35 Jahre seit den ersten Wahlen nach dem Kommunismus – Rumäniens schwieriger Neubeginn
Am 20. Mai 1990 gingen Millionen Menschen in Rumänien an die Wahlurnen. Es waren die ersten freien Parlaments- und Präsidentschaftswahlen nach dem Sturz des kommunistischen Regimes am 22. Dezember 1989. Der Wahltag – ein Sonntag – ging in die Geschichte ein als die sogenannte „Sonntagswahl der Blinden“. Denn viele Wähler stimmten voller Hoffnung, aber auch voller Illusionen ab.

Steliu Lambru und Sorin Georgescu, 26.05.2025, 18:37
Die Wahlen vom 20. Mai 1990 wurden klar von der Front zur Nationalen Rettung (FSN) dominiert – jener Bewegung, die aus dem zerfallenen kommunistischen Machtapparat hervorging. Ihr Kandidat Ion Iliescu gewann die Präsidentschaft mit überwältigenden 85 % der Stimmen. Der liberale Herausforderer Radu Câmpeanu kam auf 10,5 %, der konservative Ion Rațiu auf rund 4 %. Im Parlament errang die FSN 67 % der Sitze. Weit abgeschlagen: der Demokratische Verband der Rumänien-Ungarn (UDMR), mit 7,2 %, die Liberalen (PNL) mit 7 %, die Grünen (MER) und die Christlich-Demokratische Bauernpartei (PNȚ) jeweils mit 2,5 %. Die Wahlbeteiligung war enorm: Rund 86 % der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab – ein historischer Rekord.
Doch mit der Euphorie kamen schnell die Zweifel. Die Reformen, die sich viele erhofften, kamen nur langsam – zu langsam. Das politische Ungleichgewicht zwischen der mächtigen FSN und den sogenannten „historischen Parteien“, die nach 45 Jahren Diktatur erst mühsam wiederbelebt wurden, lähmte die Entwicklung. Der Übergang zur Demokratie verlief holprig – begleitet von Intoleranz, Manipulation, Desinformation und sogar Gewalt.
Stimmen der Zeitzeugen
Das Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des Rumänischen Rundfunks hat Erinnerungen aus dieser Umbruchzeit gesammelt. Sorin Bottez, einst junger liberaler Aktivist, später politischer Gefangener unter dem Kommunismus, erinnerte sich 2003 an die Stimmung vor der Wahl:
„Wir hatten gehofft, dass Câmpeanu Präsident wird. Das war natürlich naiv. Wer glaubte denn, dass der KGB zulassen würde, dass Câmpeanu Präsident wird? Gegen ihn wurden absurde Gerüchte gestreut – etwa, er habe in Paris ein Bordell betrieben oder seine Schwester getötet. Der staatliche Fernsehsender hat das übernommen und bereitwillig weiterverbreitet, der Hörfunk etwas weniger.“
Auch Ion Diaconescu, Vorsitzender der Bauernpartei, sprach über die Gewalt während des Wahlkampfs. Ein Beispiel:
„Wir wollten ausländischen Journalisten zeigen, wie unsere Kampagne auf dem Land läuft. Aber wir wussten, dass wir dort Prügel riskieren. In Dobrești, dem Heimatdorf von Ion Mihalache, dem Gründervater unserer Partei, wurden wir mit Steinen beworfen – von Leuten, die es just aus Mihalaches eigenem Garten auf uns abgesehen hatten. Die Polizei sah tatenlos zu, weil es angeblich eine politische Angelegenheit war.“
Solche Zwischenfälle wiederholten sich im ganzen Land. Auch weitere prominente Oppositionspolitiker von der Bauernpartei wie Ion Rațiu oder Corneliu Coposu berichteten von ähnlichen Erfahrungen – Einschüchterung, Gewalt, Sabotage.
Fazit
Die Wahlen vom 20. Mai 1990 waren ein Meilenstein – aber kein glatter Neubeginn. Sie waren Ausdruck der Hoffnungen, aber auch der Ängste und Unsicherheiten einer Gesellschaft, die sich gerade von Jahrzehnten der Unterdrückung befreit hatte. Viele Historiker und Politikwissenschaftler sehen in diesen Wahlen den Ursprung mancher heutiger Schwächen der rumänischen Demokratie. Und doch markierten sie den ersten Schritt auf einem langen Weg voller Hindernisse, der schließlich zur Demokratie führte.