Geschichte des Kinderschutzes in Rumänien
Kinder waren jedoch schon immer schutzbedürftig, und im Laufe der Zeit haben gewöhnliche Menschen oder Institutionen Schutzfunktionen übernommen.
Steliu Lambru, 28.11.2022, 21:56
Rumänien hat in etwa die gleiche Geschichte des Kinderschutzes wie die geokulturellen Gebiete, die sie beeinflusst haben. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts übernahm der moderne Staat die Rolle eines aktiven Beschützers der Kinder, indem er Krippen, Pflegeheime und Waisenhäuser einrichtete. Die Kinder, die solche Einrichtungen brauchten, waren diejenigen, die das Schicksal am härtesten traf: Waisen, Verlassene, Arme, Obdachlose, Schwerkranke und unheilbar Kranke. Die erste moderne Kinderfürsorgeeinrichtung in Rumänien wurde 1897 mit der Gründung der Sozialen Wohlfahrtsgesellschaft „St. Katharina“ eröffnet. Arme Kinder, mutterlose Kinder und junge alleinstehende Mütter wurden hierher gebracht. Zu den Gründern gehörten Ecaterina Cantacuzino, die Ehefrau des konservativen Politikers Gheorghe Grigore Cantacuzino, Irina Cantacuzino, die Tochter des Ehepaars, und der Arzt Thoma Ionescu. Das Bukarester Rathaus stiftete ein 20.000 Quadratmeter großes Grundstück im Norden der Stadt, neben dem heutigen Triumphbogen, auf dem sieben Gebäude errichtet wurden. Bis 1948, dem Jahr, in dem das kommunistische Regime die Gesellschaft verstaatlichte, haben Tausende von Kindern die angesehene Wohlfahrtseinrichtung besucht.
Oana Drăgulinescu, Leiterin des neuesten Museumsprojekts in Rumänien, des Museums der Verlassenheit, unterstrich die Rolle der Einrichtung der „Heiligen Katharina“ als Vorreiter im Kinderschutz:
„Es ist klar, dass das Kind lange Zeit eine unprivilegierte Rolle in der Familie gespielt hat. Es gab viele Kinder, die schon in jungen Jahren ausgenutzt wurden, um nicht zu sagen ausgebeutet, aber sie mussten sowieso eine Rolle in der Familie spielen. Sie mussten ihre eigenen Lebensmittel produzieren. Was ich in den Dokumenten der Katharina-Einrichtungs gefunden habe, ist, dass um 1900 eine Strukturierung des Kinderschutzes in Rumänien beginnt. Und unter diesem Gesichtspunkt ist die Einrichtung der Heiligen Katharina eine Vorrreiterin, denn sie kommt und sagt: Wir kümmern uns nicht nur einfach um die Kinder, sondern adoptieren sie mit richtigen Papieren. Wir geben die Kinder nicht mehr zur Pflegeunterbringung, sondern wir schaffen ein System, in dem diese Frauen, die zukünftigen Pflegerinnen, beaufsichtigt werden, wie sie die Kinder ernähren, wie sie sie erziehen, sie beginnen, die langfristige Unterbringung der Kinder zu beaufsichtigen, damit sie die Kontrolle über ihre Zukunft haben.“
Das am 6. März 1945 installierte kommunistische Regime brachte eine andere gesellschaftliche Realität nach Rumänien. Da alles einen radikalen Wandel erfuhr, bei dem der Mensch in höchstem Maße verroht wurde, wurde auch der Kinderschutz entsprechend angepasst. Oana Drăgulinescu berichtet weiter:
„Dann kommt der Kommunismus und Ceaușescu sagt: Wir wollen eine starke Beziehung, wir wollen immer mehr Kinder und er findet diese Formel des Dekrets 770, das die Verhütung verbietet. Das führt zu einem Geburtenboom. Er hat aber nicht an die Kapazität des rumänischen Volkes Kinder aufzuziehen, gedacht. Es war ein Volk, das bereits verarmt war, das bereits unter dem Sparzwang stand, den die kommunistische Partei dem Volk auferlegte. Die Menschen beginnen, ihre Kinder mehr und mehr auszusetzen, und der rumänische Staat beginnt, immer mehr Einrichtungen zu bauen.“
Die sozialistische Gesellschaft war eine Gesellschaft, in der der Mensch glücklich und perfekt sein sollte. Und jede biologische Abweichung wurde brutal behandelt. Oana Drăgulinescu dazu:
„Es gibt auch diese Vorstellung von der Perfektion des kommunistischen Kindes, das bestimmte Standards erfüllen musste. Jeder, der nicht der Norm entsprach, und das konnte alles Mögliche bedeuten, sogar Strabismus, wurde in Anstaltsheime gebracht, die im Laufe der Zeit aufgrund ihrer großen Zahl und der Unfähigkeit des Systems, diese Kinder zu versorgen, zu Vernichtungslagern wurden. Das ist es, was 1989 geschah, das ist es, was westliche Fernsehsender vorfinden, wenn sie hierher kommen und entsetzt sind über diese Bilder, die denen von Auschwitz ähneln. Aber es war nicht die Nazizeit, sondern 1989 in Rumänien: Kinder an Betten gefesselt, Kinder in Ketten gelegt, Kinder unmenschlich behandelt“.
Nach 1989, als das kommunistische Regime in Rumänien zusammenbrach, musste der Kinderschutz neu aufgebaut werden. Es war eine Anstrengung, die die Gesellschaft auf sich nahm. Oana Drăgulinescu:
„Aber das hat 1989 nicht aufgehört. Es war kein plötzlicher Übergang, es war nicht so, dass das rumänische Volk plötzlich aufgeklärt wurde und anfing, Mittel für diese Kinder zur Verfügung zu stellen, es ging noch lange danach weiter. Es war eine Zeit des totalen Verfalls, und bis 2004, als das Kinderschutzgesetz im Wesentlichen geändert wurde, ging es in ähnlicher Form weiter.”
Das neue Gedenkprojekt des Museums der Verlassenheit lädt zum Nachdenken über eine problematische Vergangenheit ein.