Neue Perspektiven über alte Geschichten
Die Plattform für kulturelle Bildung in Rumänien gibt den Start des Projekts „Nordic Insights: addressing cancel culture in public spaces through artistic dialogue and cultural innovation“ (Nordische Perspektiven: Umgang mit der „Cancel Culture“ im öffentlichen Raum durch künstlerischen Dialog und kulturelle Innovation) bekannt, ein transnationales Projekt, das sich mit kontroversen historischen Narrativen im öffentlichen Raum in Rumänien und der Republik Moldau befasst.
Ana-Maria Cononovici und Adina Olaru, 05.06.2025, 17:40
Das Projekt „Nordic Insights – Umgang mit der „Cancel Culture“ im öffentlichen Raum durch künstlerischen Dialog und kulturelle Innovation“ läuft bis zum 31. Januar 2026 und bringt Experten aus Dänemark, Schweden und Lettland mit Fachleuten aus Rumänien und der Republik Moldau zusammen.
Oana Năsui, Kulturforscherin und Projektmanagerin von „Nordic Insights“, hat uns erzählt, warum sie ein solches Projekt ins Leben rufen wollte:
„Seit ein paar Jahren beschäftigt mich persönlich das Konzept der “Cancel Culture„, also die Methoden, mit denen vor allem in den sozialen Medien Leute bestimmte Personen wegen ihrer öffentlich geäußerten Ansichten “canceln“, also aus ihrem Leben löschen. Das sind ziemlich aggressive Reaktionen, die ich in den letzten Jahren im Internet beobachtet habe. Dann gab es eine Studie zu diesem Thema und ich war bei einem Geschichtsfestival in Rumänien dabei. Durch Gespräche mit Historikern und Leuten, mit denen wir bei unserer Plattform «Postmodernism Museum» zusammenarbeiten, haben wir diese Ideen über Kunst im öffentlichen Raum und die Reaktionen der Leute auf bestimmte Kunstwerke oder öffentliche Kunstwerke entwickelt, Reaktionen, die ziemlich überraschend sind.“
Oana Năsui, Kulturforscherin, erklärte:
„Ich möchte ein Beispiel nennen, das uns besonders beeindruckt hat: 2021 wurde auf dem Großen Marktplatz in Sibiu eine Skulptur von Samuel Von Brukenthal enthüllt, die figurativ ist, ihn also darstellt, und nichts Symbolisches an sich hat. Nach der Enthüllung gab es einige Reaktionen auf die Angemessenheit dieser Skulptur im öffentlichen Raum, und es kam zu einer angeblichen Vandalismusaktion: Das Kunstwerk wurde von einer Person mit Farbe bespritzt. Ich bezeichne die Aktion als „angeblich“, weil wir versuchen, die Reaktionen der Menschen etwas breiter zu sehen, jenseits der Tatsache, dass ein öffentliches Gut beschädigt wurde, wofür die betreffende Person auch eine Geldstrafe bekommen hat. Wir sehen das eher als ein Signal der Zivilgesellschaft im Allgemeinen. Und es scheint, dass das Problem mit dieser Skulptur im öffentlichen Raum die direkte Verbindung war, die Samuel Von Brukenthal zu Horea, Cloşca und Crişan gehabt haben soll. Er soll direkt an ihrer Verhaftung und Ermordung beteiligt gewesen sein. Warum reagieren die Leute jetzt, nach so langer Zeit, und warum reagieren sie in einem so engen Kontext, zumal wir nicht ignorieren können, dass Brukenthal den Palast und eine beeindruckende Sammlung hinterlassen hat und es sich um das älteste Museum Rumäniens handelt? Wir würden eigentlich lieber darüber reden, warum die Leute so handeln, warum nach so langer Zeit? Eigentlich geht es um historische Erzählungen, die in bestimmten Kontexten aktiv werden können.“
Zu den Hauptaktivitäten des Projekts gehören eine umfangreiche Forschungsphase zu umstrittenen öffentlichen Denkmälern, Interviews mit nordischen Fachleuten zum Wissensaustausch und drei virtuelle Rundtischgespräche zum Erfahrungsaustausch. Oana Năsui:
„Wir haben Online-Rundtischgespräche, wir haben Interviews, wir haben Studien, die wir von bestimmten Experten zu diesem Thema bekommen werden, Studien, die wir auch in einem digitalen Buch veröffentlichen und das wir dann weitergeben werden. Was wir interessant fanden, um dieses Projekt zu ergänzen, ist ein Aktionsplan. Die Idee hinter diesen Rundtischgesprächen, Studien und Interviews ist es, qualitative Informationen zu sammeln. Wir wollen aktuelle Meinungen aus dem beruflichen Umfeld und darüber hinaus einholen, denn jeder kann an diesen Rundtischgesprächen teilnehmen und seine Meinung äußern. Diese Informationen wollen wir sammeln, in einen Forschungsrahmen einordnen und diesen Aktionsplan erstellen. Wir haben uns gefreut, dass wir den Aufruf zur Einreichung von Beiträgen nicht nur für Rumänien, sondern auch für die Republik Moldawien öffnen konnten, weil wir eine gemeinsame Geschichte haben und es uns umso interessanter erschien, dass unsere Kollegen aus der Republik Moldawien von den Ergebnissen unseres Projekts profitieren können.“
Welche Ergebnisse werden im Rahmen des Projekts erwartet? Oana Năsui, Kulturforscherin und Projektmanagerin:
„Für den ersten Rundtischgespräch am 28. Mai und die weiteren Aussprachen im Herbst und Winter dieses Jahres haben wir jeweils einen Experten aus Nordeuropa und einen Experten aus Rumänien oder der Republik Moldawien eingeladen. Der Experte aus Rumänien oder der Republik Moldawien ist in den ersten Rundtischgesprächen ein Historiker, ein Forscher mit Spezialisierung auf Kunst im öffentlichen Raum, und das dritte Rundtischgespräch wollen wir auf die Zivilgesellschaft und die öffentliche Politik ausrichten, also Gäste aus diesem Bereich einladen. Wir haben mehr als nur Rundtischgespräche geplant, weil wir zuerst ein paar Präsentationen haben wollen, um dann in konkrete Diskussionen einzusteigen. Die Vorträge, die sich zum Beispiel mit kontroversen Momenten im öffentlichen Raum beschäftigen, wollen wir auch aufzeichnen und öffentlich zugänglich machen. Ein weiteres Ergebnis wird dieses Buch sein. Wir haben schon ein paar Studien zu diesem großen Thema „Cancel Culture in öffentlichen Räumen“ in Auftrag gegeben und am Ende des Projekts können wir es sowohl in Rumänien digital als auch überall auf der Welt verbreiten.
Am Ende des Projekts soll ein Aktionsplan für alle erstellt werden, die sich für den öffentlichen Raum, die Gemeindeentwicklung oder Stadtplanung interessieren, eine Ressource für diejenigen, die Projekte in diesem Bereich durchführen wollen.