Rumäniens Bevölkerungsschwund: 4,7 Millionen Menschen weniger?
Rumänien steht laut den jüngsten Analysen des Nationalen Statistikamts (INS) vor einem stark beschleunigten demografischen Rückgang. Die Projektionen zeigen, dass die Bevölkerung des Landes bis 2080 um bis zu ein Viertel gegenüber dem heutigen Stand schrumpfen könnte.
Ion Puican, 17.12.2025, 13:45
Rumänien steht laut den jüngsten Analysen des Nationalen Statistikamts (INS) vor einem stark beschleunigten demografischen Rückgang. Die Projektionen zeigen, dass die Bevölkerung des Landes bis 2080 um bis zu ein Viertel gegenüber dem heutigen Stand schrumpfen könnte. Parallel dazu hat das INS vor einem weit fortgeschrittenen Alterungsprozess gewarnt: Die Zahl der über 65-Jährigen übersteigt die der Kinder deutlich – ein Trend, der die soziale und wirtschaftliche Struktur des Landes bereits verändert hat, wie INS-Sprecher Vladimir Alexandrescu verdeutlicht:
„Die Studie greift ein Problem auf, das für jedes Land wesentlich ist und natürlich auch für Rumänien: die Frage seiner Bevölkerung und der demografischen Zukunft der Nation. Es ist nicht der erste Versuch, im rumänischen Umfeld – und damit meinen wir Politik, Gesellschaft und auch den ganz normalen Menschen auf der Straße – auf ein Risiko hinzuweisen, das Rumänien derzeit erlebt und das von jenen, die es erkennen müssten, nicht ausreichend wahrgenommen wird: das Risiko der Entvölkerung, überlagert von einer rasanten, chronischen Alterung, die sich inzwischen – das möchte ich betonen – zu einer galoppierenden Entwicklung ausgewachsen hat. Es handelt sich um eine schnelle Alterung der rumänischen Bevölkerung vor dem Hintergrund der allgemeinen Alterung Europas. Wir stehen hier zwar am Ende der Rangliste in Europa, doch das sollte uns nicht beruhigen, nur weil andere noch schlechter dastehen. Für diesen Moment ist dies ein Endpunkt und der Abschluss einer Reihe von Warnsignalen, die die rumänische Statistik und Demografie ausgesendet haben. Wir sind heute in einer für viele erstaunlichen Situation: In den letzten Jahren sind in ganz Rumänien weniger Kinder geboren worden als in den Vereinigten Fürstentümern um 1870 bis 1880. Offenkundig müssen Maßnahmen durchdacht werden, um diesem zunehmend drängenden Risiko zu begegnen. Ich möchte keine übertrieben dramatische Sprache wählen, doch es handelt sich tatsächlich um eine Grenzsituation, und es sind wohl die letzten historischen Momente, in denen noch Maßnahmen ergriffen werden können, die Ergebnisse bringen.“
Im Jahr 2025 ist die Zahl der Menschen über 65 bereits um mehr als 35 Prozent höher gewesen als die der Kinder unter 14 Jahren. Der Alterungsindex ist innerhalb eines Jahres von 126 auf 132 ältere Menschen je 100 junge gestiegen. Aktuelle Studien zeigen zudem, dass die Bevölkerung über 55 weiter wachsen wird, was den Druck auf das Gesundheits- und Sozialsystem verstärkt.
Die INS-Analyse umfasst drei unterschiedliche Szenarien für die Bevölkerungsentwicklung Rumäniens bis 2080. Selbst im günstigen Fall sinkt die Einwohnerzahl weiter, wenn auch langsamer. In der als am wahrscheinlichsten eingestuften mittleren Variante könnte das Land in den kommenden Jahrzehnten fast 3,5 Millionen Einwohner verlieren. Über diese demografischen Prognosen hat Cristian Șelaru von Abteilung Öffentlichkeitsarbeit beim INS gesprochen:„Das ist mehr als ein Warnsignal. Rumänien erlebt derzeit, wie Sie wissen, eine – nennen wir sie – durchaus tragische Phase, weil immer weniger Kinder geboren werden, und das verheißt nichts Gutes für die Zukunft. Unsere Studie geht von der Wohnbevölkerung Rumäniens zum 1. Januar 2025 aus. Damals lebten laut unseren Daten rund 19 Millionen Menschen im Land. Auf dieser Grundlage haben wir – unter Berücksichtigung der Geburtenraten, der Altersstruktur der lebend geborenen Kinder im Jahr 2024, der Lebenserwartung bei der Geburt nach Geschlecht und Kreis sowie der Binnen- und Auslandswanderung ebenfalls im Jahr 2024 – diese Prognosen erstellt. Sie fallen in keiner Variante gut aus. Wir haben sie in drei Kategorien eingeteilt. Die konstante Variante: Die Bevölkerung Rumäniens würde bis 2080 auf etwa 14,4 Millionen Einwohner schrumpfen, also um knapp 4,7 Millionen Personen. Dann gibt es die optimistische Variante, ein etwas günstigeres Szenario, bei dem die Bevölkerung um 1,9 Millionen Menschen zurückgehen würde, also um etwa zehn Prozent der Wohnbevölkerung vom 1. Januar 2025. Schließlich die mittlere Variante, die man wohl als die plausibelste ansehen kann: ein Rückgang um 3,4 Millionen Personen, also rund 18 Prozent gegenüber dem Stand vom 1. Januar 2025. Das sind die Zahlen. Sie werden jedoch nicht nur den Arbeitsmarkt und die Schülerzahlen betreffen – von der Grundschule über die weiterführenden Schulen bis hin zu den Gymnasien –, sondern auch die Universitäten.“
Cristian Șelaru hat auch mögliche Lösungen für die Zukunft angesprochen:„Wir brauchen eine höhere Geburtenrate. Das lässt sich weder morgen noch übermorgen ändern. Dafür sind staatliche Maßnahmen nötig, die sich über Jahrzehnte erstrecken. Wenn wir bis 2080 etwas verändern wollen, damit also dieser starke Bevölkerungsschwund zumindest nicht ganz so schlimm eintritt, dann geht das nur langfristig – nicht mit kurzfristigen Kraftakten, nicht mit Sparen, sondern mit Investieren. Und nicht, indem man nur pessimistisch ist, sondern immer auch mit Zuversicht über die Zukunft spricht. Denn wenn ein junger Mensch nur ein schwarzes Bild vor Augen hat, wird er sich immer für das zumindest graue Bild entscheiden, das er weiter weg, in anderen Ländern sieht.“
Diese Daten haben eine Realität mit weitreichenden Folgen für die Zukunft Rumäniens ins Blickfeld gerückt. Der Bevölkerungsrückgang, verbunden mit einer beschleunigten Alterung, wird den Arbeitsmarkt, die Rentensysteme, die sozialen Dienste und die Anpassungsfähigkeit der Gemeinschaften an neue demografische Strukturen prägen. Die INS-Projektionen haben ein zentrales Werkzeug geliefert, um staatliche Maßnahmen zu entwickeln, die den Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte gewachsen sind.