Die digitalen Schätze Ostsiebenbürgens
In einer digitalen Ära, in der sich Reiseziele gegenseitig überbieten, enthüllt eine bislang etwas übersehene Region Rumäniens jetzt ihren kulturellen Reichtum: Ostsiebenbürgen (Estul Transilvaniei)! Dieses Gebiet der ethnischen Vielfalt und lebendigen Geschichte wird dank des modernen Projekts „Muzet“ – kurz für „Muzeele din Estul Transilvaniei“ – ins nationale und internationale Rampenlicht gerückt.
Daniel Onea und Adina Olaru, 16.11.2025, 17:39
Wir sprechen mit Alexandru Mihăilă, dem Präsidenten des Vereins Provil, über die Philosophie und die konkreten Auswirkungen dieser Initiative. Seine Organisation spezialisiert sich auf Kulturprojekte und die touristische Förderung des lokalen Erbes.
Museen als Brücke zwischen den Generationen
„Muzet“ ist eine komplexe digitale Plattform, die eine Website, eine Facebook-Seite, einen YouTube-Kanal und eigene Apps für Android und iOS umfasst. Herr Mihăilă erklärt uns, wie seine Vereinigung die Rolle von Museen heute sieht und wie das Projekt ins Leben gerufen wurde.
„Wir sehen Museen als eine Brücke zwischen den Generationen, die Traditionen, Bräuche und verschiedene Elemente der Vergangenheit in die Gegenwart transportiert. Wir sehen es als unsere Pflicht an, diese Elemente weiterzugeben. Wir nutzten die offenen Finanzierungsprogramme der rumänischen Regierung und haben uns beworben. Genauer gesagt haben wir uns in zwei Etappen beworben: Zuerst haben wir uns auf fünf Museen in den Kreisen Harghita und Covasna konzentriert. In der zweiten Phase haben wir dann fünf weitere Museen aus den benachbarten Kreisen Brașov und Mureș hinzugefügt.“
Ein in zwei Phasen entwickeltes Projekt, das nun zehn wichtige Museen aus vier Landkreisen umfasst. Das Ziel ist nicht nur, ausländische Touristen anzuziehen, sondern auch – und das ist essenziell – die lokale Bevölkerung wieder mit ihrem eigenen Erbe zu verbinden. Denn oft wird das ignoriert, was direkt vor der Haustür liegt.
„Das erklärte Ziel war, das kulturelle und historische Erbe Ostsiebenbürgens ins Licht zu rücken, und zwar auch für das lokale Publikum. Ich betone das, weil wir oft dazu neigen, das, was uns am nächsten ist, nicht wertzuschätzen. Wir wollten sowohl den lokalen Akteuren als auch rumänischen und ausländischen Touristen einen Anreiz geben. Deshalb haben wir dafür gesorgt, dass das Projekt ins Englische übersetzt wurde. Alle Inhalte auf der Website sind zweisprachig (Rumänisch-Englisch), damit Touristen aus ganz Europa diese Informationen abrufen können.“
Die Giganten und die Einzigartigen
Ostsiebenbürgen entpuppte sich als positive Überraschung, da jedes Museum seine ganz eigene Einzigartigkeit besitzt. Wir haben Alexandru Mihăilă gebeten, uns seinen persönlichen Geheimtipp zu nennen. Obwohl er betont, dass jedes Museum seinen Charme hat, hebt er einen besonderen Ort hervor: das Strohhut-Museum in Crișeni.
„Zunächst einmal beeindruckt das über 130 Jahre alte Bauernhaus, in dem das Museum untergebracht ist. Dort haben wir als Kuriosität sogar einen separaten Eingang für die Katze bemerkt. Dann beeindruckte mich die Herzlichkeit der Menschen und die natürliche Umgebung; die Gegend wirkt wie ein vergessener Ort, man fühlt sich wie auf einer Zeitreise. Und dann war ich fasziniert vom riesigen Strohhut. Er hat zwei Meter Durchmesser und wiegt über zwei Kilogramm. Er erforderte zwölf Tage Arbeit und etwa 500 Meter Rohmaterial.“
Seine Empfehlungen gehen weiter zum Historischen Museum Sighișoara (dt. Schäßburg).
„Das ist ein bemerkenswertes Reiseziel, und soweit ich weiß, ist es das einzige Museum in Rumänien, das vertikal organisiert ist. Natürlich ist das Museum ein integraler Bestandteil des UNESCO-Weltkulturerbes, genau wie die gesamte Zitadelle von Sighișoara. Hier gibt es für Besucher sehr interessante Elemente zu entdecken: Mir ist zum Beispiel eine Altar-Feuerstelle aus der Bronzezeit in Erinnerung geblieben, die als eine Art Sonnenkalender fungierte. Man findet auch ein wunderschönes, detailliertes Modell von Sighișoara aus dem Jahr 1735. Es gibt wertvolle ethnografische Ausstellungen, sächsische Keramik und exklusive Möbelstücke, wie Tische im Rokoko-Stil oder eine Biedermeier-Kommode. Auch die mittelalterlichen Handwerkszünfte sind repräsentiert. Und ganz besonders: Im vorletzten Stock kann man das noch funktionierende Uhrwerk des Uhrturms besichtigen, das aus dem Jahr 1906 stammt. Als weitere Kuriosität gibt es eine kleine Ausstellung, die Hermann Oberth, dem Pionier der Astronautik, gewidmet ist. Die Vielfalt der Exponate auf relativ kleinem Raum ist unglaublich.“
Erfolg in der digitalen Verbindung
Die Beispiele Strohhut-Museum und Historisches Museum Schäßburg zeigen, dass das Projekt mehr ist als nur ein digitaler Katalog. Es ist eine lebendige Plattform, die bereits internationale Verbindungen schafft. Für Alexandru Mihăilă misst sich der Erfolg in der echten Interaktion, die durch die Plattform entsteht.
„Ich war sehr angenehm überrascht, den Erfolg des Projekts festzustellen. Natürlich ist Erfolg relativ, jeder misst ihn anders. Für mich ist die größte Freude, dass ich ständig von Menschen kontaktiert werde, sowohl aus Rumänien als auch aus dem Ausland, die mehr Details erfahren möchten. Ein Beispiel: Eine Studentin aus Tschechien, die sich auf Restaurationen spezialisiert, hatte ein Studienprojekt über Damenschuhe aus den 1700er Jahren. Sie entdeckte auf unserer Website ein fast identisches Paar Schuhe und bat mich um Details. Ich habe sie gerne mit den Vertretern des Historischen Museums Sighișoara in Kontakt gebracht, damit sie ihre Studien fortsetzen konnte.“
Dieses Beispiel beweist, wie eine gut konzipierte digitale Plattform Distanzen verkürzt und eine wertvolle akademische und touristische Ressource sein kann.
Das Projekt „Muzet“ ist eine offene Einladung, einen Kulturschatz zu erkunden, der durch eine einzigartige Mischung aus rumänischen, sächsischen und ungarischen Traditionen geprägt ist – ein Erbe, das dank dieser Bemühungen jetzt nur einen Klick entfernt ist, unter: muzet.ro