Rossen Russew aus Bulgarien: „Die Donau sollte uns nicht trennen, sondern verbinden“
Rossen Russew kommt aus der bulgarischen Donaustadt Silistra und hat in Rumänien eine zweite Heimat gefunden.
Steliu Lambru, 10.04.2017, 18:00
Es klingt vielleicht ein bisschen komisch, wenn man sagt, dass ein Bulgare, ein Serbe, ein Ungar oder ein Ukrainer als Expat in Rumänien lebt, da es sich um unsere Nachbarn handelt. Wie auch andere Völker, die seit Jahrhunderten als Nachbarn leben, können auch die Rumänen und die Bulgaren sagen, dass sie einander ziemlich gut kennen. Bulgarien ist Rumäniens Nachbar südlich der Donau, und die gemeinsame Geschichte der zwei Nachbarländer blickt auf etwa 1200 Jahre zurück. Im Mittelalter gab es sogar ein rumänisch-bulgarisches Reich, das von rumänischen Historikern als walachisch-bulgarisches Reich bezeichnet wurde (in der bulgarischen und internationalen Geschichtsschreibung als Zweites Bulgarisches Reich) und von 1185 bis 1258 bestand. In den darauffolgenden Jahren wurden die wirtschaftlichen und kulturellen Verbindungen zwischen den zwei Völkern immer stärker; eine besondere Bedeutung hatte dabei die gemeinsame orthodoxe Religion. Und im 19. Jh. waren Bukarest und andere rumänische Städte wichtige Zentren des Kampfes für die nationale Unabhängigkeit Bulgariens.
Rossen Russew ist ein Bulgare, der es vorgezogen hat, sich in Rumänien niederzulassen und Mitglied der bulgarischen Expat-Gemeinde nördlich der Donau zu werden. Ist Rumänien das Land, in dem er lange Zeit leben könnte, dem er sich angehörig fühlt? Rossen Russew antwortet:
Rumänien entdeckte ich vor einigen Jahren, vor 14 Jahren, um genauer zu sein. Meine Ehefrau ist Rumänin. Rumänien und Bulgarien sind zwei Nachbarländer, zwei Länder, die von der Donau nicht getrennt, sondern vereint werden sollten. Um ehrlich zu sein, entdeckte ich in Rumänien genau das, was ich auch in Bulgarien tun konnte. Das sind zwei Länder, die sozusagen im Zweierpack kommen, und es wäre sehr gut, wenn wir die bulgarisch-rumänischen Beziehungen so gut wie möglich weiterentwickelten. Wir haben so viel gemeinsam, wir haben fast dieselbe Mentalität.“
Die rumänische Sprache war Rossen Russew nicht fremd. Er ist in einer Donaustadt an der rumänischen Grenze geboren und hat in Rumänien studiert:
Ich studierte an einer rumänischen Universität und dann beschloss ich, in Rumänien zu bleiben. Ich bin in der Stadt Silistra an der Donau, gegenüber der rumänischen Stadt Călăraşi geboren, aber ich ging zum Gymnasium und machte mein Abitur in Sofia. Dann nahm ich ein Hochschulstudium in Rumänien auf und lernte auch Rumänisch. Die rumänische Sprache fand ich OK, ich hatte keine Schwierigkeiten damit, es gibt auch viele Worte, die auf Bulgarisch und Rumänisch fast gleich sind. In Rumänien gefallen mir am besten die Karpaten, die Gebirgsstädte. Braşov (Kronstadt) und Cluj (Klausenburg) finde ich besonders schön. Constanţa und Mamaia an der Schwarzmeerküste haben mir auch gut gefallen.“
Rossen Russew hat Volkswirtschaftslehre und internationale Beziehungen studiert und arbeitet als Vermittler für die Unternehmer, die auf dem rumänischen und dem bulgarischen Markt aktiv werden möchten. Rossen Russew:
Ich bin auf internationale Wirtschaftsbeziehungen spezialisiert, und das ist von Vorteil bei den Vermittlungen zwischen bulgarischen und rumänischen Unternehmern. Wir tun alles, um den bulgarischen Unternehmen bei ihrer Entwicklung auf dem rumänischen Markt zu helfen, und wir helfen auch den rumänischen Unternehmen, die sich für den bulgarischen Markt interessieren. Gleichzeitig unterstützen wir die Unternehmen bei ihren Beziehungen zu den Stadtverwaltungen in Bulgarien und Rumänien, die mit ihnen zusammenarbeiten und Partnerschaften über gemeinsame Projekte in den Grenzregionen unterzeichnen wollen. Es handelt sich um grenzübergreifende Programme, die sich über alle Grenz- und Nachbarschaftsgebiete zwischen Bulgarien und Rumänien erstrecken. Wir helfen den bulgarischen bzw. den rumänischen Unternehmern, Partner am jeweils anderen Ufer der Donau zu finden, um zusammenzuarbeiten und Partnerschaftsbeziehungen zu entwickeln — zum Beispiel in den Bereichen Modernisierung der Infrastruktur und Veranstalten von Kulturevents.“
Rossen Russew sagte uns, er habe nun zwei Heimatländer. Bei seiner Geburt habe er sein bulgarisches Traditionserbe erhalten und jetzt genieße er auch die traditionellen Werte Rumäniens, des Landes, in dem er lebt und sich wohl fühlt.