Wie Globalisierung funktioniert – die backende Geschichte eines Briten in Bukarest
Im heutigen Portrait von Expats in Rumänien stellen wir Ihnen den Engländer Tom Rees vor, der aus Norfolk nach Bukarest kam.
Roxana Vasile, 26.12.2014, 17:00
Wir lieben, was wir tun — unter dieser Devise firmiert in Bukarest eine französisch klingende Boulangerie-Patisserie, zu deutsch ein Feingebäckladen. Aber hinter den leckeren Backwaren steckt kein Franzose, wie man es vermuten würde — sondern ein Engländer. Tom Rees hat zusammen mit zwei rumänischen Mitinhaberinnen vor etwa zwei Jahren das Geschäft aufgemacht. Die Parole thront in roten Lettern auf einer schwarzen Tafel an einem der Wände in ihrem kleinen Laden, in dem nur drei Tische Platz haben. In der einfachen, jedoch koketten Patisserie herrscht immer Andrang, die Kunden beäugeln die Delikatessen, die wie in einem Schmuckladen in Schatullen unter der rechteckigen Glastheke stecken.
Tom plaudert liebend gerne über die Geschichte des Ladens — denn es ist auch eine Lovestory über ihn und seine rumänische Freundin Irina.
Wir sind seit fast fünf Jahren zusammen. Damals arbeiteten wir beide in Paris, in einem Restaurant mit drei Michelin-Sternen. Ich war auf Spezialausbildung in der Patisserie, sie war Azubi von der Cordon Bleu Schule. Wir hatten dann Gelegenheit, auch in anderen Gaststätten in Paris zu arbeiten. Dann mussten wir uns eben entscheiden — ziehen wir nach Rumänien oder nach England? Wir haben beides geprüft, und die Entscheidung lag auf der Hand — wo konnten wir uns ein eigenes Geschäft leisten? Denn wir wollten zusammen sein, zusammen etwas aufbauen… Unser Budget war nicht sehr groß und es war klar, dass es nicht lange ausreicht, wenn wir England wählen. Irina nahm mich dann auf eine Woche Urlaub nach Rumänien mit. Wir haben überall nachgefragt und begriffen, dass das der ideale Standort ist, weil Mieten und Löhne billig sind“, erinnert sich Tom Reese.
Wer den kleinen Backladen betritt, wird sofort in den Duft der frischen Baguettes und Croissants, der Pains au Chocolat oder Kuchen eingelullt. Tom ist keiner, der nur zusieht — er legt als Patissier selbst Hand an und will, dass alles perfekt läuft. Täglich ist er morgens um halb fünf arbeitsbereit:
Das hört sich vielleicht komisch an, aber ich mag es, früh aufzustehen und als erster in der Küche zu sein, die Öfen anzuwerfen, den Teig hineinzuschieben, den wir schon am Abend vorbereitet haben. Ich liebe es, wie er im Ofen aufblüht. Ich bin für die neuen Produkte zuständig, aber im Team arbeiten fünf Leute an der Patisserie und weitere drei am Brotbacken. Ich bin der einzige Ausländer. Es war schwer, zu gutem Personal zu kommen, und 90% sind auch sehr zuverlässig. Gewisse Personalschwankungen gab es, aber die meisten sind seit über einem Jahr bei uns und werden jeden Tag besser. Sie lieben ihren Job und wir belohnen das auch — je mehr sie arbeiten, desto besser zahlen wir: Und das wissen sie“, berichtet Tom Rees aus dem Alltag.
Seltsam klingende Worte wie ciorbă“, sarmale“ und mămăligă“, hinter denen sich im Rumänischen die saueren Suppen, die Krautwickel und der Maisbrei verbergen, gehören heute zum täglichen Vokabular von Tom Rees. Zum Berufsjargon hat er auch noch dazugelernt: der Cozonac, wie ein beliebter Kuchen in Rumänien heißt, gehört nämlich auch zum Angebot — mit einem französischen Akzent:
Beim ersten Mal, zu Ostern, habe ich den Cozonac als Mohnkuchen gemacht, wie landesüblich. Aber ich habe den Mohn zu einer Creme verarbeitet. Beim zweiten Mal gab es statt Mohn konfitierte Orangen, aber auch Rosinen und Nüsse, die ich in den Teig gerollt habe — aber anders geschnitten, so dass die Endform im Ofen anders aussah. Der Kuchen hat allen geschmeckt. Jetzt arbeite ich an einem Weihnachtsrezept — es ist aber nicht fertig und unterliegt deshalb der Geheimhaltung“, sagt Rees.
Trotz britischer Zurückhaltung und einer deftigen Portion Nostalgie fühlt sich Tom sehr wohl in der Hauptstadt seiner Wahlheimat.
Ich liebe es, hier zu leben. Ich habe interessante Menschen getroffen, großartige Dinge in Bukarest und außerhalb gesehen. Und es hört sich vielleicht überraschend an, aber ich mag Bukarest — obwohl ich bestimmten Dingen schon nachhänge. Wenn man wie ich lange in Paris gelebt hat, vermisst man hier einiges — das dortige Fleisch oder den Fisch. Auch fällt es mir zuweilen schwer, die Leute hier zu begreifen — manche haben es immer so eilig, dass sie sich vordrängen müssen. Das passiert im Geschäft, aber es passiert mir auch als Radfahrer im Verkehr. Aber ich liebe die Parks hier, im Sommer ist es sehr schön, spazieren zu gehen, überall Biergärten… Ich war am Schwarzen Meer, in Mamaia und Vama Veche. Und im Gebirge — in Sinaia, Braşov, Bran… am meisten hat es mir in Braşov gefallen … die Landschaft, die Architektur… alles war toll“, erzählt Tom Rees.
Der Engländer will noch lange in Bukarest bleiben. Und weil das Geschäft gut läuft, überlegt er sich, eine zweite Bäckerei aufzumachen. Und wenn auch das gut geht, vielleicht noch einen Teeladen mit 10-15 Tischen.