeuropa, weil die Löhne hierzulande mit der Inflation nicht Schritt halten, was sich in der Lebensqualität und der fehlenden langfristigen Perspektive niederschlägt.
Traditionelle Zielländer für rumänische Arbeitsmigranten waren bisher Deutschland, die Niederlande, Großbritannien, Spanien und Italien, doch neuerdings sind auch die skandinavischen Länder Schweden, Norwegen und Finnland beliebt. Dennoch sei in diesem Jahr ein Abwärtstrend in der Bewerbung für Arbeitsstellen im Ausland feststellbar, sagt Ana Călugăru, Kommunikationsbeauftragte bei der Vermittlungsplattform e-jobs:
Von Anfang Januar bis jetzt ist die Zahl der Anträge auf Jobs im Ausland zurückgegangen. In diesem Zeitraum hatten wir knapp 34 000 Bewerbungen für das Ausland. Das sind rund 1,4 % der Gesamtzahl der Anträge. Die Länder, für die die meisten Bewerbungen eingereicht wurden, waren Deutschland, die Niederlande, Belgien, Frankreich, Irland, Zypern und Großbritannien. Spanien und Italien sind in der Rangliste im Vergleich zur Zeit vor 6-7-8 Jahren, als sie noch sehr beliebt waren, ziemlich weit zurückgefallen.“
Die meisten Bewerber sind auf der Suche nach Stellen, für die keine Qualifikation erforderlich ist. Dies verkürze die Zeit der Stellensuche und erweitere auch das Spektrum der Möglichkeiten, führt Ana Călugăru weiter aus:
Schauen wir uns die Bereiche an, in denen die meisten Stellen ausgeschrieben werden. Arbeitgeber im Ausland haben seit Anfang des Jahres bis jetzt 55 000 Stellen für rumänische Bewerber ausgeschrieben. Die meisten Stellen kommen aus Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, Italien, England, Spanien, Belgien und Dänemark. Die Bereiche, in denen rumänische Bewerber am meisten gesucht werden, sind Transport, Logistik, Schifffahrt, Luftfahrt, verarbeitende Industrie, Bauwesen, Tourismus, Dienstleistungen, Lebensmittelbranche, Einzelhandel und Medizin ( der Gesundheitssektor im Allgemeinen).“
Doch wie viel verdienen rumänische Arbeitgeber im Ausland und welche Arbeitskräfte sind in den unterschiedlichen Ländern gefragt? In der Landwirtschaft schwanken die Löhne zwischen 8,45 und 10 Euro netto pro Stunde, was monatlichen Einkünften von etwa 1 000 Euro entspricht. Das ist immerhin erheblich mehr als der gesetzliche Mindestlohn in Rumänien, der aktuell — auch nach der Erhöhung am 1. Oktober — bei nur 660 Euro liegt.
In Spanien kann man in der Verwaltung 1 900 Euro brutto verdienen, in der Landwirtschaft fast 1 700, im Bereich Kunst und Kultur 1 900, im Baugewerbe 2 400, im Bergbau und der Metallindustrie 2 300, im Gesundheitswesen 2 000 Euro. Am niedrigsten ist das Gehalt eines Erntehelfers — rund 1 100 Euro im Monat.
In den besser betuchten Niederlanden liegt das Gehalt in der Landwirtschaft bei 2 850 € im Monat, im Bereich Kunst und Kultur bei etwa 3 170 €. LKW-Fahrer können zwischen 2 070 € und 4 450 € verdienen. Das Gehalt eines Arztes liegt zwischen 3 000 € und 7 100 €.
In Deutschland besteht ein großer Bedarf in der Altenpflege. Der demografische Wandel lässt die Nachfrage sogar wachsen. Deutschland lockt rumänische Arbeitnehmer mit Erfahrung in diesem Bereich mit Gehältern von 32 500 bis 39 000 Euro im Jahr an. Hinzu kommen weitere Leistungen wie Mietzuschüsse für die ersten Monate, kostenlose Sprachkurse, möblierte Wohnungen und 30 Tage Urlaub pro Jahr.
In Italien kann eine ungelernte Arbeitskraft beispielsweise im Baugewerbe rund 1 250 Euro im Monat verdienen.
In Dänemark ist für die Arbeit auf einem Bauernhof keine Qualifikation erforderlich. Das Gehalt beträgt 1 600 €. Für eine Tätigkeit auf dem Bau oder in einem Schlachthof liegen die Löhne zwischen 2 100 und 2 500 €.
Ana Ana Călugăru, Kommunikationsbeauftragte bei der Arbeitsvermittlungsplattform e-jobs, zählt weitere Vorteile auf, die westeuropäische Arbeitgeber bei der Anwerbung rumänischer Arbeitskräfte bieten:
Die Krankenversicherung gehört dazu, einige Arbeitgeber übernehmen auch die Kosten für die Unterkunft für einen oder zwei Monate, bis der Arbeitgeber eine Wohnung gefunden hat. Für bestimmte Stellen bieten sie auch eine Umzugsprämie.“
Statistiken belegen auch, dass rumänische Migranten, die in Spanien arbeiten, am zufriedensten sind. Dieses Land bietet ihnen eine sehr attraktive Work-Life-Balance. Somit könnte sich der Trend wieder umkehren: Immer mehr Auslandsrumänen entscheiden sich dafür, Deutschland gegen Spanien zu tauschen.