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„Kinder des Herodes“: Sind Kinderheime wirklich ein Fortschritt?

Wie eine Gesellschaft mit ausgesetzten Kindern umgeht, sagt sehr viel darüber aus, wie zivilisiert sie ist. Im Prestigeverlag Humanitas ist dazu ein interessanter Bericht erschienen, der sich mit den Folgen der Aussetzung von Kindern auseinandersetzt.

„Kinder des Herodes“: Sind Kinderheime wirklich ein Fortschritt?
„Kinder des Herodes“: Sind Kinderheime wirklich ein Fortschritt?

, 05.06.2019, 17:30

In den letzten Jahrhunderten setzten Menschen Kinder in hohen Zahlen aus. Noch im 18. Jahrhundert, beschrieb Humanitas-Chef Gabriel Liiceanu die Zustände, setzte selbst ein Intellektueller vom Kaliber eines Jean Jacques Rousseau, Autor pädagogischer Traktate, seine eigenen unerwünschten Kinder auf laufendem Band auf den Treppen der Kirche ab — es war einfach der Weg, mit der Situation fertig zu werden, findet der Philosoph Liiceanu. Die moderne Gesellschaft hat institutionalisierte Lösungen entwickelt — sie parkt einfach die unerwünschten Kinder in Heime, was zumindest von au‎ßen betrachtet einen Fortschritt darstellt, sagt Liiceanu. In seinem Verlag ist der Bericht Kinder des Herodes“ von Vlad Alexandrescu erschienen. Als Arzt und Mitglied des rumänischen Parlaments reiste Alexandrescu durch das Land, besuchte Kinderheime und erkundigte sich über die Lage dieser Kinder.



Ich habe mehrfach kraft meiner Befugnisse als Abgeordneter präzise Anfragen direkt an die zuständigen Behörden gestellt: Wie viele missbrauchte Kinder gibt es, welche Arten von Missbrauch werden bei der Polizei registriert, welchen ärztlichen und psychiatrischen Behandlungen — auch medikamentösen — werden die Kinder unterzogen? Zudem ging es mir um Menschenhandel, dessen Opfer oft Kinder oder Jugendliche sind.“




Die extreme Armut scheint der Hauptgrund dafür zu sein, dass Familien Neugeborene oder Kleinkinder aussetzen. Die traumatische Erfahrung hinterlässt tiefe Spuren und wirkt sich negativ auf die psychologische und emotionale Entwicklung aus, meint Vlad Alexandrescu.



Das trifft auf rund 65% der Kinder in staatlicher Obhut zu. Sie stammen aus zutiefst armen Familien. Die Heimkinder sind eine Folge der extremen Armut im Land. Ein guter Teil von ihnen werden bei oder unmittelbar nach der Geburt aufgegeben, einige von ihnen bleiben eine Weile in Krankenhäusern, bevor sie im Heimsystem des Staates landen. Ein Krankenhaus ist kein Platz, wo man aufwachsen sollte, und die Kinder entwickeln so vom kleinsten Alter aus ein Verlassenheitstrauma, das ein Kind dann verinnerlicht und das sich dann zu einem psychischen Leiden entwickelt.“




Im Kommunismus war eine ganze Generation unerwünschter Kinder aufgewachsen. Durch ein von Diktator Nicolae Ceauşescu unterschriebenes Dekret vom 1. Oktober 1966 wurden Schwangerschaftsunterbrechungen mit ganz wenigen Ausnahmen verboten — die Folge war, dass viele unerwünschte Kinder geboren und ausgesetzt wurden und in Heime kamen. Gleich nach der Wende schrieben The New York Times und viele andere Publikationen reihenweise Artikel über die verwahrlosten Kinder in den rumänischen Heimen. Der heutige Rechtsrahmen verhindert zwar Zustände wie vor der Wende, aber immer noch werden Heimkinder zu Patienten der Psychiatrie, erklärt Alexandrescu.



Es gibt ein Vorurteil unter den rumänischen Psychiatern, dass es sozusagen normal ist, wenn Heimkinder in ihre Krankenhäuser hereinspazieren und eine Behandlung brauchen. Sie werden dann aufgenommen und bekommen Neuroleptika, und der Arzt empfiehlt dann eine schrittweise Behandlung — dazu kommt es aber kaum.“




Verleger Gabriel Liiceanu findet, dass zeitgerechtes Engagement in diesem Bereich nicht nur von zu wenig Geld und zu viel Bürokratie verhindert wird. Die Solidarität der Gesellschaft könnte gegen das Leiden der Kinder mehr bewirken als staatliche Kontrollen in Heimen, sagte Liiceanu bei der Lesung aus dem Bericht Kinder des Herodes“:




Der Autor sagt uns, dass wir alles Geld der Welt haben und trotzdem nichts tun könnten, weil es eine ausufernde Bürokratie gibt, die nicht demontiert werden kann. Und alleine können wir uns nur ausweinen und schlecht über die Welt denken. Aber zusammen können wir es schaffen. Solche Einsichten führen zu Lösungen, denn Empörung ist der Nerv der Gesellschaft. Solange man empört ist, ist man am Leben. Ist man nicht empört, hört das Leben auf und die Welt um uns versinkt.“

Foto: Gospodari, la Obor / Facebook
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