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Gotteshaus als Krönung nationaler Modernisierung

Geschichtsredakteur Steliu Lambru beleuchtet die frisch geweihte Nationalkathedrale aus der historischen Ecke

Gotteshaus als Krönung nationaler Modernisierung
Gotteshaus als Krönung nationaler Modernisierung

, 10.11.2025, 15:55

Die Modernisierung der rumänischen Gesellschaft begann im 19. Jahrhundert und hatte in den letzten 25 Jahren dieses Jahrhunderts zwei wichtige Anhaltspunkte – die staatliche Unabhängigkeit (1877) und die Ausrufung des Königreichs (1881). Auch die Kirche durchlief diese Zeit der Erneuerung und des Neubaus. Traditionell waren die orthodoxen Kirchen, also jene der Mehrheitskonfession, eher klein – selbst in den Städten. Die Idee einer Kathedrale stammte aus der westlichen, katholischen und protestantischen Welt und reicht ins Mittelalter zurück, in jene von Historikern wie Georges Duby als „Ära der Kathedralen“ bezeichnet. So bedeutete die Modernisierung des rumänischen Raums und seine Anbindung an den Westen auch, große Kirchen zu bauen. Das rumänische Königshaus deutscher Herkunft brachte zahlreiche Ideen und Einflüsse aus dem Westen mit, sodass der Gedanke, größere Gotteshäuser als bisher zu errichten, selbstverständlich erschien. Daraus entstand auch die Idee einer nationalen orthodoxen Kathedrale, die alle Rumänen repräsentieren sollte.

Am 26. Oktober 2025 trat die Nationale Kathedrale als vollendetes Bauwerk in das Stadtbild Bukarests. An der Weihe ihrer Fresken nahmen die höchsten kirchlichen Würdenträger und Vertreter des Staates teil. Gemeinsam mit dem Historiker Ionuț Biliuță haben wir die Höhen und Tiefen des Projekts verfolgt, ein solches monumentales Gotteshaus in einer mehrheitlich orthodoxen Welt zu errichten.
„Die Idee einer nationalen Kathedrale – ich werde nicht den Namen ‚Kathedrale der Erlösung des Volkes‘ verwenden – entstand Ende des 19. Jahrhunderts auf Initiative des rumänischen Königshauses, genauer gesagt von König Karl I. Zum ersten Mal wurde die Idee in einem Gesetzentwurf von 1884 festgehalten, den Karl I. dem Parlament vorlegte. Das Gesetz sah fünf Millionen Goldlei für den Bau einer Nationalkathedrale in Bukarest vor – damals fünf Prozent des Staatshaushalts. Eine enorme, symbolträchtige Summe. 1891 organisierte die Regierung unter General Ioan Emanuel Florescu sogar einen internationalen Architekturwettbewerb für diese Kathedrale. Doch das Projekt verlor an Schwung. Erst 1900 wurde es wieder aufgegriffen, als der Kultusminister Constantin Istrate am 11. Mai 1900 der Heiligen Synode vorschlug, die Kirche solle die Verantwortung übernehmen und die Kathedrale aus eigenen Mitteln und öffentlichen Spenden errichten.“

Der Erste Weltkrieg verlieh der Idee neuen Auftrieb. Das Entstehen Großrumäniens, erkauft mit dem Opfer Hunderttausender, gab dem Vorhaben zusätzliche Symbolkraft, sagt Ionuț Biliuță:
„Nach der Großen Vereinigung von 1918 nahm Metropolit Miron Cristea, der damalige Patriarch, gemeinsam mit König Ferdinand die Diskussion über die Notwendigkeit einer Nationalkathedrale wieder auf. Auf eine Eingabe des Königs vom 10. Mai 1920 antwortete die Synode positiv – damit entstand praktisch die Idee der ‚Kathedrale der Erlösung des Volkes‘. Der Begriff ist oft missverstanden worden: Gemeint ist nicht die Erlösung eines Volkes im theologischen Sinn, sondern die Befreiung der Rumänen durch die Kriege von 1877 und 1918 – also die Unabhängigkeit, das Königreich und schließlich die Vollendung des Traums vom vereinten Rumänien. Ein weiterer wichtiger Schritt folgte 1926, als der Nationale Kirchliche Rat im Februar beschloss, zusammen mit der Bukarester Stadtverwaltung einen Standort zu finden. 1929 legte Miron Cristea diesen am Fuße des Patriarchenhügels fest. Doch wegen der Weltwirtschaftskrise und später des Zweiten Weltkriegs wurde der Bau auf unbestimmte Zeit verschoben.“

Die ungünstige Geschichte stellte sich dem Projekt erneut in den Weg. Nach 1945 ließ das kommunistische, religionsfeindliche Regime eine solche Idee nicht zu. Erst nach dessen Sturz 1989 tauchte sie wieder auf, wie Ionuț Biliuță erläutert:
„Das Projekt wurde im Februar 1995 von Patriarch Teoctist wieder aufgegriffen, der die Behörden auf allen Ebenen für den Bau einer orthodoxen Kathedrale in Bukarest zu gewinnen versuchte. Am 5. Februar 1999 segnete er in einem Park an der Piața Unirii ein Kreuz als Zeichen des zukünftigen Standorts. Später wurde dieser Ort aus topografischen und städtebaulichen Gründen aufgegeben. Der heutige Standort auf dem Arsenalhügel wurde schließlich am 16. Februar 2005 von der Bukarester Stadtverwaltung mit Zustimmung des Patriarchats beschlossen.“

Heute steht die Nationale Kathedrale und viele sehen in ihr einen Neubeginn. Für den Menschen des 21. Jahrhunderts steht sie auf dem Fundament einer langen Geschichte – und hofft auf eine Zukunft in Ewigkeit.

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