Abraham Goldfaden begründete das Jiddisch-Theater
Sein Tod jährte sich im Januar zum 110. Mal.
Steliu Lambru, 03.09.2018, 17:30
Er wurde 1840 in der heutigen Ukraine als Sohn eines jüdischen Uhrmachers geboren und kam als Literat und Dramaturg im Alter von 26 Jahren in Iaşi an: Abraham Goldfaden. Wenige wissen, dass er eigentlich die Grundlagen des Jiddisch-Theaters baute. Konservativ-jüdisch erzogen, Autor von Theaterstücken, Gedichten und Rezensionen in der Presse des russischen Reiches und der Donaumonarchie, war Goldfaden fanatischer Verfechter der Bildung als wichtiges Mittel zur Haskala — der jüdischen Aufklärung –, ein Modernisierer durch und durch, sagt Camelia Crăciun, die an der Universität Bukarest jiddische Kultur unterrichtet und das jüdische Staatstheater in Bukarest literarisch berät: In Iaşi fand er in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts optimale Voraussetzungen für die Gründung des ersten Theaters mit einer professionellen Truppe, die in jiddischer Sprache auftrat“, meint die Forscherin.
Aus Iaşi strahlte das Phänomen international aus, bis es schließlich in den USA zur maximalen Popularität fand. Leicht war es nicht, erklärt Camelia Crăciun: Bis zum Holocaust gab es in der jüdischen Kultur nämlich ein Spannungsverhältnis zwischen dem Jiddischen und dem Hebräischen. Das Jiddische wurde verdrängt, das Hebräische war die kultivierte Sprache der Eliten, die in der Justiz und der Verwaltung und der Religion und vor allem von Männern eingesetzt wurde. Jiddisch war so verpönt, dass die ersten Autoren unter Pseudonym schrieben, um ihre Familie nicht zu kompromittieren, sagt Camelia Crăciun, die das konkrete Projekt Goldfadens erläutert:
Das ist so eine offene Frage: Wie kommt man denn überhaupt darauf, ein Theater und eine professionelle Truppe zu gründen? Drei Akteure beanspruchen den Einfall. Die Frau eines gewissen Itzok Librescu aus Iaşi sagt, sie habe Goldfaden bei einem Gespräch über ein Zeitschriftprojekt gesagt, doch besser ein Theater zu gründen, wie es die Rumänen haben. Über 40% der damaligen Stadtbevölkerung aus Iaşi sprach Jiddisch, ging aber in rumänische Theaterhäuser, die damals schon Tradition hatten. Goldfaden selbst erzählt, dass er bemerkte, wie viele Straßenmusikanten seine eigenen Jiddisch-Gedichte musikalisch verarbeiteten. Diese Musikanten zogen durch die Kneipen und führten kleine Stücke auf, um die Gäste zu amüsieren. Goldfaden überlegte sich also, daraus ein breiteres Programm zu machen. Einer dieser damals beliebten Musikanten, Israel Grodner, beansprucht die Idee für sich: Er habe Goldfaden eingeladen, ein größeres Projekt zu beginnen, das ist also der dritte mögliche Protagonist“, zählt die Kulturforscherin Camelia Crăciun auf.
Wie auch immer: unter Goldfaden und seinen Leuten fand in Iaşi die erste Aufführung eines jiddischen Stückes statt und die Bahn für den Erfolg war frei: Die erste Aufführung hat ihren Platz in der Literaturgeschichte dank Mihai Eminescu — er gilt sozusagen als Standesbeamter, der die Geburt dieses Theaters registrierte. In der Zeitung »Curierul de Iaşi« schrieb er am 20. August 1876 eine Rezension. Eminescu sprach Deutsch und lebte in einem Gebiet mit vielen Jiddisch sprechenden Menschen, also waren diese Stücke für ihn erschließbar. Die Rezension fiel positiv aus, nur am Text selbst fand er etwas auszusetzen. Er schien eher positiv beeindruckt zu sein von der Show, aber besonders von der Reaktion des Publikums“, sagt die Theaterfrau Camelia Crăciun.
Abraham Goldfadens Theater reiste anschließend durch ganz Ost- und Mitteleuropa. Er war der Meinung, dass Theater auf Jiddisch zu einem Kulturgut aller Juden werden muss. Goldfaden verließ Rumänien 1896 und zog nach New York, wo er eine lebendige jüdische Theaterszene begründete und bis zu seinem Tod im Jahr 1908 die jüdische Kultur mitprägte.