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Kommunistische Widersacher Ceaușescus: Alexandru Bârlădeanu (1911–1997)

Alexandru Bârlădeanu war ein Ökonom und hochrangiger Kader der Kommunistischen Partei, der bis zu seiner Entfernung aus dem Machtapparat 1968 mit Diktator Nicolae Ceaușescu – nicht nur zu wirtschaftlichen Themen – mehrmals auf Konfrontationskurs ging.

Kommunistische Widersacher Ceaușescus: Alexandru Bârlădeanu (1911–1997)
Kommunistische Widersacher Ceaușescus: Alexandru Bârlădeanu (1911–1997)

, 30.05.2022, 18:45



RadioRomaniaInternational · Kommunistische Widersacher Ceaușescus: Alexandru Bârlădeanu (1911–1997)




Die letzten 25 Jahre des kommunistischen Regimes in Rumänien waren von der Persönlichkeit des Diktators Nicolae Ceaușescu geprägt. Von 1965 bis 1989 führte er zunächst als Generalsekretär der Kommunistischen Partei, später zugleich auch als Staatspräsident die Geschicke Rumäniens mit eiserner Hand. Die Epoche war vom Personenkult des Diktators und seiner Ehefrau geprägt, Ceaușescu galt als brutal, launisch und engstirnig. Wirtschaftlich ging es im Land kontinuierlich bergab, insbesondere in den 1980er Jahren setzten sich die Menschen in Rumänien zunehmend mit materiellen Entbehrungen auseinander — die rigide Planwirtschaft führte zu chronischem Mangel an Basisprodukten auf dem Markt.



Eine Opposition gab es aufgrund der alles überwachenden Geheimpolizei Securitate kaum — die wenigen mutigen Dissidenten wurden unter Hausarrest gestellt, mundtot gemacht oder ins Exil gezwungen. Selbst in den Reihen der kommunistischen Elite gab es nur wenige Widersacher — auch sie wurden aus den Machtkreisen entfernt, oder sie wählten aus eigenen Stücken die Isolation.



Einer der wenigen hohen Parteifunktionäre, die den Mut hatten, es mit Nicolae Ceaușescu aufzunehmen, war der Ökonom Alexandru Bârlădeanu. Er wurde 1911 im Süden der heutigen Moldaurepublik geboren, damals noch eine Provinz des zaristischen Russlands. 1943 trat er in die Kommunistische Partei Rumäniens ein und nach 1944 bekleidete er hohe Ämter in der damaligen Hierarchie. Als Vertrauter des stalinistischen Generalsekretärs Gheorghe Gheorghiu-Dej, des Vorgänger Ceaușescus, hatte Alexandru Bârlădeanu mehrmals Ministerposten inne und bekleidete höhere Ämter in der Volksversammlung, dem damaligen Parlament. Nach dem Tod Gheorghiu-Dejs im Jahr 1965 wechselte Bârlădeanu ins Lager der Reformisten und geriet in Konflikte mit dem neuen Machthaber Nicolae Ceaușescu.



Im Sommer 1989 war er einer der sechs hochrangigen Parteifunktionäre, die einen offenen Brief an Ceaușescu verfassten, in dem der Diktator zu Reformen aufgefordert wurde. Der Brief gelangte allerdings nie an die Öffentlichkeit, wurde aber bei Radio Free Europe und anderen westlichen Sendern verlesen und eifrig kommentiert. Nach dem Umsturz von 1989 war Bârlădeanu von 1990 bis 1992 Parlamentsabgeordneter und verstarb 1997 im Alter von 86 Jahren.



In einem Interview von 1995 mit dem Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des Rumänischen Rundfunks erinnerte sich Alexandru Bârlădeanu, dass seine Divergenzen mit Ceaușescu bereits beim 9. Parteikongress 1965 ihren Anfang hatten, als Ceaușescu zum Generalsekretär gewählt wurde. Die beiden hatten unterschiedliche Ansichten über die Gewichtung von Investitionen und Konsum in der sozialistischen Planwirtschaft.



In der Meinungsverschiedenheit mit Ceaușescu ging es um die Aufteilung des Bruttoinlandsproduktes zwischen dem Konsumfonds und dem Rücklagenfonds. Ich nahm darauf Bezug in meiner Rede beim Parteikongress. Ich sagte sinngemä‎ß, dass zu hohe staatliche Investitionen den Lebensstandard sinken lassen und zu niedrige Investitionen hingegen die Entwicklung des Landes hemmen würden. Ich sagte auch — und hier kam es erneut zum Streit –, dass die Entscheidung über diese Proportion aus politischem Gespür kommen muss, während Ceaușescu in einem fort von einer wissenschaftlichen Entscheidung sprach. Das hatte nichts mit Wissenschaft zu tun, sondern mit der Kunst der Politik und dem Gespür für das Richtige.“




Die Antipathie der beiden gegeneinander nahm mit der Zeit zu. Zu einem weiteren Eklat kam es 1966, als in Rumänien die Abtreibungen verboten wurden — mit katastrophalen Folgen über Jahrzehnte für die Familienplanung, die Gesundheit der Frauen und das Schicksal ungewollter Kinder. Alexandru Bârlădeanu erinnerte sich im Gespräch von 1995, wie der verbale Schlagabtausch über die Bühne lief:



Wir hatten entlang der Zeit mehrere Auseinandersetzungen, in denen wir völlig entgegengesetzte Meinungen vertraten. Einen grundlegenden Dissens hatten wir im Zusammenhang mit den Abtreibungen. Im Sommer nach der Wahl Ceaușescus zum Generalsekretär war ich im Urlaub am Schwarzen Meer, als er urplötzlich eine Sitzung des Exekutivkomitees einberief. Ich reiste aus Costinești an, und Ceaușescu setzte aus heiterem Himmel das Thema Abtreibungen auf die Agenda. Ich war gegen das Verbot und sagte es auch unverblümt: Die Sache sei wissenschaftlich nicht genügend untersucht worden, und ohne Studien könne man keine richtige Entscheidung treffen. Der damalige Ministerpräsident Ion Gheorghe Maurer pflichtete mir sogar bei und sagte etwas Ähnliches — man müsse die Frage der Abtreibungen erst einmal wissenschaftlich untersuchen lassen. Doch Ceaușescu brauste auf und sagte: ‚Mit diesem Vorschlag will Genosse Bârlădeanu blo‎ß die Prostitution in Rumänien unterstützen!‘“




Der Konflikt zwischen Ceaușescu und Bârlădeanu entbrannte auch an der Frage, wie gro‎ß Bauernhöfe in einer kollektivierten Landwirtschaft noch sein durften. Auch hier versuchte Alexandru Bârlădeanu, dem Diktator einen Strich durch die Rechnung zu machen. Doch Bârlădeanu ging erneut als Verlierer aus dem Konflikt heraus und beschloss bald darauf, unter dem Vorwand einer unheilbaren Krankheit in den Ruhestand zu gehen.



Ceaușescu wollte Bauerngehöfte auf 500 Quadratmeter begrenzen. Ich kann mich zwar nicht mehr genau an die Argumente dieser Auseinandersetzung erinnern, doch Ceaușescu war ständig gegen andere Meinungen. 1968 hatten wir erneut einen Disput, ich hatte die Nase voll und danach entschied ich, mich aus der Politik zu verabschieden. Ich hatte bereits Symptome einer anfänglichen Blutkrankheit gehabt, und ein bekannter Hämatologe aus Paris, der mich untersucht hatte, stellte mir eine Bescheinigung aus, dass die Krankheit 7 von 10 Chancen habe, einen fatalen Ausgang zu haben, wenn ich von der Arbeit nicht befreit werden würde. Diesen ärztlichen Befund zeigte ich Ceaușescu.“




Alexandru Bârlădeanu wählte somit nach 1968 die Selbstisolation, wie auch andere kommunistische Widersacher Ceaușescus, denn der ständige Konflikt mit dem Diktator wäre aussichtslos gewesen, wie Bârlădeanu im Interview von 1995 mit dem Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des Rumänischen Rundfunks eröffnete:



Ich leitete damals den Wissenschaftsrat und lie‎ß Ceaușescu Vorschläge zukommen, wie man den Rat und generell den Bereich der Wissenschaften umorganisieren könnte. Mehrere Tage darauf erhielt ich keine Antwort, und auf meine Frage, ob er mein Referat gelesen habe, reagierte er erneut unwirsch und sagte nur: ‚Glaubst du denn wirklich, dass du mir beibringen kannst, was Wissenschaft ist?!‘. Soviel zu seinem Führungsstil. 1968 fällte ich dann die Entscheidung, mich dieser Art, Politik zu betreiben, fern zu halten. Ich hatte begriffen, dass Ceaușescus Wirtschaftspolitik ins Desaster führen würde. Und ich habe nie einen Hehl daraus gemacht.“




Tatsächlich führte Ceaușescus Renitenz — selbst gegen Berater aus dem kommunistischen Machtkreis — zu einer beispiellosen Wirtschaftskrise in den 1980ern. Mangelwirtschaft und die Unterdrückung der Meinungsfreiheit hatten das sozialistische Rumänien in den Spätachtzigern in eine beispiellose Misere und Isolation geführt, aus denen sich das Land erst 1989 befreien konnte.

Cămilă (foto: pixabay.com)

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